Die Bundesregierung hat nun bis Ende dieses Jahres Zeit, Konsequenzen aus dem Urteil des Verfassungsgerichts zu ziehen. Es hatte am Dienstag die Hartz-IV-Regelsätze für grundgesetzwidirg erklärt. Nun sollen sie schnell neu berechnet werden.
Offen bleibt aber, ob die rund 6,5 Millionen Hartz-IV-Bezieher bundesweit, darunter etwa 1,7 Millionen Kinder, nun tatsächlich mehr Geld bekommen. In Berlin hoffen 573.977 Menschen auf eine entsprechende Gesetzesänderung – darunter 142.962 Kinder unter 15 Jahren.
Doch solange ändert sich nach Angaben der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales erst einmal nichts für die Hartz-IV-Empfänger in Berlin. Erst wenn die Regierung nicht nur die Berechnungsgrundlage der Regelsätze nachvollziehbarer gestaltet, sondern auch die Sätze erhöht, dürfen die betroffenen Berliner mehr Geld erwarten. Diese Zahlungen werden den Landeshaushalt laut Senatsverwaltung aber nicht belasten, weil es sich bisher ausschließlich um Geld aus dem Bundeshaushalt handelt.
Das Land Berlin kommt nur für einen Großteil der zusätzlichen Kosten der Unterkunft auf, also für Miete und Heizungskosten. Diese lagen im Jahr 2008 in Berlin bei insgesamt 1,4 Milliarden Euro. Eine Milliarde Euro trug das Land, den Rest der Bund. Über die Höhe der Hartz-IV-Leistungen des Bundes für Berlin konnte die Bundesagentur am Dienstag keine Angaben machen. Aufgrund der individuell unterschiedlichen Bedarfssätze sei dies nicht zu beziffern, sagte Olaf Möller, Sprecher der Regionalagentur Berlin-Brandenburg.
Profitieren könnte Eva Maria Scherer. Denn nach dem Hartz-IV-Urteil hat sie die große Hoffnung, dass sie bald nicht mehr jeden Cent dreimal umdrehen muss – und nicht mehr in der ständigen Angst leben muss, irgendetwas Wichtiges könnte kaputtgehen. „Die müssen das jetzt sicher alles noch einmal überdenken und überprüfen, ehe sie die Sätze erhöhen“, sagt die 45-Jährige aus Wedding. „Aber das ist doch schon mal was wert.“ Eigentlich könne es für sie nur besser werden. „Ich kann's noch gar nicht richtig fassen.“
Eva Maria Scherer ist arbeitslos, seit ihr Sohn Alexander vor sieben Jahren zur Welt kam. Die beiden leben von Hartz IV, genauer: von 445 Euro im Monat. Auch ihren Mischlingshund Rocky füttern sie damit durch. Für Extrawünsche bleibt aber kaum etwas übrig. Obwohl die gelernte Altenpflegerin schon sechs Stunden pro Woche in der Kinderküche in Moabit arbeitet und damit die Haushaltskasse immerhin um 150 Euro aufstocken kann.
Sollten die Scherers aber künftig mehr als den aktuellen Hartz-IV-Satz zur Verfügung haben, „dann könnte der Alex vielleicht endlich ein neues Fahrrad bekommen“, sagt die 45-Jährige. Oder sie selbst ein paar ungetragene Schuhe. Oder eine Matratze ohne Löcher. „Auf jeden Fall wird das nicht gleich nächste Woche sein“, sagt Eva Maria Scherer. Erst einmal wolle sie abwarten, was überhaupt herauskomme bei dem Urteil.