Seine Anzüge kauft Klaus Wowereit im Geschäft – noch. „Ich muss die Sachen in der Hand haben und anprobieren“, sagte er bei einem Besuch mehrerer Berliner Mode-Start-ups am Mittwoch. Dennoch erkundigte er sich interessiert nach dem neuen Präsentationsraum des Start-ups Modomoto. Ob man sich da ganz allein beraten lassen könne, wollte er wissen. Gründerin Corinna Powalla versicherte, Kunden würden in dem „Fitting Room“ genannten Ladengeschäft an der Torstraße in Mitte diskret bedient. Und der Regierende Bürgermeister nickte interessiert.
Wowereit informierte sich bei seiner Rundfahrt durch Kreuzberg über die Lage des Online-Modehandels. Er machte beim Shoppingclub brands4friends und bei Modomoto Station. „Das sind super Beispiele, wie Unternehmen entwickelt werden“, sagte er. „Es ist ein absolutes Glücksgefühl für Berlin, dass in so kurzer Zeit nachhaltige Ideen entwickelt und Arbeitsplätze geschaffen wurden.“ Besonders hob er die Mischung der entstandenen Stellen hervor – vom Packer im Versand bis hin zu Kreativjobs in den Studios.
Der digitale Modehandel ist der wohl wichtigste Stützpfeiler der Berliner Start-up-Szene. Der Nettoumsatz des Marktführers Zalando stieg im Jahr 2013 um rund 600 Millionen Euro auf 1,8 Milliarden Euro. Mit mehr als 300 Millionen Shop-Besuchen im vierten Quartal 2013 hat sich Zalando als Europas meistbesuchte Mode-Website etabliert. 150.000 Artikel von 1500 Marken hat die im Oktober 2008 gegründete Handelsplattform im Angebot.
Urgestein der Start-up-Szene
Als Zalando entstand, war der Shoppingclub brands4friends bereits gut ein Jahr alt. Das Unternehmen brands4friends mit heute mehr als fünf Millionen Mitgliedern hat seit seiner Gründung im September 2007 insgesamt 23 Millionen Artikel verkauft – 75 Prozent an Frauen und ein Viertel an Männer. In den Kreuzberger Studios des Unternehmens werden täglich 1600 Fotos von den 500 bis 700 Produkten hergestellt, die jeden Tag bei dem Unternehmen eingehen. Bei der Firma, die seit Ende 2010 zur Onlinehandelsplattform eBay gehört, sind 200 Mitarbeiter aus 15 Ländern beschäftigt. Brands4friends ist für Markenartikelhersteller ein zweiter Absatzkanal und gilt als größter Shoppingclub auf dem deutschen Markt.
Das Unternehmen setzt für die Zukunft auf mobile Online-Verkäufe: „Rund 800 000 Modebegeisterte haben unsere mobilen Apps heruntergeladen“, sagt CEO Bjorn Kvarby. „Tausende besuchen unsere mobile Webseite und lassen sich jeden Monat von rund 150 Verkaufsaktionen inspirieren. Der Anteil des mobile Umsatzes liegt aktuell bei 40 Prozent. brands4friends wird auch künftig diesen Bereich weiter ausbauen“.
Betreutes Einkaufen im Trend
Im Kielwasser von Zalando und brands4friends sind eine Vielzahl kleinerer Start-ups entstanden, deren Geschäftsfeld der Modehandel ist. Ein Trend ist das betreute Einkaufen, was im Fachjargon Curated Shopping heißt. Corinna Powalla griff Ende 2011 als erste Unternehmerin in Deutschland diesen um das Jahr 2009 in den USA entstandenen Trend auf. Ihr Ziel war es, einkaufsfaule Männer online zu beraten und ihnen passende Mode zu verkaufen. Nach dem Ausfüllen eines Fragebogens und auf Wunsch auch einem persönlichen Gespräch kombinieren Stilberaterinnen ausgewählte Kleidungsstücke und senden sie in eine Box ihren Kunden. Diese wählen aus, was ihnen gefällt und schicken den Rest zurück. „Wir haben den Nerv vieler Männer getroffen“, sagt Geschäftsführer Andreas Fischer. „Auch die Marken sind von unserem Geschäftsmodell begeistert.
Modomoto, das seit Anfang 2013 profitabel arbeitet, blieb auf diesem florierenden Markt mit 100 Milliarden Euro Jahresumsatz in Europa und einem Onlineanteil von nur zehn Prozent (Datamonitor) nicht lange allein. Im April 2012 ging das Start-up Outfittery mit einem ähnlichen Konzept an den Start und hat bis März 2014 insgesamt 100.000 Kunden im deutschsprachigen Raum gewonnen – ebensoviele wie Modomoto. Mit einer im Februar 2014 erfolgten Investition von 13 Millionen Euro auf dem Konto, dürfte Outfittery die schnelles Expansion gelingen. Modomoto hingegen wird durch Kapital aus Familienvermögen finanziert, über dessen Höhe nichts bekannt ist.
Social Shopping hat Tücken
Andere Mode-Start-ups besetzen einzelne Marktsegmente: Stylemarks gehört mit seinem Social-Shopping-Konzept für eine junge, netzaffine Zielgruppe in diese Kategorie. Das Unternehmen ging im September 2012 mit einer App für Smartphones online. Erst später kam eine Browserversion dazu. Im September 2013 orientierte sich das Start-up um und versteht sich seitdem als eine Plattform für kleine Modelabel, die bei Messen wie der Berlin Fashion Week zwar schillernde Shows hinlegen, sich auf dem Markt aber kaum etablieren können. 100 Designer bieten ihre Mode auf der Plattform an. Mit befristeten Rabattaktionen (Flash Sales) versucht Stylemarks zudem, Aufmarksamkeit zu generieren, nachdem der von sozialen Aktivitäten in Netzwerken getriebene Ansatz gescheitert war.
Der Verkauf von Second-Hand-Designermode im Luxus- und High-End-Bereich hingegen ist noch eine Domäne von Start-ups aus anderen deutschen Städten: Rebelle in Hamburg etwa, die Mitte März eine Investitionssunne über mehrere Millionen Euro abschlossen haben, oder in München Secondglam und der Newcomer Eclectic Journey oder Mädchenflohmarkt aus Stuttgart.