Start-up-Metropole

Konzernchef Steve Ballmer eröffnet „Microsoft Berlin“

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Jürgen Stüber

Ein neuer Meilenstein auf dem Weg zu Europas Start-up-Metropole: Nach Google, Apple und Facebook hat jetzt Microsoft eine Repräsentanz in Berlin eröffnet. Konzernchef Steve Ballmer kam zur Eröffnung.

Die Hauptstadt hat auf dem Weg zur europäischen Gründer-Metropole einen neuen Meilenstein erreicht. Als letztes der führenden internationalen Internetunternehmen ist jetzt auch Microsoft in Berlin präsent. Wie wichtig der Technologiekonzern den neuen Standort nimmt, sieht man daran, wer zur Eröffnung kam: Microsoft-Chef Steve Ballmer selbst startete gemeinsam mit Deutschland-Chef Christian P. Illek das neue Microsoft Center in Berlin.

„Microsoft war selbst ein Start-up“, sagte der Konzernchef des im Jahr 1975 gegründeten Unternehmens. „Die Gründer haben in einer Studentenbude mit 1000 Dollar Startkapital angefangen. Das war der beste Accelerator überhaupt.“ Ein Accellerator ist ein Beschleuniger.

In einer flammenden Rede schwor Ballmer die bei der Eröffnungsfeier anwesenden Gründer auf das Entrepreneurship ein – den neudeutschen Begriff für Unternehmertum. „Die Grundlage ist immer eine Idee“, sagte der Konzernchef und ergänzte, „eine sehr große Idee.“ Die zweite Unternehmertugend sei Beharrlichkeit. Und zum Erfolge gehöre auch eine gute Portion Leidenschaft und Enthusiasmus.

Mikroprozessoren populär gemacht

Als Beleg führte Ballmer die Erfolgsgeschichte seines mittlerweile 100.000 Mitarbeiter großen Unternehmens an und ließ die Firmenhistorie Revue passieren. „Mit der grafischen Benutzeroberfläche von Windows haben wir die Verwendung von Mikroprozessoren populär gemacht“, sagte er. Ballmer mahnte, den Unternehmergeist nicht zu vergessen. „Alle großen Technologiefirmen müssen stets den Geist eines Start-ups behalten und mit neuen Produkten diesen Transformationsprozess am Laufen halten.“ So habe Microsoft damit begonnen, sein Angebot um Hardware zu ergänzen. „Unsere technischen Geräte sind der Ausdruck unserer Software“, sagte er mit Blick auf die neuen Surface-Tablets und die neue Spielekonsole xBox.

Dabei hätte Microsoft selbst beinahe den Anschluss verloren, als der Konzern die Bedeutung des Internets unterschätzte: 1995 bis 1998 trat Netscape mit einem eigenen Internetbrowser auf den Plan. Microsoft versuchte mit seinem Internet Explorer gegenzusteuern, den es eng in sein eigenes Betriebssystem integrierte, und dadurch die Vorherrschaft im „Browserkrieg“ behielt.

Ballmer richtet Microsoft neu aus

2007 kam Apples iPhone auf den Markt, das erste Smartphone mit voller Internet-Funktionalität, das mangels Alternative schnell zu einem großen Erfolg wurde. Im gleichen Jahr kündigte Google eine Allianz zur Entwicklung des alternativen Smartphone-Betriebssystems Android an, was schnell Marktanteile erobern sollte. 2008 brachte dann Google seinen Chrome-Browser auf den auf den Markt.

Diese Gemenge-Lage untergrub die marktbeherrschende Position von Microsoft. Nach zwei Dekaden ununterbrochenen Wachstums erlebte Microsoft im zweiten Quartal 2009 einen ersten Gewinneinbruch um 29 Prozent – weil die Menschen weniger PC kauften und damit weniger Microsoft-Betriebssysteme. Microsoft entließ damals 5000 Angestellte.

Steve Ballmer, der bereits 2000 an die Spitze des Konzerns kam, richtete das Unternehmen zuletzt neu aus. Gerade jetzt arbeite Microsoft intensiv an der nächsten Generation hochwertiger und leistungsstarker Geräte und Dienste, „die das Leben, die Arbeit und die Kommunikation überall auf der Welt erleichtern und verbessern werden“, behauptete er. Und Berlin soll irgendwie dabei helfen.

