Benedikt XVI. kommt erstmals nach Berlin, doch die wenigsten Berliner werden ihn aus nächster Nähe zu sehen bekommen. Wie überall an seinen Reisezielen gilt für den Papst die höchste Sicherheitsstufe – die Schutzvorkehrungen sind vergleichbar mit denen bei Besuchen des US-Präsidenten Barack Obama, des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu oder der englischen Queen. Allein in Berlin werden mehr als 6000 Polizisten im Einsatz sein. Aus Rom reisen zudem vier vatikanische Gendarmen und zwei Schweizer Gardisten zur unmittelbaren Bewachung des Papstes mit.
Die Polizei hat jedoch nicht nur die einzelnen Besuchstationen des Papstes und seine Wege durch die Stadt zu sichern. Auch zahlreiche Papstkritiker machen mobil. Bis zu sechs Protestveranstaltungen sind in der Stadt angekündigt, darunter eine Großdemonstration vom Potsdamer Platz zum Bebelplatz. Die Veranstalter der Demonstration unter dem Motto „Keine Macht den Dogmen“ erwarten nach Polizeiangaben 20.000 Teilnehmer. Vor allem Autofahrer müssen sich auf erhebliche Behinderungen einstellen.
Schon der Mittwoch war für die Berliner Sicherheitsbehörden ein Tag im Ausnahmezustand. Sämtliche Vorkehrungen zum persönlichen Schutz des Papstes wurden nochmals überprüft. Besonders im Fokus der Verantwortlichen steht dabei das Gebiet rings um das Olympiastadion, der Bereich des Regierungsviertels sowie in Neukölln die Apostolische Nuntiatur, wo der Papst die Nacht zum Freitag verbringen wird. Er wird an diesem Donnerstag voraussichtlich um 10.30 Uhr am Flughafen Tegel einfliegen.
Bereits seit der Nacht zu Mittwoch patrouillierten zahlreiche Beamte durch den Tiergarten. Entlang der Straße des 17. Juni und am Olympiastadion stehen Absperrgitter. Spezialisten suchten das Umfeld der Besuchsorte akribisch nach „unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen“ ab. Danach verschweißten sie Gullideckel und versiegelten Briefkästen.
Polizisten haben auch Brücken und Objekte entlang der Straßen auf verdächtige Gegenstände und Sprengstoff untersucht. Selbst in Gewässern nahe der Routen forschten Taucher nach versteckten Bomben, beispielweise könnten Haftladungen unterhalb der Wasserlinie an Booten angebracht sein.
Welche Wege der Staatsgast genau durch Berlin nimmt, bleibt, wie in solchen Fällen üblich, geheim. Für jede Fahrt des Papstes von einer Besuchsstation zur anderen gibt es Ausweichvarianten. Die Fahrtroute für das „Papamobil“ – das speziell gesicherte Fahrzeug für den Papst – könne in letzter Sekunde geändert werden, heißt es. Entlang der Strecken wird die Polizei sicherheitshalber Scharfschützen auf Dächern und anderen geeigneten Stellen postieren. Die Polizei forderte die betroffenen Anwohner bereits mit Schreiben auf, ihre in Richtung der Straße liegenden Fenster geschlossen zu halten.
Ein Beispiel für die umfangreichen Schutzvorkehrungen ist das Berliner Olympiastadion, wo der Papst am Donnerstagabend vor mehr als 70.000 Gläubigen eine Messe abhalten wird. Um dem erwarteten Andrang einigermaßen Herr zu werden, werden auf dem mit Platten abgedeckten Rasen 10.000 Stühle aufgestellt. Die Polizei hat die gesamte Arena aufs Genaueste untersucht, in jedem noch so kleinen Nebenraum der Stadionkatakomben schnüffelten Spürhunde nach verdächtigen Gegenständen – danach wurden die Räume versiegelt.
Mit Ausweis in die eigene Wohnung
Sicherheitspersonal hat jede Person, die an den Aufbauarbeiten beteiligt ist, untersucht und zum jeweiligen Einsatzort begleitet. Ohne Einlasskarten wird es für Besucher der Messe nur wenige Möglichkeiten geben, den Papst etwa im Papamobil aus der Nähe zu sehen.
