Capsule.fm ist eine besondere Weck- und Unterwegs-App für das iPhone. Sie nutzt künstliche Intelligenz und spricht zu ihrem Nutzer, sagt ihm, wie das Wetter in seiner Stadt wird, wie spät es ist und trägt die wichtigsten Nachrichten vor. Sie berichtet über wissenswerte und unterhaltsame Kleinigkeiten, spielt sphärische Hintergrundmusik, macht dezente Witze und informiert über den Ladezustand der iPhone-Batterie.
In Norwegen, dem Heimatland zweier Gründer, katapultierte sich die App an die Spitze der Charts im App-Store. In den USA stand sie hinter New York Times und Wall Street Journal auf der Bestsellerliste der Nachrichten-Apps. Das ist umso bemerkenswerter, als das Start-up in Berlin beheimatet ist – und obwohl die App 1,79 Euro (1,99 Dollar) kostet.
Die Gründer haben die App von Anfang an verkauft. Denn wenn Kunden für etwas bezahlen, nutzen sie es hinterher auch, sagen die Gründer. Auch im deutschen Apple-Store ist die App unter den Top Ten (Mai 2014) der kostenpflichtigen Nachrichten-Apps zu finden.
Personalisierte Nachrichten
Die App ist mehr als ein iPhone-Wecker: Nutzer haben die Möglichkeit, ihre Nachrichten zu personalisieren. Sie wählen zwischen unterschiedlichen Themen (News, Wissenschaft, Technologie) sowie zwischen Quellen (BBC, Reuters, CNN, New York Times, etc.) aus. Wer sich für lokale Nachrichten aus Deutschland interessiert, muss sich momentan noch mit dem Nachrichtenportal TheLocal begnügen. Vorgetragen werden Schlagzeilen – vorerst nur in Englisch (und Norwegisch).
Das Gründerteam von Capsule.fm mit Danielle Reid, Espen Systad und Tor Langballe arbeitet seit zwei Jahren an dem Projekt. Seitdem ist das Team um drei Angestellte und drei Praktikanten gewachsen. Genaue Zahlen über die Verbreitung der App wollen die Gründer nicht nennen. „Aber in der vergangenen Woche ist die Nutzerzahl um 200 Prozent gestiegen“, sagt Espen Systad.
Vision Social Media
Die aktuelle App ist nur die „Early Edition“. Die Gründer haben eine Vision, die weiter geht. Die nächste Station ist eine deutschsprachige Edition mit den virtuellen Sprecher-Akteuren Heidi und Conrad. Ein weiteres Ziel ist die Integration von E-Mails und Nachrichten aus sozialen Netzwerken, die dann ebenfalls vorgetragen werden sollen, sowie Musik aus den Playlists des Nutzers.
Bei dieser Frage sind die Gründer noch unentschlossen. Sie testen, was die ideale Zahl der Nachrichten ist und welche Auswahl ankommt. Man will die Nutzer ja nicht zutexten. Bei Twitter könne es auf eine Auswahl besonders interessanter Nachrichtenfeeds hinauslaufen, bei Facebook auf Mitteilungen, die das Netzwerk auf dem Profil eines Nutzers postet (Geburtstage von Freunden, Events, etc.)
Beliebte Computerstimme Miranda
Die App steht auf exponierten Plätzen des Apple-Stores in den USA, vermutlich auch weil die Amerikaner die Kunstfiguren Miranda und Carl mögen, von denen die Nachrichten gesprochen werden. „Miranda hat so etwas Europäisches. Das gefällt den Amerikanern. Sie mögen ihre witzige und humorvolle, ihre direkte und manchmal vorlaute Art“, sagt Danielle Reid.
Ein weiterer Grund könnte das Design im Berliner App-Stil sein: minimalistisch bei den grafischen Elementen, mit leuchtenden Neonfarben.
Kein Interesse an Wagniskapital
Das Start-up versucht zur Zeit, aus eigener finanzieller Kraft über die Runden zu kommen. Finanzierungsrunden sind zur Zeit nicht geplant. Die Gründer wollen sich das Tempo und die Richtung der Weiterentwicklung ihrer App nicht von einem Investor diktieren lassen. „Das hat uns die Freiheit gegeben, die App so weiterzuentwickeln, wie es uns gefällt“, sagt Espen Systad.
Für ihr zukünftiges Geschäftsmodell haben die Gründer den Begriff „Cheapium“ erfunden: Ein kostengünstiger Zugang für Verbraucher und Extra-Funktionalität für einen höheren Preis. White-Label-Lösungen für Medienunternehmen seien denkbar, stünden aber nicht im Fokus des unternehmerischen Interesses, sagt Espen Systad.
Berlin ist für die Gründer der ideale Standort. „Hier stimmt die Umgebung und wir finden gute Talente“, sagt Danielle Reid.