Beim Start-up „Komoot“ bekommen Wanderer und Radfahrer individuelle Streckenvorschläge. Mit mehr als zwei Millionen Downloads schreibt das Unternehmen bereits nach drei Jahren schwarze Zahlen.

Die Adresse gehört zu den gefragten in Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam. Tritt Markus Hallermann, 31, auf den Balkon seines Büros im Kornspeicher, blähen sich nur ein paar Meter entfernt weiße Segel auf der Havel.

Doch Zeit, beim Blick auf die Idylle auf dem Wasser abzuschalten, bleibt ihm nicht. Auch nicht seinem Team aus 15 kreativen Köpfen. Ihre Firma „Komoot“ soll nichts anderes als die Welt erobern – von Potsdam aus.

Und Hallermann, dessen Bruder Tobias, 28, und Freund Jonas Spengler, 31, – die drei Gründer von Komoot – sind auf bestem Weg dazu. „Obwohl wir erst drei Jahre auf dem Markt sind, haben wir bereits positiven Cash Flow“, sagt Hallermann. Womit das Start-up schwarze Zahlen schreibt, ist die eigens entwickelte App eines Tourenplaners für Freizeitsport in der Natur.

Wunsch des Nutzers

Geliefert wird kein Streckenvorschlag vom Fließband: Der Wunsch des Nutzers bestimmt die Wegpunkte. „Der Mountainbiker will hügelige Pisten, der Rennradfahrer glatten Asphalt. Dem Wanderer mit schwerem Rucksack geht es vielleicht um genügend Einkehrmöglichkeiten.“ Ein herkömmlicher Routenplaner berechne nur die schnellste Strecke zwischen A und B. „Wir aber wollen die schönste finden und das nach individuellen Vorstellungen.“ Technisch kein Problem. Hallermann und Co. greifen auf vorhandene Geodaten zurück, nutzen im Internet frei verfügbare Karten oder Datensätze von Openstreetmap. „Den Rest satteln wir drauf.“

Auf der Website sind alle Funktionen kostenlos. Bezahlen muss nur, wer Sprachsteuerung und Offline-Kartenmaterial für bestimmte Regionen anfordert. Angebot von Komoot: Die erste Region gibt’s umsonst. „Die meisten wählen ihre Heimat, sind überzeugt, dass sie jede Ecke kennen – und erleben eine Überraschung“, weiß Hallermann aus Erfahrung. Von seiner Wohnung in Berlin-Mitte zum Büro nach Potsdam habe er sich auf seinem Rennrad anfangs an der Bundesstraße orientiert. „Heute fahre ich fast jeden Tag eine andere Strecke.“

Europaweiter Durchbruch in Planung

Die Strategie kommt an. „Wir haben es auf mittlerweile zwei Millionen Downloads allein in Deutschland gebracht“, sagt Hallermann. Grenzen, die Komoot mit einem neuen Update sprengen will: Die Strecken-Infos tönen mittlerweile auch in Englisch aus dem Smartphone der Nutzer. Start- und Zielpunkt können zudem europaweit gesetzt werden. „Mit dem Fahrrad nach Italien, Kroatien oder Holland, über Schotter oder durch Wald und Feld – alles kein Problem.“ Bald werde „jeder Freizeitsportler“ mit Komoot planen, träumt Hallermann vom großen Durchbruch.

Der Grund, warum der gebürtige Österreicher, der in München Physik studiert hat, als Firmenstandort die Hauptstadtregion gewählt hat? „Ausschlaggebend waren neben der kreativen Szene die Netzwerke, die man hier aufbauen kann.“ Längst ist Komoot Kooperationen mit der Technischen Universität Berlin, der Beuth-Hochschule und der Potsdamer Uni eingegangen. „Eine gute Quelle, um hoch qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen“, ergänzt Hallermann. Der neben dem Know-how, das jeder Bewerber mitbringen muss, eines will: „Unsere Leute müssen brennen, den Biss haben, jede noch so harte technische Nuss zu knacken.“ Denn die Konkurrenz schlafe nicht.

Politik hofft auf Impulse

Hallermann verlangt viel von seinem jungen Team, den Uniabsolventen oder Noch-Studierenden. Hat es immer getan. Gerade in der schwierigen Anfangsphase. „Um uns zu finanzieren, haben wir alles zusammengekratzt, was wir hatten.“ Eiserner Durchhaltewillen, den nicht jeder teilen wollte. Hallermann erinnert sich an die drei Monate, in denen das Team auf Geld verzichten musste, stattdessen jeder zur Existenzgründung noch etwas auf den Tisch legen sollte. „Einige sind wieder abgesprungen.“

Die anfängliche Skepsis in Wirtschaft und Politik ist gewichen. Nicht nur wegen der Bilanzen. Komoot räumt Preise ab. Bundesweit wie regional. Jüngst erst zückten der Berliner Wirtschaftssenat und das Brandenburger Wirtschaftsministerium das Scheckbuch: 15.000 Euro sackte Komoot als Erstplatzierter beim von beiden Verwaltungen gemeinsam ausgeschriebenen Geolapps-Wettbewerb ein. Die Politik hofft auf Impulse, die von jungen Unternehmen im Bereich der Geoinformation und deren mobilen Anwendungen ausgehen. „Die Informations- und Kommunikationstechnologien sollen gestärkt werden“, betont Wirtschaftsminister Ralf Christoffers.

Zweiter Platz für Audioguide

Zumindest in Potsdam dürfte der Plan aufgehen: Auch die Zweitplatzierten im Wettbewerb, „Yopegu“, sitzen hier. Erst vor einem Jahr gegründet, will sich das vierköpfige Team um André Bressel, 26, als Plattform für ortsbasierte Audioguides etablieren. „Infos über Museen, Kirchen und andere Sehenswürdigkeiten wollen wir dem Nutzer dann an die Hand geben, wenn er vor Ort ist.“ Das Prinzip ist simpel, aber überzeugend: Die Stadt mit dem Ohr entdecken. Dabei sei der Anstoß aus der Welt der Gehörlosen gekommen, erzählt Bressel. IT-Fachmann Kevin Lücke, einer der Macher von Yopegu, habe sich mit der Umsetzung von Audio- und Videoinhalten in Gebärdensprache beschäftigt. „Letztlich haben wir die Idee einfach weitergedacht.“ 9000 Euro Preisgeld haben die Existenzgründer mit der Silbermedaille einstecken können. „Geld nützt in jedem Fall“, sagt Bressel. „Auch die Bestätigung einer Fachjury.“

An der Vision, sich global aufzustellen, wird eifrig gearbeitet. Auch hier mit konkreten Ergebnissen: Im Programm der offerierten Audioguides finden sich neben Berlin, Potsdam, Leipzig und Dresden auch London und Paris.