Senatsentscheidung

ICC bleibt endgültig – Abriss der Deutschlandhalle

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Foto: erü/lrei/jk / Zentralbild

Der Senat hat entschieden: Das Internationale Congress Centrum wird bei laufendem Betrieb saniert. Die Kosten werden auf etwa 368 Millionen Euro geschätzt. Außerdem soll eine neue Eissporthalle am Olympiastadion gebaut werden. Die Tage der Deutschlandhalle sind gezählt.

Nach jahrelangem Streit ist der Erhalt des Internationalen Congress Centrums (ICC) in Berlin gesichert. Der rot-rote Senat hat beschlossen, dass der rund 30 Jahre alte Komplex bei laufendem Betrieb mit Millionenaufwand saniert wird. Damit setzte sich Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) gegen Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) durch, der wie die Messe GmbH für einen Neubau plädiert hatte. Abgerissen werden soll aber der Deutschlandhalle. Als Ersatz dafür ist eine neue Eissporthalle nahe dem Olympiastadion geplant.

Bereits auf seiner Chinareise in diesem Monat hatte Wolf durchblicken lassen, dass das ICC erhalten bleibt. „Wir sind offen für Argumente, die auf eine Sanierung hinauslaufen, wenn sie gut begründet sind und wenn die Sanierung nicht zu teuer für Berlin wird“, hatte er damals gesagt. Nachdem die Entscheidung nun gefallen war, sagte Wolf: „Die Sanierung ist zwar nicht die kostengünstigste Variante, angesichts der städtebaulichen Bedeutung des ICC ist die Entscheidung jedoch gerechtfertigt."


Entscheidend sei für ihn, dass die Messe Berlin GmbH ein zukunftsfähiges Kongresszentrum erhalte. Nach Angaben Wolfs hätte ein Neubau einschließlich Abriss des ICC und der Deutschlandhalle sowie eines Ersatzbaus rund 223 Millionen Euro gekostet, die Sanierung unter gleichen Bedingungen koste rund 258 Millionen Euro. Damit lasse sich das Land Berlin den „Nostalgiefaktor“ des für den Westteil der Stadt symbolträchtigen Gebäudes etwa 35 Millionen Euro kosten. Die Zahlen wurden als Mittelwerte aus den Schätzungen von drei unabhängigen Gutachten gebildet.


Die Planungsarbeiten für die Sanierung, bei der die technischen Anlagen komplett erneuert und teilweise die Raumstruktur verändert werden, können sich laut Junge-Reyer bis zu zwei Jahre hinziehen. Der Beginn der etwa sechs Jahre laufenden Arbeiten wäre damit voraussichtlich 2010 oder Anfang 2011. 2009 würden für die Planung 3,5 und 2010 rund 12 Millionen Euro bereitgestellt. Die Vorbereitungen für den Abriss der Deutschlandhalle, deren Sanierung nach Darstellung Junge-Reyers zu teuer wäre und die ohnehin nur noch provisorisch für den Amateur-Eissport genutzt wird, würden umgehend eingeleitet. Er koste 4 Millionen, der Neubau 11 Millionen Euro.

Die Betriebskosten sollen um mehrere Millionen Euro sinken

Der Senat habe sich bei der Sanierung auf mehrere Prinzipien verständigt, sagte Junge-Reyer. So solle in die Bausubstanz nur soweit eingegriffen werden, dass der Betrieb weitergehen könne. Auch die technische Erneuerung werde „so behutsam wie möglich“ vorgenommen. Und der mit 5000 Plätzen größte Saal 1 bleibe als „Alleinstellungsmerkmal“ des ICC erhalten. Er kann mit dem Saal 2 verbunden werden, der über weitere 3000 Plätze verfügt, und eignet sich damit für Großkongresse.


Angestrebt werde eine Nutzfläche von 30.000 Quadratmetern, sagte Wolf. Derzeit sind es 39.500 Quadratmeter, die jedoch wegen der Raumzuschnitte teilweise ungeeignet seien. Nach der Sanierungsphase werde entschieden, ob außerhalb des Gebäudes zusätzliche kleinere Räume geschaffen werden können. Dafür würde sich eventuell das alte Parkhaus eignen.


