Urteil

Zu hohe Wasserpreise – Berliner erhalten Geld zurück

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Joachim Fahrun

Foto: Patrick Pleul / picture alliance / ZB

Das Kartellamt behält recht: Berlin muss den Wasserpreis um 14 Prozent senken. Das hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden. Für die Kunden in Berlin hat das konkrete Folgen.

Fast 300 Millionen Euro haben die Berliner Wasserbetriebe zuletzt Jahr für Jahr an Überschüssen erwirtschaftet. Der Großteil davon floss in die Taschen der Anteilseigner, zu denen seit der Teilprivatisierung 1999 neben dem Land Berlin auch die beiden privaten Konzerne RWE und Veolia gehörten.

Was viele Bürger, Unternehmer, Hauseigentümer und Oppositionspolitiker schon lange sagen, ist nun auch von einem Gericht festgestellt: Die Preise für Wasser in Berlin waren über Jahre missbräuchlich überhöht.

Das Bundeskartellamt lag nach Auffassung des Kartellsenats am Oberlandesgericht Düsseldorf richtig mit seiner Preissenkungsverfügung von 17 beziehungsweise 18 Prozent. Die landeseigene Berliner Gesellschaft ist nach dem Spruch des für das Bonner Bundeskartellamt zuständigen Gerichtes verpflichtet, die Tarife zu senken und den Wasserkunden das seit 2011 zu viel kassierte Geld zurückzuzahlen.

Preise sinken um rund 13,50 Euro

Koalitionspolitiker bemühten sich, die Bedeutung des Urteils zu relativieren. „Das Abgeordnetenhaus hat bereits im Oktober 2013 beschlossen, unabhängig vom Ausgang des Gerichtsverfahrens die Wasserpreise in Berlin zum 1. Januar 2014 um 15 Prozent zu senken“, sagte Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD), der neuerdings dem Aufsichtsrat der Wasserbetriebe vorsitzt. Für den neuen Doppelhaushalt 2014/15 hat die Koalition beschlossen, die Gewinnabführung der Wasserbetriebe um 26 Millionen zu senken, also auf Geld für den Landeshaushalt zu verzichten.

Dass sie nur einen 15-prozentigen Nachlass gewähren, während die Kartellwächter von 17 oder 18 Prozent sprechen, liegt daran, dass das Kartellamt in seine Berechnung Steuern und Abgaben einbezieht, während die BWB von Netto-Preisen ausgeht. Für die Bürger sei das Ergebnis dasselbe. Pro Person sinken die Preise um rund 13,50 Euro im Jahr.

Der Rechtsstreit könnte aber trotz der Niederlage der klagenden Berliner Wasserbetriebe weitergehen. Die Düsseldorfer Richter ließen den Weg zum Bundesgerichtshof ausdrücklich zu. Denn die Sache hat grundlegende Bedeutung. Es geht darum, ob alle Wasserversorger in Deutschland sich gefallen lassen müssen, vom Bundeskartellamt durchleuchtet und auf eventuelle Monopolgewinne hin überprüft zu werden.

Bezahlt Rot-Schwarz den politischen Preis?

Die BWB ist nach wie vor überzeugt, dass die Wettbewerbshüter im Bereich kommunaler Gebühren wie beim Wasser nichts zu suchen haben. Die Richter in Düsseldorf sehen das aber anders: Die BWB berechne ihren Kunden „Preise“ und erhebe nicht etwa Gebühren, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Daran müssten sie sich „festhalten lassen“, so die Richter.

Ob BWB-Chef Jörg Simon nun den Rechtsstreit weiter führt, war am Montag noch unklar. Das müsse der Eigentümer entscheiden, hieß es von den Wasserbetrieben. Nachdem das bisherige Verfahren die Kassen der Anstalt öffentlichen Rechts bereits mit mehr als fünf Millionen Euro belastet hat, würden sich die zusätzlichen Kosten für den Gang zum Bundesgerichtshof in Grenzen halten. Ob aber die rot-schwarze Koalition bereit ist, den politischen Preis zu zahlen und eine im Sinne einer breiten Bevölkerungsmehrheit ausgefallene Entscheidung vor der höchsten Instanz anzugreifen, scheint derzeit zumindest zweifelhaft.

Es war der frühere Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke), der auf Anraten des Juristen Markus Kerber das Kartellamt eingeschaltet hatte. Für Wolf, seinerzeit Aufsichtsratschef der Wasserbetriebe, war der Rückgriff auf die Wettbewerbshüter ein Hebel, um Druck auf die privaten Miteigentümer RWE und Veolia auszuüben, die Preise zu senken.

Hoher Druck durch das erfolgreiche Volksbegehren

Weil er dabei zwar im Interesse der Kunden, aber nicht unbedingt im Interesse des Unternehmens handelte, musste sich Wolf auch Kritik an seiner Doppelrolle als Senator und Aufsichtsratschef gefallen lassen. Inzwischen hat Rot-Schwarz RWE und Veolia aber für 1,3 Milliarden Euro aus den Wasserbetrieben herausgekauft. Aus Sicht der Kritiker wäre der Preis deutlich niedriger ausgefallen, wenn der Senat auf das Urteil gewartet hätte.

Die Preise zu senken oder nicht, war nach dem Rückkauf nur noch eine politische Entscheidung. Der Druck in dieser Richtung war aber durch das erfolgreiche Volksbegehren zum Wasser 2011 sehr groß. „Wir haben nicht auf Gerichtsurteile gewartet, sondern politisch gehandelt“, sagte der energiepolitische Sprecher der CDU, Michael Garmer.

Die CDU-Fraktion sei sehr froh, „dass wir nach langen Gesprächen auch unseren Koalitionspartner mit dem Beschluss des Doppelhaushalts 2014/2015 davon überzeugen konnten, die Berlinerinnen und Berliner um 60 Millionen Euro pro Jahr zu entlasten“, so der Christdemokrat.

„Klatsche“ für Wasserbetriebe und Berliner Senat

Die Wohnungswirtschaft reagierte erfreut. „Das Scheitern der Klage bringt endlich Klarheit und Sicherheit in die Diskussion um die Berliner Wasserpreise“, sagte Maren Kern, Vorstand des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen.

Der Landesvorsitzende der Linken, Klaus Lederer, sprach von einer „Klatsche“ nicht nur für die Wasserbetriebe, sondern vor allem für den jetzigen Berliner Senat. „Statt endlich eine nachhaltige Senkung des Wasserpreises herbeizuführen, wurden weitere Millionen zu Lasten der Berliner Wasserkunden für ein unsinniges Gerichtsverfahren verbrannt“, sagte Lederer.

Der Berliner Wassertisch, der das Wasser-Volksbegehren zum Erfolg gebracht hatte, kommentierte das Urteil mit Genugtuung. Die Wettbewerbshüter hätten festgestellt, dass vor allem der sehr hohe Ansatz von kalkulatorischen Kosten wie die Höhe der Verzinsung oder Art und Dauer der Abschreibungen für die hohen Preise verantwortlich seien. „Mit anderen Worten: Es sind die Gewinne, die in Berlin die Wasserpreise in die Höhe getrieben haben“, sagte eine Sprecherin.

Die Aktivisten und die Oppositionspolitiker fordern jetzt, die Abwasserpreise ebenso zu untersuchen wie die Trinkwasserpreise. Beim Abwasser seien ebenso hohe Gewinnspannen einkalkuliert wie beim Trinkwasser.