Sechs Äpfel und zwölf Orangen kosten 30 Euro. Drei Äpfel und drei Birnen kosten neun Euro. Wie viel kostet ein Apfel, wie viel eine Birne? Aufgaben dieser Art können Schüler und Eltern an den Rand der Verzweiflung bringen. Ihnen kann jetzt geholfen werden.
Math 42 heißt die iPhone-App für Schüler der Klassen fünf bis zwölf (und ihre Eltern), die das Lösen solcher und vieler anderer Aufgaben Schritt für Schritt erklärt. Sie hilft bei den Hausaufgaben und bei der Vorbereitung auf Klausuren. Math 42 wird von Apple auf vorderer Stelle im Bildungsbereich promoted und hat sich bereits einmal auf die ersten Plätze aller Apps gesetzt. Aktuell wird Math 42 von Apple als eine der fünf innovativsten Lern-Apps des Jahres 2013 gelistet. Sie wurde mehr als 60.000 Mal aus dem App-Store heruntergeladen.
Zwei Mathe-Genies, die in Berlin studieren, haben die App entwickelt: Maxim Nitsche (18) und sein Bruder Raphael (17). „Der Wunsch, Mathematik zu studieren, entstand, als ich sechs oder sieben Jahre alt war“, erinnert sich Maxim Nitsche. Als er elf und sein Bruder zehn war, haben sie angefangen, mit Mathe-Nachhilfe das Taschengeld aufzubessern.
Gründer von Math 42 hat Note 1,3 im Abitur
Das Abitur bestand Maxim mit einer Note von „nur“ 1,3, was ihn heute ärgert. „Ich war eigentlich ein fauler Schüler“, räumt er ein. Inzwischen studiert Maxim Mathematik, Philosophie und Wirtschaft. Bruder Raphael ist ein ähnliches Genie: Er übersprang im Gymnasium eine Jahrgangsstufe und fing schon während der Schulzeit mit einem Mathematik-Frühstudium an.
Maxim und Raphael Nitsche stammen aus einer Mathematikerfamilie. Großvater und Großonkel waren Mathematik-Professoren. Auch Vater Thomas Nitsche und dessen Schwester studierten Mathematik. Vater Nitsche entwickelte nach seinem Studium zusammen mit Elmar Henne den ersten Schachcomputer, der 1980 in die Läden kam und wegen seiner Form schnell den Namen „Brikett“ erhielt. Nitsche hatte dazu die Mephisto-Programme geschrieben, mit denen er 1984 die Schachcomputer-Weltmeisterschaften gewann. Anschließend entwickelte er ein System für Grafikdesign am Computer und eine Suchmaschinentechnologie.
iPad ideal für Nachhilfe-App
Als die Brüder im Jahr 2010 zum ersten Mal ein iPad in den Händen hielten, war für sie schnell klar, dass das Gerät die ideale Voraussetzung für ihren Plan darstellen würde, eine Mathe-Nachhilfe-App. „Wir wollten auf dieser intuitiven Plattform eine Mathe-App entwickeln, die alles erklärt und vorrechnet“, erinnert sich Maxim.
Vater Thomas Nitsche war von der Idee zunächst nicht begeistert, erzählen die Brüder. „Er meinte, wir seien zu jung“, sagt Maxim. Doch er sollte sich irren. Denn die Jungen bewiesen ihrem Vater das Gegenteil – mit einem 90-seitigen Businessplan, in dem sie alle verfügbaren Studien über dieses Thema zusammentrugen. „Damit haben wir ihn überzeugt“, sagt Maxim. „Wir haben das Potenzial erkannt und niemanden gefunden, der etwas Ähnliches machte.“ Für 50 Millionen Schüler weltweit, haben die Gründer errechnet, könnte die App von Nutzen sein.
Mathe-Pensum für 5. bis 12. Klasse
Drei Jahre Entwicklungsarbeit folgten. „Natürlich hat uns unser Vater stark geholfen und meinen Bruder über die Zeit immer weiter in den Code der App eingeführt, bis dieser es vor einem bis anderthalb Jahren übernommen hat. Er berät uns auch weiterhin, was es uns erlaubt, vielen Fehlern aus dem Weg zu gehen.“
Die Benutzeroberfläche der App ähnelt der eines Taschenrechners. Mit ihr lässt sich das komplette Pensum des Matheunterrichts der Klassen fünf bis zwölf üben: Bruchrechnen, lineare Gleichungen, quadratische Gleichungen, Ableitungen und vieles mehr. Schüler (oder ihre Eltern bei der Hausaufgabenhilfe) geben eine Aufgabe ein und klicken auf eine der angebotenen Optionen. So lassen sich Termen vereinfachen oder faktorisieren, Brüche addieren. Gleichungen können gelöst werden. Mathematische Funktionen lassen sich auch grafisch darstellen.
Test- und Trainingsmodus geplant
Schüler können mit der App auch ihr Wissen testen. Es werden Aufgaben gestellt und Lösungen im Multiple-Choice-Verfahren angeboten. Die Reihenfolge der Rechenschritte lässt sich darstellen. Ranglisten (Scores) zeigen in der kommenden Version der App an, wo die Stärken und Schwächen eines Schülers liegen und wie schnell die Aufgaben gelöst wurden. Das Update, das einen separaten Test- und Trainings-Modus bietet, soll am 15. Januar 2014 verfügbar sein.
Ferner enthält das Programm ein komplettes Mathematik-Lehrbuch mit Definitionen und Erklärungen für alle Aufgaben. Auch das haben Maxim und Raphael Nitsche geschrieben. „Bei Wikipedia wird für Schüler nicht gut genug erklärt“, sagt Maxim.
E-Learning demokratisiert die Bildung
Math 42 kann den Nachhilfeunterricht, der je nach Lehrer zwischen 20 und 40 Euro die Stunde kostet, ersetzen oder zumindest ergänzen. Die App kostet nur 89 Cent. „So demokratisieren wir die mathematische Bildung“, sagt der Gründer.
Maxim und Raphael Nitsche haben große Pläne. „Ich habe bestimmt 30 Ideen, die richtig cool sind“, sagt Maxim. „Aber ich hatte noch keine Zeit, sie umzusetzen.“ Dabei denkt er zum Beispiel an spielerische Lösungen, mit denen er Mathematik vermitteln will. Doch zunächst konzentrieren sich die beiden Gründer auf den Ausbau von Math 42. Derzeit ist sie auf Deutsch, Englisch und Französisch verfügbar. Eine spanische Version soll folgen, damit das Start-up auf dem amerikanischen Markt weiter wachsen kann. Große Potenziale sehen die Gründer auch in Fernost. Doch eine chinesische Version scheiterte bislang an der Übersetzung. „Unser Vorteil ist aber, dass Mathematik eine universelle Sprache ist“, sagt Maxim.
Konkurrenz fürchten die Gründer nicht: „Unsere App ist nicht einfach kopierbar“, sagt Maxim Nitsche. Selbst Microsoft sei in der Vergangenheit mit dem Versuch gescheitert, eine Mathe-App zu entwickeln. Apples App-Store enthält mehr als eine Million App für iPhone und iPad. „60.000 sind Bildungs-Apps, 400 bis 500 beschäftigen sich mit Mathematik. Fünf Apps erklären Rechnen Schritt für Schritt – aber nicht im Ansatz so wie wir“, sagt Maxim. Einen Trost hat er für Schüler und ihre Eltern parat: „Mathematik ist immer schwer. Egal wie gut man ist.“