Quereinsteiger

Vom Volleyballtrainer zum Sportlehrer an einer Berliner Schule

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Regina Köhler

Foto: Sergej Glanze / Glanze

Für den Berliner Schuldienst haben sich bislang 3300 Akademiker als Quereinsteiger beworben. Dass es so viele sein würden, hat wohl kaum jemand erwartet. Einer davon ist Andreas Temp.

Andreas Temp will Lehrer werden. Er möchte gern Sport unterrichten. Ein zweites Fach müsste er noch studieren. Er würde Mathematik wählen, Physik oder Erdkunde. Diese Fächer interessieren ihn.

Noch hat Temp sich nicht entschieden. Und er hat auch noch Zeit. Erst wenn er als Quereinsteiger an einer Berliner Schule eingestellt wird, kann er mit dem berufsbegleitenden Studium beginnen. Seine Bewerbung hat er bei der Bildungsverwaltung längst abgegeben, jetzt wartet er auf eine Antwort.

Temp ist einer von mehr als 3300 Akademikern, die sich für den Berliner Schuldienst beworben haben. Dass es so viele sein werden, hat wohl kaum jemand erwartet. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) dürfte es freuen. Sie hat Anfang des Jahres fast alle Unterrichtsfächer zu Mangelfächern erklärt, damit Hochschulabsolventen aus unterschiedlichen Studienrichtungen als Lehrer eingestellt werden können.

Das ist zwar nur dann möglich, wenn sich nicht genug ausgebildete Pädagogen bewerben. Doch dieser Fall ist wahrscheinlich. In Berlin werden zum neuen Schuljahr mehr als 2200 Lehrer gebraucht. Da bundesweit Fachkräftemangel herrscht, geht offenbar auch die Bildungssenatorin davon aus, dass es nicht genug Laufbahnbewerber geben wird. Quereinsteiger haben also gute Chancen.

Viel Erfahrung mit Kindern

Die Einstellungsrunden sollen am 12. Mai beginnen. Die Sprecherin der Bildungssenatorin, Beate Stoffers, sagt dazu: „Wir werden zunächst die Laufbahnbewerber auswählen und mit Angeboten für Einstellungen versorgen. Wenn die Angebote angenommen werden, kommt es zu Einstellungen.“ Direkt im Anschluss – Ende Mai, Anfang Juni – würden die Quereinsteiger Einstellungsangebote bekommen, vor allem in Mathematik, Physik, Informatik, Chemie, Biologie, Wirtschaft, Arbeit, Technik (WAT), Englisch, Musik sowie Sport und in sonderpädagogischen Fachrichtungen.

Die genaue Anzahl der Quereinsteiger, die in den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst übernommen werden, könne erst nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens benannt werden, sagt Stoffers. „Für uns gilt der Grundsatz, dass zuerst Lehramtsanwärter berücksichtigt und dann aus dem Kreis der Quereinsteiger die restlichen benötigten Lehrkräfte rekrutiert werden.“

Andreas Temp kommt aus einer Lehrerfamilie. Seine Mutter und Großmutter waren schon im Schuldienst. Seine Frau ist seit zwei Jahren Lehrerin. Ursprünglich wollte auch er diesen Beruf ergreifen. Doch während seines Lehramtsstudiums für die Fächer Sport und Mathematik wechselte Temp nach zweieinhalb Jahren in den Diplomstudiengang Sportwissenschaft der Humboldt-Universität. „Ich habe gemerkt, dass mich vor allem der Leistungssport interessiert, und wollte Trainer werden.“ Für diese Laufbahn habe er sich als Diplomsportler bessere Chancen ausgerechnet.

Seine Diplomarbeit hat der 33-Jährige vor einem Jahr abgegeben. Mit Erfolg. Er gehörte zu den Besten seines Jahrgangs. „Ich habe mir Zeit gelassen, und schon während des Studiums viel als Trainer gearbeitet“, sagt er. Seit einem Jahr arbeitet Temp nun freiberuflich als Volleyballtrainer für den Bereich Hochschulsport der Technischen Universität und als Lehrer für Handball und Tennis beim SCC. An einer Sportschule in Lichtenberg unterrichtet er außerdem Schüler. Die Arbeit macht ihm Spaß. Dennoch will er in den Schuldienst wechseln. Das hat vor allem mit den Arbeitszeiten und der hohen Flexibilität zu tun, die von ihm als Freiberufler erwartet werden. „Familienfreundlich ist das nicht“, sagt Temp, der unbedingt mehr Zeit für seinen kleinen Sohn haben will. Und auch die finanzielle Unsicherheit ist für den Familienvater ein Grund, nach einer festen Anstellung zu suchen.

Verbeamtung muss nicht sein

Dass er als Quereinsteiger erfolgreich sein kann, steht für den jungen Mann außer Frage. Als Trainer hat er bereits viel Erfahrung im Umgang mit Kindern gesammelt. „Ich habe dabei herausgefunden, dass ich gern mit Menschen arbeite“, sagt er. Wie man als Quereinsteiger erfolgreich sein kann, hat auch seine Frau vorgemacht. Die studierte Psychologin arbeitet seit zwei Jahren als Berufsschullehrerin. Sie hat ein berufsbegleitendes Referendariat absolviert und eine unbefristete Anstellung an einem Berliner Oberstufenzentrum bekommen.

Dass er in Berlin als Lehrer nicht verbeamtet werden wird, spielt für Andreas Temp keine Rolle. Die angestellten Lehrer werden gut bezahlt, findet er. Schon beim Einstieg in den Beruf würden sie in die Erfahrungsgruppe fünf eingestuft. Das garantiere ein gutes Gehalt. „Es kann natürlich sein, dass ich mich ärgern werde, wenn ich erst an einer Schule bin und miterlebe, dass verbeamtete Kollegen, die die gleiche Arbeit machen wie ich, deutlich besser bezahlt werden“, räumt Temp ein. Von seinem Vorhaben, als Lehrer zu arbeiten, habe ihn diese Überlegung aber nicht abgehalten.

Problematischer ist für Andreas Temp hingegen die Tatsache, dass er erst relativ spät erfahren könnte, ob es mit einem Wechsel in den Schuldienst klappt. „Die Verwaltung hat sich das bis Oktober offengelassen“, sagt er. Bis dahin könne er neue Aufträge als freiberuflicher Trainer guten Gewissens kaum annehmen. Er werde sich deshalb jetzt auch noch an Privatschulen bewerben. Auch die würden Lehrer suchen. Seine Chancen, als Quereinsteiger in den Schuldienst zu kommen, werden dadurch größer, hofft er.

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