Die kurz nach der Eröffnung des neuen Wachsfigurenkabinetts in Berlin zerstörte Hitler-Figur ist heimlich nach London geschafft worden. Dort wird sie nach Angaben der "Bild"-Zeitung repariert. Eine Sprecherin sagte: "An der Figur wird schon wieder in unseren Studios gearbeitet." Sie solle "so schnell wie möglich" in die Ausstellung nach Berlin zurückkehren. Offiziell wollen die Verantwortlichen des Wachsfigurenkabinetts am heutigen Montag bekannt geben, ob und wann die umstrittene Figur in der Berliner Ausstellung wieder zu sehen sein wird.
Der Zeitung "BZ" zufolge erwägen die Verantwortlichen in Berlin und London, die Hitler-Figur hinter Glas zu stellen und das Kabinett umzugestalten. In der Londoner Dependance von Madame Tussauds steht ebenfalls eine Hitler-Figur, die jahrelang durch eine Glassscheibe geschützt wurde, vor allem weil Besucher sie immer wieder bespuckten. Mittlerweile steht die Figur aber ungeschützt da. Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz sprach sich bereits dagegen aus, die Figur wieder aufzustellen. Er halte es für eine „Geschmacklosigkeit“, in der Stadt, in der der Massenmord an den Juden beschlossen worden war, eine Adolf-Hitler-Nachbildung zu zeigen, sagte Schmitz der "Berliner Zeitung“.
Der Kreuzberger Frank L. hatte am Sonnabend kurz nach der Eröffnung der Ausstellung den Kopf der 200.000 Euro teuren Hitler-Figur abgerissen. „Ich bedauere, was passiert ist, und würde es nicht noch einmal machen“, sagte der 41-Jährige Morgenpost Online. L. schilderte dabei Umstände und Hintergrund seiner Tat. Dabei wurde deutlich, dass das, was derzeit als „spektakulärer Protest“ die Schlagzeilen beherrscht, letztlich aus einer in bierseliger Runde abgeschlossenen Wette resultiert. Ihren Ausgang nahm die Aktion, die Frank L. schlagartig zur Berühmtheit machte, am Freitagabend in einer Kneipe an der Schönleinstraße in Neukölln.
Dort hatte sich der Hartz-IV-Empfänger mit Freunden getroffen. Einziges Thema der geselligen Runde: die umstrittene Präsentation der Hitler-Figur in der Ausstellung und die seit Tagen anhaltende öffentliche Debatte darüber. „Wir waren uns alle einig, Hitler in einer Ausstellung mit bedeutenden Persönlichkeiten der Geschichte und das Ganze auch noch an einem Ort unweit des Jüdischen Museums, dass geht überhaupt nicht“, bemühte sich L. etwas holprig um einen Erklärungsversuch.
Hänseleien der Freunde haben ihn bestärkt
Im Laufe des Abends kam die Runde dann zu dem Schluss, man müsse etwas unternehmen. Zu später Stunde verkündete Frank L.: „Ich mache das.“ Die Hänseleien der Freunde, er traue sich ja doch nicht, hätten ihn in seiner Absicht noch bestärkt, sagte der 41-Jährige. So sei es schließlich zu einer Wette gekommen. „Dabei ging es nicht um Geld, nur um den Ruhm. Und den hatte ich ja auch, wenigstens für eine kurze Zeit“, so der Kreuzberger.
Nach dem Treffen mit seinen Freunden, einem weiteren Kneipenbesuch und einem langen Spaziergarn an der Straße Unter den Linden begab sich Frank L. dann zum Ausstellungsgebäude, fest entschlossen, die Hitler-Figur zu zerstören oder zumindest zu beschädigen.
Pünktlich um 10 Uhr öffnete am Sonnabend das Wachsfigurenkabinett seine Pforten. Frank L. war der Zweite in der Warteschlange der Besucher. Kaum im Gebäude angelangt, drängte L. zielstrebig in den Raum mit der Hitler-Figur, stieß einen Wachmann zur Seite und stürzte sich auf die Figur und riss sie um. Der Wachmann und ein dazugekommener Mitarbeiter der Ausstellung versuchten vergeblich, den Angreifer zu überwältigen, Frank L. wehrte sich verbissen. Erst als er sah, dass sich der Kopf der Figur gelöst und seine Zerstörungsabsicht damit Erfolg hatte, gab er seinen Widerstand auf. „Der Mann wurde plötzlich ganz friedlich. Er stand auf, sagte zu mir, ich solle die Polizei rufen und wartete anschließend seelenruhig auf das Eintreffen der Beamten“, berichtete Stephan Koch, einer der Mitarbeiter der Ausstellung, die sich dem Angreifer entgegen gestellt hatten.
Es wird wohl zur Anklage gegen Frank L. kommen
Nach seiner Festnahme verbrachte Frank L., der im Rahmen einer Schulungsmaßnahme derzeit als Seniorenbetreuer arbeitet, mehrere Stunden im Polizeigewahrsam. Auch wenn der Vorwurf gegen ihn „nur“ auf Sachbeschädigung lautet, wird er wohl in absehbarer Zeit in Moabit auf der Anklagebank Platz nehmen müssen. Schließlich bestehe an dem Fall ein erhebliches öffentliches Interesse, sagte ein Ermittler. Auch Regressforderungen könnten auf den 41-Jährigen zukommen. Auf bis zu 200.000 Euro wurde der an der Hitler-Figur entstandene Schaden unmittelbar nach dem Anschlag von Experten geschätzt. Ob es das alles wert gewesen sei, wurde L. nach seiner Freilassung am Sonnabend gefragt. Seine lapidare Antwort: „Nein.“
Auch wenn seine Tat ihm im Nachhinein Leid tat, war der 41-Jährige sichtlich bemüht, eine Rechtfertigung zu finden. „Es war auf jeden Fall richtig, etwas gegen die Präsentation der Hitler-Figur zu unternehmen“, bekräftigte er. Auch in dem Lokal, in dem die Idee für die Aktion geboren wurde, erntete Frank L. am Sonntag viel Zustimmung. „Über die Methode kann man streiten, aber ein Zeichen musste gesetzt werden“, kommentierte ein Gast den Vorfall. Andere Gäste hielten ihre Bewunderung für Frank L. nicht zurück. Sehr mutig sei das gewesen, L. habe nicht nur geredet sondern gehandelt, das verdiene Hochachtung, hieß es mehrfach.
Der Anschlag vom Sonnabend wurde von Lothar Bisky, Chef der Linkspartei, als „kulturlos“ verurteilt.