Förderung im Dachgeschoss

Auf rund 3000 Quadratmetern ist in dem historischen Gebäude Unter den Linden 17 an der Ecke zur Charlottenstraße ein zentraler Ort der Vernetzung und des Dialogs mit Kunden, Geschäftspartnern, Medien, Gründern, Politik und Gesellschaft entstanden. Im Erdgeschoss lädt die Consumer-Lounge „Digital Eatery“ zum Test der Microsoft-Produkte ein.

Der angrenzende Event-Bereich hat Platz für rund 400 Gäste. In der ersten Etage finden Gespräche mit Partnern und Geschäftskunden statt, darüber entstehen Büros für Microsoft-Mitarbeiter. Das Dachgeschoss steht ganz im Zeichen der Gründerförderung. Eine ganze Etage ist hier für Start-ups reserviert.

„Wir wollten einen Ort der Begegnung und des Erlebnisses schaffen“, sagte Deutschland-Chef Christian P. Illek. Technologie anfassbar zu machen, Menschen am Fortschritt teilhaben zu lassen, sei das, was Microsoft umtreibe. Illek bezeichnete die Eröffnung von Microsoft Berlin als „Bekenntnis zum Standort Deutschland“ und würdigte Berlin als Ort der Kreativität. „Neben London ist Berlin der Hotspot für Start-ups in Europa geworden.“

Microsoft will Teil der Gründerszene werden

Teil der prosperierenden Berliner Gründerszene zu werden, ist ein Anspruch des Konzerns aus den USA. Sein Unternehmen wolle sich mit anderen Zielgruppen austauschen – allen voran den Gründern. „Wir wollen Unternehmen in ihrer Frühphase unterstützen und ganzheitlich beraten“, sagte Illek. Der Plan sei, Gündern eine Anschlussfinanzierung zu sichern, „damit das nächste Big Thing aus Deutschland kommt“.

„Alle acht Monate entsteht eine Milliarden-Dollar-Company“, ein Unternehmen mit einem Wert von einer Milliarde Dollar, ergänzte Rahul Sood, Chef des Risikokapital-Bereichs von Microsoft. Er ist für die weltweit acht Acceleratoren des Unternehmens zuständig – eine Art Brutkasten, wo junge Unternehmen an ihren Ideen arbeiten können.

Sood lobte Microsoft als erfolgversprechenden Gründerpartner. „Es ist hart, Entrepreneur zu sein. Wir wollen dabei helfen, erfolgreiche Geschäfte aufzubauen“, sagte er. Von den 120 Unternehmen der Microsoft-Acceleratoren hätten 85 Prozent eine Anschlussfinanzierung erhalten, für sieben sei ein Verkäufer gefunden worden. „Wir demokratisieren den Aufbau von Start-ups“, behauptete Sood. Nicht nur im Silicon Valleys entstünden erfolgreiche Unternehmen. „Seid kreativ und werdet bedeutsam“, rief der den Gründern zu.

Neun Teams im Microsoft-Accelerator

Neun Teams werden vier Monate lang unter der Leitung von Stephan Jaquemot von Montag an im neuen Berliner Accelerator von Microsoft arbeiten. Sie wurden aus 360 Bewerbern ausgewählt. Microsoft hat für seinen Accelerator kompetente Ratgeber und Partner gefunden: Hasso Plattner Ventures, den Hightech-Gründerfonds (HTGF), Rheingau-Founders, Seedcamp und Doughty Hanson, einer der Erstinvestor des Berliner Musikstreamingdienstes SoundCloud.

Und das sind die neuen Start-ups: Attaching.it will Unternehmen einen sicheren Datenaustausch ermöglichen. Babbo will mit einem Online-Lehrbuch das Erlernen von Sprachen erleichtern – zunächst in Englisch. Cringle ist eine Bezahlplattform, mit der sich Freunde gegenseitig Geld überweisen können. EvoMob entwickelt eine Plattform, die Onlineshops eine mobile Benutzeroberfläche zur Verfügung stellen will. Makeapoint will eine Videoplattform für Onlinediskussionen aufbauen.

Über Researchcluster sollen Wissenschaftler ihr Wissen austauschen und Laborgeräte gemeinsam nutzen. MyLorry will eine Infrastruktur für Kurierdienste aufbauen. UnlockYourBrain macht den Sperrbildschirm des Smartphones zur Lernoberfläche – zum Beispiel zum Üben von Rechenaufgaben. Sensorberg arbeitet an einer App für Nahfeldkommunikation, die ortsbasierte Werbung ermöglicht.

Nach der offiziellen Eröffnung fuhr Steve Ballmer dann mit dem Fahrstuhl direkt in den fünften Stock der neuen Repräsentanz. Hinter verschlossenen Türen sprach er mit den Gründern – länger als geplant.