Matthias Matussek: „Ein historischer Glücksfall“
„Der Papst kommt heute in seine missmutige deutsche Heimat, die zunehmend protestantischer wird auch innerhalb der katholischen Kirche. Dort möchte man die Geschicke der Weltkirche am liebsten per Urabstimmung ändern. Das allerdings geht nicht, denn unser Papst ist 1,2 Milliarden Katholiken gegenüber verantwortlich, und auf den Philippinen und in Brasilien sieht man die Dinge mit Zölibat und Frauenpriestertum dann doch anders als in der Diözese Aachen oder in der Basisgruppe ,Kirche von unten'.
Ich halte diesen Papst für einen historischen Glücksfall. Er ist bescheiden und herzlich, er ist klug und entschlossen. Er ist ein Buchmensch – und darin durchaus protestantisch – und gleichzeitig von einer ergreifenden tiefen Volksfrömmigkeit – und darin sehr katholisch. Er ist das verkörperte katholische Gedächtnis. Er versucht, die größten Entgleisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils behutsam wieder zu korrigieren. Etwa, indem er den alten Messritus wiederbelebt und zeigt: Seht her, auch das gibt es, diese Andacht, diese Heiligkeit. Besonders junge Erwachsene zieht es in diese Messen. Für sie ist es eine spannende Neuentdeckung. Ich wünsche uns in Berlin die Klugheit zuzuhören.“
Susanne Leinemann: „In der Messe wird der Glaube gelebt“
„Mein erster Papst. Noch nie habe ich das katholische Oberhaupt so nah gesehen – dank meiner katholischen Familie, meinem Mann und den Kindern gehe ich heute zur Papstmesse ins Berliner Olympiastadion.
Ich bin Protestantin. Rosenkranz, Weihrauch, Nonnen und Mönche sind mir eigentlich fremd. Andererseits bin ich im Rheinland aufgewachsen. Als Kind haben mich die bildstarken katholischen Kirchen fasziniert, der leidende Jesus am Kreuz. Bei uns hing nur das abstrakte Kreuzzeichen. In einer katholischen Messe wird der Glaube gelebt, bei uns Protestanten eher zergrübelt. Ich weiß, mit der Ökumene rumpelt es im Moment etwas, aber das gilt nicht für unsere katholische Gemeinde in Wilmersdorf. Dort bin ich auch als Protestantin gut aufgehoben. Ich lebe im Alltag die Ökumene ganz gelassen.
Welche Bilder wird Papst Benedikt XVI. bei mir hinterlassen? Das Olympiastadion – einmal habe ich dort vor einem ausverkauften Hertha-Spiel eine Schweigeminute erlebt. Zehntausende schweigende, gedenkende Menschen, das ist unglaublich kraftvoll. Ich bin mir sicher: Das gilt auch für Zehntausende Menschen, die dort gemeinsam beten.“
Pater Claus Mertes: „Das Lagerdenken überwinden“
„Der Papstbesuch ist eine Chance für versöhnende Worte und Gesten. Da gibt es das Thema Ökumene: Ich wünsche mir, dass die großen Gemeinsamkeiten zwischen allen Getauften deutlich in den Vordergrund gestellt werden.
Gerade im Land der Reformation, wo Christen gemeinsam im Widerstand gegen den Nationalsozialismus das Martyrium erlitten haben, ist da etwas zusammengewachsen, was nicht wieder auseinandergerissen werden darf durch Rechthaberei oder Selbstgenügsamkeit. Da gibt es das Thema Missbrauch von Kindern: Ich wünsche mir, dass die Kirche die Opferperspektive auf sich selbst noch tiefer akzeptiert und sich darin der Frage stellt, was wir bei uns ändern müssen, um besser zuhören zu können, wenn Opfer von Machtmissbrauch in der Kirche sprechen.