Angesichts der umfangreichen und rigiden Sicherheitsvorkehrungen an den Besuchsstationen des Papstes sowie an seinen Fahrrouten durch die Stadt müssen sich Autofahrer und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel den ganzen Tag über auf erheblichen Verkehrseinschränkungen einrichten.
Bereits seit Wochenbeginn ist das Gebiet rund um die Apostolische Nuntiatur an der Lilienthalstraße in Neukölln weiträumig abgeriegelt. In der Vatikan-Vertretung wird der Papst übernachten. Viele Straßen nahe des U-Bahnhofs Südstern sind für den Autoverkehr komplett gesperrt. Selbst Fahrräder müssen außerhalb abgestellt werden. Hinein kommen nur diejenigen, die mit ihrem Personalausweis oder einem Firmenausweis belegen können, dass sie innerhalb der Sperrzone wohnen oder arbeiten. Freitagmittag soll wieder freie Fahrt gelten.
Großräumige Absperrungen gibt es den gesamten Tag über auch im Parlaments- und Regierungsviertel sowie um das Haus der Deutschen Bischofskonferenz an der Hannoversche Straße 5 in Mitte, in dem der Papst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) treffen wird. Betroffen sind auch Teile der Chausseestraße, der Hessischen Straße und der Philippstraße. Dort gilt ein strenges Halteverbot. Die Einschränkungen gelten auch für Fahrzeughalter, die für ihr Auto eine Anwohnervignette haben.
Im Regierungsviertel sind vor allem die Straße des 17. Juni, aber auch die Willy-Brandt-Straße, Otto-von-Bismarck-Allee, Scheidemannstraße, Heinrich-von-Gagern-Straße und die Yitzhak-Rabin-Straße komplett für den Autoverkehr gesperrt.
Rund um das Olympiastadion wird es wegen der Papstmesse nachmittags und abends umfangreiche Sperrungen geben. Empfohlen wird die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die S-Bahn setzt für die Anfahrt bereits von 12 Uhr an zusätzliche Züge ein. Auch die BVG will zusätzliche Busse und speziell auf den U-Bahn-Linien U6, U9 und U12 Sonderzüge einsetzen. Wegen der Absperrungen ändern sich am Donnerstag die Strecken für mehrere Buslinien, darunter der Flughafen-Zubringer TXL und die Innenstadt-Linie 100.
Zusätzlich behindern die zahlreichen Veranstaltungen im Umfeld des Papstbesuchs den Verkehr. Allein die Veranstalter der Demonstration „Keine Macht den Dogmen“ erwarten bis zu 20.000 Teilnehmer. Den Auftakt der Proteste bildet um 16 Uhr eine Kundgebung auf dem Potsdamer Platz.
Der folgende Umzug führt über die Ebert-, Hannah-Arendt-, Französische und Glinkastraße sowie Unter den Linden bis zum Bebelplatz. Die Abschlusskundgebung soll dort um 19 Uhr beginnen und bis 21 Uhr dauern.
Zudem gibt es weitere, deutlich kleinere vatikankritische Veranstaltungen. Bereits am Flughafen Tegel ist von 9.30 Uhr an eine Kundgebung gegen Antisemitismus und Sexismus mit bis zu 100 Teilnehmern geplant. Auf dem Pariser Platz demonstriert das Netzwerk B von 15.30 bis 17.30 Uhr gegen sexuellen Missbrauch und Misshandlung von Kindern und Jugendlichen durch Angehörige kirchlicher Institutionen. In der Nähe des Bebelplatzes Unter den Linden ist ab 17 Uhr eine Kundgebung unter dem Motto „Missstände in der Kirche“ vorgesehen.
Eine Kundgebung ist dem Vatikan wohlgesinnt: Für den Papst singen wollen am Donnerstagabend vor der Vatikan-Vertretung in Neukölln Anhänger des esoterischen Vereins „Praxis für altes Wissen“.
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