Auf der Grünen Woche in Berlin werden hauptsächlich tierische Produkte angeboten. Der Rundgang mit Veganer Christian Vagedes zeigt aber, dass man auch ohne Fleisch, Eier und Milch satt werden kann.
„Mehr Platz für Leben“ lautet das Motto der großen Bioverbände auf der Grünen Woche. So werden freilaufende Hühner präsentiert, die artgerechte Eier legen sollen. „Alles Propaganda“, sagt Christian Vagedes und schüttelt den Kopf. „In der Realität landen auch die Biotiere am Ende auf dem Schlachthof.“
Der Designer und Buchautor ist auch Gründer der Organisation „vegane gesellschaft deutschland“. Daher fragt er am nächsten Stand, aus welchen Zutaten das Biobrot besteht. Da weder Ei, Butter oder Milch enthalten sind, greift er gerne zu.
Auf der Bühne des Bioverbandes Demeter wird einer Schulklasse grade ein Vortrag über Dünger gehalten. Vagedes vertritt die Meinung, dass veganer Dünger sehr viel effizienter und umweltschonender als Tierdünger ist. Auf dem weiteren Weg erblickt er dann jedoch einen Standnamen, der ihm bekannt vorkommt.
Die nette Verkäuferin von Vegetalis erklärt, dass von Thaicurry über Falafel fast alles vegan sei. Vagedes entscheidet sich für „Chili non carne“, dessen Fleischersatz Soja-Geschnetzeltes ihm ganz gut schmeckt.
Eine vegane Grüne Woche wäre möglich
„Positiv überrascht“ lautet dann auch das erste Fazit des Veganers. Grundsätzlich sei er offen gegenüber Messeständen, die sich für Pflanzenanbau einsetzen. Weniger gut findet er ausgestellte Tiere und Biomassentierhaltung. Obwohl die Grüne Woche von tierischen Produkten dominiert wird, sollten Veganer trotzdem zur Messe kommen, da sie sonst das Vorurteil bestätigen würden, es gebe auf der Messe nichts für sie, sagt Vagedes. Zudem werde sich der Anteil der veganen Produkte stetig vergrößern, so dass in Zukunft eine komplett vegane Grüne Woche durchaus möglich sei. Diese Idee hat seine Gesellschaft bereits mit der Veganfachmesse umgesetzt, an der nur Stände mit solchen Produkten vertreten waren. Rund 10.000 Besucher seien zur dritten Ausgabe in Hamburg gekommen, die jedes Jahr an einem anderen Ort stattfindet. „Wir machen das, um die Menschen überall im Land zu erreichen, denn es geht bei der Frage nach dem Veganismus vor allem um ein Informationsdefizit“, sagt Vagedes. Seiner Meinung nach müsse man nur alle Fakten der Herstellung tierischer Produkte kennen, um es danach nicht mehr lange als Fleischesser auszuhalten.
Der Leuchtturm in der Fleischwüste
Greifbar wird diese Ansicht in der Halle des Erlebnis-Bauernhofs mit seinen ausgestellten Milchkühen. „Stellen sie sich selbst vor, sie würden stundenlang so beengt stehen müssen wie die Tiere hier“, schlägt Vagedes vor. Dem normalen Messebesucher macht es erst einmal nicht viel aus, vor den relativ kleinen Tierboxen drängelt sich Groß und Klein zum Fell streicheln oder für ein Erinnerungsfoto. Weiter geht es in die Halle von Mecklenburg-Vorpommern, wo sich auf einem überdimensionalen Schiff verkleidete Seemänner mit Bier zuprosten. „Wahnsinn, was hier an Geld verbraten wird“ lautet Vagedes’ Kommentar im vorbeigehen. Zwischen zahlreichen Ständen, die Fisch und Wurst anpreisen, liegt ein veganer Leuchtturm in der Fleischwüste. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) stellt die Firma Prolupin rein pflanzliche Lebensmittelzutaten aus den Samen der Blauen Süßlupine her.
Damit lassen sich dann vegan Milch, Fleisch oder Ei in Lebensmitteln ersetzen. Ob die Lupine an das Original herankommen, davon kann sich jeder Messebesucher selbst überzeugen. Zu probieren gibt es Teigwaren, Würstchen und Lupinen-Eis. Christian Vagedes muss das alles gut schmecken, er ist schließlich an der Prolupin beteiligt. Sicher ist jedoch, dass Lupine ein umweltschonender Ersatz für Soja sind, da die Nutzpflanze als Tierfutter verwendet wird und dafür große Teile des Regenwaldes abgeholzt werden. Am benachbarten Fleischerei-Stand möchte der Veganer zwar kein Foto machen, wo er von Wurst und Salamis umgeben ist. Für Gespräche mit der Industrie ist er jedoch offen. „Die Fleischproduzenten sind nicht meine Feinde, sie kommen sogar von selbst auf mich zu, um zu fragen, wie man vegan produzieren kann“, sagt Vagedes.
Wie können sich interessierte Allesesser an einen veganen Lebensstil herantasten? Da es schwer sei, gleich zu Beginn auf Fleisch zu verzichten, „sollte man sich zuerst der vielen Vorteile bewusst werden und als nächstes für ein bis zwei Wochen alle Milchprodukte weglassen“ rät der überzeugte Veganer. Danach könne ein veganer Supermarkt besucht werden, um die Ersatzprodukte zu entdecken. „Das Wichtigste ist jedoch, sich ein gutes Kochbuch zu besorgen, um dann zu experimentieren“, so Vagedes. Zum Abschluss des alternativen Rundgangs wird ganz klassisch ein Glas Rotwein getrunken. Dieser „knallt zwar ordentlich rein“, ist aber – ohne Gelantine, Eiweiß, Sulfide und Histamine – natürlich ganz vegan.