Die Kleine hat einen halben Meter Zunge in sich und trinkt gern Fencheltee. Benita wird im Berliner Zoo auf ihr Leben als Großer Ameisenbär vorbereitet. Sie ist die Schwester von Adolpho, wird von Hand aufgezogen, hatte jetzt ihren ersten Pressetermin und war überaus fotogen.

Die Kleine ist ein Profi: trinkt ordentlich, schläft nachts durch und klettert ihren Zieheltern flink auf den Rücken. Die Rede ist von Benita, dem zweiten Großen Ameisenbären, der im Zoo Berlin von Hand aufgezogen wird. Das bedeutet, dass Revierchef Thomas Messinger und sein Kollege Martin Damboldt den schwarz-weiß gestreiften Nachwuchs vier Mal täglich auf dem Tisch mit der Flasche füttern, Benita auf dem Rücken herumtragen, ihr Nettigkeiten in die kleinen Ohren flüstern, sie streicheln und sich hin und wieder ihren buschigen Schwanz aus dem eigenen Gesicht wischen.

Abends um halb zehn hilft der Kollege Mario Grüsser aus dem Nachtierhaus aus und setzt Benita nach der letzten Flasche auf den Okapi-Gang – zur Toilette. Grüsser wohnt nämlich auf dem Zoogelände und hat es nicht so weit zum „Erdhaus“. Dort, zwischen Okapis, Bongos und Rotduckern wächst Benita auf, hinter den Kulissen.

Sie lebt und schläft die meiste Zeit in einer Kiste, die eins zu eins der Aufzuchtbox des Eisbären Knut nachgebaut wurde. „Nur haben wir keine Ritzen gelassen“, sagt Damboldt. Denn die langen, scharfen Sichelkrallen der Ameisenbären sind zum Graben gemacht. In freier Wildbahn in Südamerika reißen die zahnlosen Raubtiere damit Termitenhügel auf und schlecken die Insekten mit ihrer mehr als einen halben Meter langen Zunge auf. Sie sollen ihre Zunge bis zu 160 Mal pro Minute herausstrecken und wieder einziehen können. Ausgewachsene Exemplare schlucken mehr als 30.000 Ameisen am Tag. So weit ist Jungtier Benita noch nicht. „Wir geben ihr Welpenaufzuchtmilch gemischt mit Fencheltee“, sagt Tierpfleger Damboldt. Später wird sie mit einem braunen Brei gefüttert. Er besteht aus Rindfleisch, Bananen, Avocado sowie Ameisensäure und Torf – zur Verdauung.

Benitas Geburt am 14. Dezember 2008 hat das Zoo-Personal überrascht. Kurator Ragnar Kühne sagt, dass nach der erstmaligen erfolgreichen Aufzucht des Großen Ameisenbären Adolpho im vergangenen Jahr niemand im Zoo mit einer raschen Wiederholung des Erfolges habe. Doch dann fanden die Pfleger am dem Morgen ein Jungtier neben der 13-jährigen Ameisenbärin Griseline. „Anfangs lief es super, die Kleine ist auf Muttis Rücken geklettert, so wie es unter Ameisenbären üblich ist“, sagt Damboldt. Doch schon am Nachmittag lag das Jungtier neben der Mutter. „Griseline hat angefangen, ihren Nachwuchs mit der Schnauze zu stupsen. Das kann gefährlich werden, weil Ameisenbären Bluter sind.“ In Absprache mit Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz haben sich die Tierpfleger dann für die betreuungsintensive Handaufzucht entschieden. Vor Adolpho waren bereits mehrere Jungtiere verstorben.

Benita wog mit 1300 Gramm deutlich mehr als ihr Bruder und unterscheidet sich auch sonst vom älteren Bruder. „Der weibliche Ameisenfresser ist bis heute wesentlich pflegeleichter als sein bereits entwöhnter Bruder“, sagt Kühne. Inzwischen wiegt das Mädchen 3,3 Kilo.

Dem Erdhaus-Team ist Benitas Anblick schon vertraut. Zoo-Besucher aber bekommen den Tragling zunächst nicht zu Gesicht, da die frostigen Temperaturen Ausflüge ins Freie verbieten.

„Große Ameisenbären sind Bewohner tropischer südamerikanischer Gefilde, die sich leicht erkälten können“, sagt Kühne. In ihrer Heimat ist die Art durch Lebensraumzerstörung und Bejagung gefährdet. Deshalb beteiligen sich mehrere europäische Zoos an einem Erhaltungszuchtprogramm (EEP), das Ilona Schappert vom Zoo Düsseldorf koordiniert. Sie hat zuletzt im Jahr 2007 in Tierparks weltweit 257 Große Ameisenbären registriert. Davon leben etwa 60 Exemplare in europäischen Einrichtungen. In Berlin sind es jetzt vier: neben den beiden Jungtieren und der Mutter noch der sieben Jahre alte Vater Ori.

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