Kreativwirtschaft

Was Finanzsenator Nußbaum beim Online-Daddeln lernt

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Jens Anker

Foto: Massimo Rodari

Berlin gilt als Europas Gründerhauptstadt in der IT-Branche. Das wollten sich Finanzsenator Ulrich Nußbaum, IHK-Chef Eric Schweitzer und SPD-Fraktionschef Raed Saleh einmal genauer ansehen.

Als der Gründer und Chef des Onlinespieleportals „Gameduell“, Kai Bolik, das Geschäftsmodell der Internetfirma erklärt, knufft Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) an und sagt: „Das ist nichts für Dich, ein Finanzsenator hat keine Freunde.“

Zuvor hatte Bolik die Idee auf den Punkt gebracht. „Wir wollen, dass die Leute spielen und zusammen Freude dabei haben“, sagte der 45-Jährige in der Firmenzentrale an der Taubenstraße in Berlin-Mitte.

Saleh, Nußbaum und IHK-Chef Eric Schweitzer haben an diesem Donnerstagvormittag Unternehmen der Kreativwirtschaft besucht, um sich einen Überblick über die aufstrebende Branche in der Stadt zu machen. Mehr als 4200 Unternehmen der Kreativwirtschaft gibt es in Berlin, die einen Umsatz in Höhe von 3,4 Milliarden Euro erwirtschaften. Die Tendenz ist stark steigend.

Auch Gameduell wächst. Das vor zehn Jahren gegründete Unternehmen beschäftigt derzeit 200 Mitarbeiter, davon rund zwei Dutzend im Silicon Valley in Kalifornien, 120 neue Mitarbeiter sollen in diesem Jahr dazu kommen. Die Firma bietet rund 70 Online-Spiele auf ihrer Plattform an, kostenlos. Gegen eine Teilnahmegebühr können auch Turniere gegeneinander gespielt werden.

Fünf Millionen Spiele werden auf Gameduell täglich gespielt, 500 Millionen Zugriffe verzeichnet die Homepage monatlich. Der einfachste Weg Geld zu verdienen besteht laut Firmengründer Bolik darin, im kostenfreien Teil Werbung zu schalten, der gebührenpflichtige Teil ist dagegen werbefrei. Allerdings können die Spieler sich dort kleine Vorteile für die Daddelspiele kaufen, bessere Bubble-Kanonen oder schnellere Fortbewegungsmittel.

Vorzeigefirma der IT-Branche

Die Onlinespiele sind auf allen Kanälen verfügbar – Computer, Tabloid oder Smartphone. Ständig werden die Spiele aktualisiert, das Nutzerverhalten studiert und nach technischen Fortschritten gefahndet. Saleh, Nußbaum und Schweitzer zeigten sich beeindruckt durch das flexible Arbeitsmodell der Firma. Täglich treffen sich Teams, um mit der sogenannten Scrum-Methode den Fort- oder Rückschritt eines neuen Projektes zu überprüfen. Scrum wird von vielen Unternehmen der Kreativwirtschaft genutzt, weil die Überzeugung herangereift ist, dass Neuentwicklungen häufig zu komplex sind, als dass sie durchgängig geplant werden können. Stattdessen arbeiten alle Teammitglieder permanent am Fortgang einer neuer Spielidee und ihrer Umsetzung.

Gameduell ist eines der Vorzeigeunternehmen der Kreativwirtschaft in der Stadt. „Durch den persönlichen Austausch mit den Unternehmen wissen wir aus erster Hand, wie man ein Startup erfolgreich in den Mittelstand führt“, sagte IHK-Chef Eric Schweitzer. „Diese Erfahrungen können wir an andere Jungunternehmer weitergeben, damit sie langfristig erfolgreich sein können.“ Der Ratschlag des Firmengründers Bolik ist einfach: Auf allen Gebieten stets auf dem Stand der Technik zu sein. Derzeit programmiert Gameduell die ersten Spiel auf der Programmiersprache HTML5, weil sie sich als kommende Standardsprache abzeichnet.

