Ideenwettbewerb

Ein Gebirge für den Flughafen Tempelhof

| Lesedauer: 4 Minuten
Dirk Nolde

Wie wäre das: Auf dem Berliner Flughafen Tempelhof wird ein künstlicher Berg gebaut, 1000 Meter hoch, mit Skigebiet, Seilbahn, Gemsen, Wasserfall. Diesen Vorschlag hat der Berliner Architekt Jakob Tigges eingereicht. Den Entwurf hat die Jury des Ideenwettbewerbs "Columbiaquartier" bereits aussortiert. Dabei ist er sehr eindrucksvoll.

Die Frage, die Jakob Tigges dieser Tage immer wieder gestellt wird, ist die, ob er das ernst meint. Oder ob das nur ein Witz ist, das mit dem Gebirge mitten in Berlin. Tigges sagt: "Beides." Der Berliner Architekt hat ein Konzept entwickelt, das auf den inzwischen geschlossenen und ungenutzten Flughafen Tempelhof einen Berg stellt. Der soll knapp 1000 Meter hoch werden, ein Massiv, das Berlins bislang höchsten Berg (Großer Müggelberg) um mehr als 800 Meter übertreffen würde. Den Berg kann man schon sehen, auf Fotomontagen, und er steht Berlin eindrucksvoll gut. Und genau deshalb wird es ihn niemals geben.

Was Tigges vorschlägt, ist als Idee von einem Berg zu verstehen: Der 35-Jährige Diplomingenieur, der an der Technischen Universität Berlin Dozent für Architektur ist, hat etwas vorgeschlagen, von dem er weiß, dass es niemals realisiert werden kann. Darum geht es auch nicht. Es gehe vielmehr darum, über den Tempelhof-Wettbewerb einen "gemeinsamen Bezugspunkt" für alle Berliner zu schaffen, eine Art-Tempelhof-Ersatz. Tigges hat sich gefragt, was denn wohl das größte Sehnsuchtbild der Berliner sei, und er kam auf den Berg. Die Idee hatte Tigges plötzlich im Kopf, als er ein Luftbild von Berlin betrachtete, "und da sah ich den Berg vor mir." In Tigges Plan hat die alpine Formation zwei Spitzen (den "Bombergipfel", 952 Meter hoch, und den "Rosinengipfel" auf 1071 Meter Höhe), eine Berghütte, ein Skigebiet, einen Seilbahn, Wanderwege, Grillplätze sowie die passende Flora und Fauna.

Politischer Druck

Das Gebirge ist natürlich nicht zuletzt eine Kritik an der Art und Weise, wie nach der Schließung mit Tempelhof umgesprungen wird. Zur Nachnutzung, findet Tigges, gab es "viele alberne Vorschläge". Und dass er auch einen "bitterbösen, kritischen Text" hätte schreiben können. Aber das, sagt Tigges, "das wäre langweilig gewesen".

Tigges ist der Ansicht, in Berlin gebe es "keinen Entwicklungsdruck" – Tempelhof müsse gar nicht auf die Schnelle bebaut werden, da habe Berlin doch eine Menge anderer Brachflächen. Was bisher geplant wurde, werde Tempelhof nicht gerecht. Der Architekt Tigges will mit seiner alpinen Idee unterstreichen, wie wichtig es ist, Tempelhof als Fixpunkt im Berlin-Bewußtsein von Bürgern und Gästen zu erhalten. In welcher Form auch immer.

Nach der Schließung ist der politische Druck aber nicht unerheblich, das weiß Tigges auch. Der Senat hat deshalb schon zwölf Vorschläge für die bauliche Entwicklung des Tempelhofer Feldes vorgestellt, bereits im Mai soll der Sieger des Ideenwettbewerbs "Columbiaquartier" gekürt werden. Das finale Dutzend umfasst auch die Idee, am Rande des Flugfelds und Columbiadamms ein Vergnügungsviertel mit dem Namen „Columbia-Strip“ entstehen zu lassen, mit Straßenstrich, Bars und Sex-Museum. Eine Jury, zu der auch Senatsbaudirektorin Regula Lüscher gehört, hatte diesen Entwurf und elf weitere aus 80 Vorschlägen ausgewählt.

Ein Berg, den es nicht gibt

Der Berg von Jakob Tigges würde immerhin nichts kosten. Weil es ihn nicht geben soll. Tigges stellt sich das so vor: Erst wird der Berg nach allen Regeln der Kunst geplant, zu einem Vorhaben gemacht, und "alle Berliner erträumen und erlügen sich diesen Berg", sagt Tigges – werden sämtlich zu Komplizen und tun so, als stünde da tatsächlich ein Bergmassiv auf dem Flughafen Tempelhof. Dann ist Zeit für die Werbung: Die Kampagne "be Berlin", findet Tigges, solle ja vor allem zeigen, dass in Berlin Dinge möglich sind, die man anderswo in Deutschland für unmöglich hält. Und diese Kampagne soll also werben für eine Sehenswürdigkeit, die es gar nicht gibt. Postkarten mit Bergmotiven soll es geben ("Grüße aus Tempelhof") und ein "Tempelhofer Bergstüberl". Und dann kommen die Touristen. Theoretisch.

Tigges wollte die schräge Idee vom "Tempelberg" intelligent machen. Aber der Berg soll eine Idee bleiben. Vor allem geht es Tigges darum, mit diesem auf den ersten, zweiten und dritten Blick absurd, aber beeindruckend wirkenden Vorschlag darauf zu verweisen, wie schnell nun der Flughafen Tempelhof zu etwas ganz anderem werden soll. Lieber sollte man warten. Ansonsten könnte man ja gleich einen Berg hinstellen, den es nicht gibt.