Und schließlich wünsche ich mir, dass Papst Benedikt XVI. der katholischen Kirche in Deutschland hilft, das Lagerdenken zu überwinden. Dass der Papst alle Menschen zum Dialog ermutigt und deshalb auch Verfahren fördert, die es möglich machen, innerkirchliche Konflikte ohne erfolgreich in Hinterzimmern agierende Denunzianten und Netzwerke zu klären.“
Markus Dröge: „Die Reformation ist zu würdigen“
„Papst BenediktXVI. ist eine eindrucksvolle und glaubwürdige Persönlichkeit. Persönlich bescheiden und intellektuell redlich. Das gilt es zu betonen, auch wenn sein Besuch polarisiert. Der Papst wird vor dem Bundestag reden. Das ist aus meiner Sicht ein gutes Zeichen. Es macht deutlich, dass der christliche Glaube eine große öffentliche Bedeutung für unser Land hat. Wir Evangelischen sehen es kritisch, dass der Papst als Staatsoberhaupt auftritt. Als Religionsvertreter aber hat seine Stimme Gewicht.
Im Anschluss an seinen Berlin-Besuch wird BenediktXVI. in Erfurt mit Vertretern der evangelischen Kirche zusammentreffen. Das ist eine einmalige Gelegenheit für ihn, die Errungenschaften der Reformation zu würdigen. Wir sehen seinem Besuch gespannt, aber auch gelassen entgegen. Wir vertreten unsere eigene profilierte Position. Unterschiedliche Profile lassen sich nicht einfach harmonisieren. Aber in Berlin pflegen wir eine gute ökumenische Zusammenarbeit mit dem Erzbistum. Und im Kern unserer Glaubensüberzeugung sind wir eins. Wir wollen Zeugen sein für den gnädigen und menschenfreundlichen Gott, der uns in Jesus Christus seine Liebe gezeigt hat.“
Izidor Pecovnik: „Er wird uns alle überraschen“
„Ich freue mich sehr auf den Papstbesuch und bin mir sicher, dass BenediktXVI. alle überraschen wird. Er wird die Gläubigen in ihrem Glauben bestärken. Denn der Glaube, das ist das Wichtigste für uns Katholiken. Ich selbst werde bei der Papstmesse im Priesterblock sitzen. So wie schon 1996, als Papst Johannes PaulII. in Berlin war.
Es wurde ja viel Kritik im Vorfeld geäußert. Ich glaube, dass solche Kritik nur hilfreich ist, solange sie konstruktiv transportiert wird. Dann kann sie sogar sehr hilfreich sein und zeigen, worüber wir in der Kirche diskutieren sollten. Ich bin mir sicher, dass BenediktXVI. eine deutliche Botschaft an seine Kritiker senden wird. Er ist schließlich einer der intelligentesten Päpste, die wir jemals hatten, und schätzt den Dialog.
Ich persönlich wünsche mir allerdings vom Papst eine klare Botschaft zur Ökumene. In meiner Gemeinde läuft die Zusammenarbeit mit unseren evangelischen Mitchristen schon sehr lange überaus gut.
Jedes Jahr an Pfingstmontag feiern wir gemeinsam einen ökumenischen Gottesdienst vor dem Rathaus Schönberg. Der Papst kann neue Impulse für unser Miteinander geben.“
Stefan Hippler: „Elend muss mehr gesehen werden“
„Wenn ich ganz ehrlich bin, dann erwarte ich von dem Papstbesuch eigentlich gar nichts – oder das Übliche: viele Reden, viel Zeremonie, nicht viel Neues. Aber unter der Oberflächlichkeit einer solchen Frage und Antwort sieht es nach kurzem Nachdenken bereits ganz anders aus: Da sehe ich mich als einen Priester, der in Südafrika seit Jahren Elend sieht, und wie sehr wünschte ich mir, dass dieses Elend mehr gesehen würde und die Antworten der Kirche auf dieses Elend menschlich adäquat wären und zeitgemäß.
Natürlich verfolge ich auch das Geschehen in der deutschen Kirche – die Skandale um Kindesmissbrauch, die Zusammenlegungen von Gemeinden, das Theologenmemorandum, die Forderungen der Initiative ,Wir sind Kirche'. Ich habe Freunde, die homosexuell sind und sich von der Kirche ausgestoßen fühlen, und ich sehe die Piusbrüder, die das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen. Dann weiß ich, was ich mir wünsche: einen Papst, der zuhört, einen Papst, der zurückkehrt in den Vatikan, immer noch erfüllt von all der Vielfalt, all dem ernsthaften Suchen, all den Spuren Gottes, die es gibt – bei Menschen, die ihm zujubeln, aber auch bei denen, die gegen ihn protestieren.“