Berliner Start-ups bieten Kindern die Möglichkeit, ihre Kreativität entfalten, forschen und lernen können. Beliebt sind Spielekisten zu unterschiedlichen Themen, die Eltern im Abo kaufen können. Ein anderes Start-up hat eine iPad-App entwickelt, mit dem es zu einer Suchmaschine, einem Google für Spiele, werden will.
Wenn Eltern mit ihren Latein am Ende sind und nicht mehr wissen, was sie mit ihren Kindern spielen sollen, hilft die iPad-App Toywheel, die ein Berliner Start-up um Evgeni Kouris und Jana Baum entwickelt hat. Wenn sie ihr Projekt beschreiben, halten sie es mit Goethe: „Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ Die App soll dabei helfen: als Inspiration für Spiele. Sie befindet sich noch im Aufbau, ist aber schon per Online-Einladung verfügbar.
Toywheel sieht auf den ersten Blick aus wie Fotoplattform Pinterest. Nach der Anmeldung erscheinen Kacheln mit Fotos oder Grafiken, die Spiele zeigen. Es können Anleitungen sein, Produkte, Apps oder E-Books. Jeder Eintrag ist einer Kategorie zugeordnet, je nach dem, welche Fähigkeiten das Spiel fördert: entdecken, sich bewegen, etwas ausdrücken, denken oder fühlen.
Stanford-Wissenschaftler helfen Berliner Start-up
Mit einem Klick öffnet sich eine Anleitung oder Beschreibung. „60 bis 70 Prozent unserer Inhalte sind kostenfrei“, sagt Kouris. Auch bei kostenpflichtigen Angeboten erhält der Nutzer einen Eindruck und kann das Angebot vor dem Kauf testen. Nichts kommt ungeprüft auf die Plattform. Dabei arbeitet Toywheel mit Erziehungswissenschaftlern der Universitäten Kassel und Stanford (USA) zusammen.
Die Angebote wollen vor allem die Kreativität von Kindern fördern: Vieles fällt in den Bereich Do-it-Yourself. So bietet die Plattform Angebote aus den Ideenschmieden anderer Berliner Unternehmen: von den Spieleboxen Tollabox und Wummelkiste, Online-Spiele von Goodbeans (Panfu), naturwissenschaftliche Experimente bietet die Exploribox. Aus Amerika stammen Kreativ- und Sprachlernspiele wie Play Word Caravan.
Angst der Eltern vor digitalen Angeboten abbauen
Evgeni Kouris und Jana Baum wollen Kinder nicht an den Computer oder das Tablet fesseln. „Wir sehen die Technik als Tool und wollen eine gesunde Balance zwischen digitalen und physischen Spielen anbieten“, sagt Jana Baum. Alles andere würden Eltern nicht mitmachen: Einer Studie zufolge haben drei Viertel aller Eltern Angst vor digitalen Spielen.
Als Partner konnte das Start-up den Kölner Verlag Labbé gewinnen, der seit 55 Jahren auf dem Spielemarkt unterwegs ist. „Für uns war es ein Glücksfall, Labbé als Investor und Co-Founder zu gewinnen“, sagt Kouris, der mit vielen Wagniskapitalunternehmen (VC) verhandelt und deren Angebote ausgeschlagen hat. „Wir wollen ein nachhaltiges Geschäft aufbauen“, sagt er. Das passe nicht zur kurzfristigen Exit-Strategie der VC-Branche.
Toywheel hat ein Büro im Kreuzberger Betahaus. Zehn Leute arbeiten bei dem im September 2012 gegründeten Projekt. Im Herbst soll die Plattform frei verfügbar sein.
Entdeckerspiele aus der Tollabox
Tollabox bietet Spielekisten für drei- bis achtjährige Kinder im Monatsabo (ab 20,90 Euro/Monat) an, die jeweils drei Entdeckerspiele mit Alltagsmaterialien und illustrierten Anleitungen enthalten. Sie stehen jeden Monat unter einem anderen Motto. Jedesmal dabei sind auch pädagogische Tipps für Eltern und eine neue Geschichte über die Tollas, die vier außerirdischen Figuren der Plattform, als Buch und als Hör-CD.
So fanden sich in einer der letzten Kisten Gardinenringe und mehrere farbige Folien. Daraus konnten Kinder Brillen basteln und damit die Welt in unterschiedlichen Farben sehen. In einem anderen Fall gab es Erbsen und Zahnstocher. Aus den eingeweichten Hülsenfrüchten und den Holzstäbchen galt es Türme zu bauen.