Noch nicht ganz so erfolgreich und viel weniger bunt ist das Berliner Unternehmen Zimory. Firmengründer Maximilian Ahrens stellt die Technik für das sogenannte Cloudcomputing vor: die Vernetzung von Inhalten auf verschiedenen Geräten auf einer Plattform. Die Anschubfinanzierung für das technisch aufwendige Geschäftsmodell leisteten unter anderem die Investitionsbank Berlin (IBB) und T-Venture, ein Tochterunternehmen der Telekom. Zu den Kunden zählen die Deutsche Telekom, die Technische Universität und die österreichische Bundesregierung. Das Unternehmen beschäftigt derzeit 60 Mitarbeiter – vorwiegend IT-Ingenieure –, 60 weitere sollen dazu kommen.

Doch das ist nicht so leicht. Die Firma sucht Spezialisten auf der ganzen Welt, im Berliner Büro am Alexanderplatz arbeiten Ingenieure aus 14 Nationen. „Die bürokratischen Hürden sind hoch“, sagt Firmenchef Rüdiger Baumann. Arbeitserlaubnisse zu besorgen und Kitaplätze zu organisieren, raube Zeit und Kraft. Zudem sei es ein schlechtes Signal, dass der Europaschule, die einige Kinder von Mitarbeitern besuchen, Flächen gestrichen werden. Saleh und Nußbaum verweisen auf den geplanten Ausbau der Kitaplätze in Berlin, dem Fall der Europaschule will Saleh nachgehen, verspricht er.

Um Spitzenkräfte zu bekommen, unternimmt das Unternehmen einige Anstrengungen. Zimory hat ein Büro in Erfurt eröffnet, für diejenigen IT-Spezialisten, die nicht in einer Großstadt wie Berlin leben wollen.

Boomende Wirtschaftscluster

Der Markt ist heiß umkämpft. Einstiegsgehälter liegen bei 40.000 Euro, Fachleute verdienen mehr als doppelte – und sind schnell auch wieder von Headhuntern in größere Unternehmen vermittelt. Finanzsenator Nußbaum nickt. Das kenne er aus seinem eigenen Unternehmen – mit dem Unterschied, dass Berlin für die meisten jungen Menschen attraktiv ist, im Gegenteil zu Bremerhaven, dem Sitz seiner Fischfirma. Trotz der verschiedenen Großkunden schreibt das Zimory auch sechs Jahre nach seiner Gründung keine schwarzen Zahlen. „Wir stecken alles Geld in das Wachstum“, sagt Baumann. Gewinne sind erst ab 2015 geplant.

Der Anteil an Firmengründungen in der Kreativ- und IT-Branche nimmt in Berlin seit einigen Jahren stark zu. Einer IHK-Studie zufolge sind Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) eine wichtige Grundlage für neue, digitale Geschäftsmodelle. Die wachsende Berliner Internetszene ist ein Beleg dafür. Die Zahl der Unternehmen und ihr Anteil an Wachstum und Beschäftigung steigen mit hohen Raten. Zudem ist die wissensintensive Branche ist mit ihren hoch qualifizierten Fachkräften sehr aktiv in Forschung und Entwicklung.

Die 4300 Berliner IKT-Unternehmen beschäftigen mehr als 45.000 Arbeitskräfte. Mittlerweile hat jeder 25. Beschäftigte seinen Arbeitsplatz in der IKT-Wirtschaft. Zwischen 2008 und 2011 ist die Zahl der Beschäftigten um 20 Prozent gestiegen. Gleiches gilt für die Zahl der Firmen und die Höhe der Umsätze, die innerhalb eines Jahres um acht Prozent bzw. 3,5 Prozent gestiegen sind. Es wird erwartet, dass sich dieser positive Trend fortsetzt. 60 Prozent der 200 befragten IKT-Unternehmen gaben an, dass sie auch zukünftig weitere Einstellungen planen.

„Kreative und wirtschaftlich erfolgreiche junge Unternehmen sind ein großer Gewinn für Berlin“, sagt Finanzsenator Nußbaum zum Schluss des Tages bei den Kreativen. Deswegen sei es wichtig, in Berlin einen gründerfreundlichen Nährboden für junge kreative Köpfe zu schaffen, ergänzt Schweitzer.