Bei der Sanierung gehe es in erster Linie um die Funktionalität des Gebäudes, sagte Wolf. Die Senkung der Betriebskosten sei ein „erfreulicher Nebeneffekt“. Bisher müssen dafür nach Angaben des Senators 11,9 Millionen Euro jährlich aufgewendet werden, fast der komplette Landeszuschuss an die Messe GmbH. Nach der Sanierung werden die Betriebskosten auf 6,6 bis 9,7 Millionen Euro geschätzt.

Manch einer hält die Deutschlandhalle für das "Bauernopfer"

Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig bezeichnete die Entscheidung des rot-roten Senats zum ICC als „überfällig". Der Senat müsse jetzt schnell einen Zeit- und Finanzierungsplan vorlegen. Warum die denkmalgeschützte und historisch bedeutsame Deutschlandhalle gleich zum Abriss freigegeben werden solle, sei den Grünen jedoch „unverständlich". Es sollte zunächst geprüft werden, ob die Halle saniert und dauerhaft genutzt werden könne.


Die CDU begrüße es, dass der Senat nach einer „schier unendlichen Hängepartie“ zu der Einsicht gekommen sei, das mehrfach preisgekrönte ICC zu erhalten, sagte Wirtschaftsexperte Michael Dietmann. Zugleich forderte er die Einbeziehung des Parlaments in alle Entscheidungsprozesse. So müssten die Gutachten offengelegt werden.

Dagegen kritisierte die Industrie- und Handelskammer (IHK) die Entscheidung des Senats als „Schritt in die falsche Richtung“. Die Sanierung sei „die mit Abstand teuerste Lösung“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. Zudem würden während der Bauphase sowohl das Messe- als auch das Kongressgeschäft belastet.

Der Architekten- und Ingenieurverein (AIV) begrüßte zwar die Sanierung, kritisierte aber den Abriss der Deutschlandhalle. Sie sei lediglich ein „Bauernopfer“, damit die „ICC-Gegner in der rot-roten Koalition“ einer Sanierung zustimmen, sagte Vorstandschef Manfred Semmer. Er fügte hinzu: „Ein Stück Berliner Baugeschichte geht für einen politischen Kompromiss verloren.“ Eine mögliche Nachnutzung der Halle sei „von Anfang an nicht ernsthaft in Betracht gezogen“ worden.

Berlin ist einer der Top-Kongressorte der Welt

Das ICC entstand nach einem Entwurf der Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte und wurde 1979 eröffnet. Das riesige Gebäude ist 320 Meter lang, 80 Meter breit und 40 Meter hoch und zählt damit zu den größten Kongresshäusern der Welt. Es umfasst 80 Säle und Räume mit 20 bis 9100 Plätzen und ist über durch ein dreigeschossiges Brückenbauwerk ist es direkt mit dem Berliner Messegelände verbunden. Nach Angaben der International Congress & Convention Association ICCA in Amsterdam rangiert Berlin beim internationalen Tagungsgeschehen im ICC stets unter den ersten fünf Tagungsorten der Welt und behauptet mit Abstand Platz eins in Deutschland. 2007 wurden rund 16.800 Veranstaltungen ausgerichtet, darunter 15.100 Kongresse mit über sechs Millionen Teilnehmern. Die durchschnittliche Auslastungsquote lag bei 72 Prozent.

Die Deutschlandhalle wurde 1935 für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin gebaut. Mit Maßen von 117 Metern Länge und 83 Metern Breite bietet sie 10.000 Zuschauern Platz. Während der Olympischen Spiele wurde dort das Ringer- und Gewichtheberturnier ausgetragen, später Radrennen. Die Nazis nutzten sie für Massenveranstaltungen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Halle zerstört und 1957 wieder aufgebaut. Später war sie Schauplatz für Hallen-Fußballturniere, Boxkämpfe, Eisshows und Konzerte. 1977 übernahm die Messegesellschaft das Gebäude, das jedes Jahr etwa zwei Millionen Euro für die Wartung verschlingt. 1998 wurde die Deutschlandhalle nach der gescheiterten Olympia-Bewerbung Berlins geschlossen. Seit 2001 diente sie als Übergangsheimat für Profi- und Amateur-Eissport.

( dpa/ddp/sh )