Experimente mit pädagogischem Anspruch
Tollaboxen enthalten keine Zufallsprodukte. Die Spiele sind Teil eines von Pädagogen und Designern entwickelten Curriculums. „Wir wollen mit jeder Box spielerisch wichtige Fähigkeiten aufbauen wie zum Beispiel Einfühlungsvermögen oder dreidimensionales Denken“, sagt die Gründerin Béa Beste.
Eine Bildungsreform müsse in den Köpfen der Eltern beginnen, findet sie. „Bildung und Lernen sollten allen Spaß machen“, sagt sie und wandelt das Zitat von Walt Disney ab, wonach er nicht Filme für Kinder, sondern für das Kind in jedem mache: „Wir machen Spiele für das Kind in jedem“.
Frisches Kapital zum Ausbau der Plattform
Weit über 10.000 Spielzeugboxen hat das seit Oktober 2012 aktive Start-up bislang verschickt. „Damit haben wir unseren Plan übertroffen“, sagt Béa Beste. Mit dem frischen Kapital (600.000 Euro) aus einer Crowdinvestment-Kampagne wird die Reichweite der Plattform vergrößert.
Béa Beste grenzt ihr Start-up von anderen Anbietern ab: „Die typischen Aboboxen sind Pröbchenbringer oder Bastelboxen zum Zeitvertrieb“, sagt sie. „Das reicht uns nicht. Wir entwickeln alles selbst nach einem pädagogischen Plan.“
Wummelkiste im neuen Kreuzberger Büro
Nicht ganz so bekannt wie die Tollabox (32.000 Facebook-Likes) ist das Start-up Wummelkiste (25.000 Likes) aus dem Hause des Start-up-Brutkastens Team Europe. Auch hier werden Themenboxen mit Spielen für Kinder angeboten (drei bis sieben Jahre): zum Beispiel über Geschicklichkeit, Zirkus sowie Farbe und Licht.
Ein 320-Quadratmeter-Loft in einem Kreuzberger Gewerbehof: Auf langen Tischen stapeln sich vorgestanzte Kartonagen, Packungen mit Klebestiften, Knete- und Malstiftsortimenten, Tütchen mit Holzkugeln, Bindfadenrollen, Faltblätter mit Anleitungen. Das ist die Packstraße der Wummelkiste, der analoge Teil des Internet-Start-up.
Kinder testen, was Erwachsene sich ausdenken
Im gegenüber liegenden Teil des Loft entstehen die Ideen. Designer, Pädagogen, Software-Entwickler und Marketingleute entscheidet, was in die Kisten kommt. Drei Spiele zu einem Thema werden jeden Monat gebraucht. Bevor ein Spiel in die Produktion geht, wird es von Kindern getestet. Die Macher wollen wissen, was am besten ankommt. Und da gibt es manchmal Überraschungen. Denn Kinder finden noch lange nicht toll, was kreative Erwachsene sich ausgedacht haben.
Die Nachhaltigkeit ist wichtig. Das Basteln eines Spieles aus den Zutaten im Paket dauert 15 bis 45 Minuten. „Unser Ziel ist aber, dass die Kinder weiter damit spielen, bis das nächste Paket kommt“, sagt Gründerin Philippa Pauen.
Bloggermütter geben das nötige Feedback
Die ausgewählten Spiele sind interaktiv. Faltblätter enthalten Bauanleitungen. „Oft haben die Mütter die Kisten bestellen und die Väter basteln dann mit den Kleinen“, sagt Pauen. Ihr Anspruch ist Edutainment. Spaß und Lernen sollen im Mittelpunkt stehen.
Wie die Spiele bei Kindern ankommen, erfahren die Macher schnell: Viele Eltern schreiben ihre Erfahrungen auf Facebook. Eine zuverlässige Quelle sind auch die Bloggermütter, die bereits mehr als 1200 Einträge verfasst haben. Die Wummelkisten kosten im Abonnement 19,95 Euro pro Monat (199,95 Euro pro Jahr). Einzelne Kisten sind für 24,95 Euro erhältlich.
Die Plattform wurde im März 2012 freigeschaltet, die erste Spielebox im April 2012 verschickt. Das Unternehmen hat 12 Angestellte. Nutzerzahlen nennt Pauen nicht, verweist aber auf eine Million Dollar (750.000 Euro) Startkapital, das sie von Team Europe (Brands4friends, Delivery Hero, Madvertise) erhalten hat.