Nummer 25311 hat die Ruhe weg. Die Milchkuh steht wie angewurzelt auf ihrer künstlichen Weide und konzentriert sich voll auf das Zerkleinern des Futters. Xenia, 9, Alexander, 8, und Magdalena, 4, sind auf den Holzzaun geklettert und beugen sich leicht vor, um das riesige Tier aus der Nähe zu betrachten. Ganz zutraulich strecken die Kinder ihre Hände aus.
Doch die Kuh hat anderes im Sinn. Wie auf Knopfdruck schießt ein dicker Wasserstrahl unter ihrem Schwanz hervor. Xenia schreckt sofort zurück, Alexander entfährt ein „igitt“, nur Magdalena findet es total spannend und hält die Stellung. „Sei froh, dass die nicht näher an deinem Gesicht dran war“, sagt Alexander zu Xenia, und beide Kinder müssen lachen.
Es ist Sonnabendmorgen, kurz nach dem Start des zweiten Messetags auf der Grünen Woche. Auf dem Erlebnisbauernhof in Halle 3.2. sind Ställe und Stände, Tische und Quizräder dicht umlagert. Yulia und Christian Müller aus Lichterfelde sind mit ihrem Sohn Alexander und den beiden befreundeten Kindern Xenia und Magdalena gekommen, um die Familientour zu testen. Acht Thementouren haben die Messeveranstalter ausgearbeitet, darunter eine Deutschland-Tour, eine Garten-Tour und eine Landwirtschaft-Tour.
Erlebnisbauernhof in Halle 3.2. – Attraktionen zum Mitmachen
Die Familien-Tour besticht nicht nur mit den vielen Tieren und Mitmach-Aktionen für Kinder, sie bietet auch den Vorteil, dass die Wege relativ kurz sind. Fünf Stationen hat die Testgruppe zu absolvieren in vier verschiedenen Hallen. Soviel sei vorweggenommen: Die drei Kinder wären am liebsten den ganzen Tag auf dem Erlebnisbauernhof geblieben. Die Halle mit unzähligen Ständen, Tieren und Wissenswerten fordert die ganze Energie der Kinder.
Doch alles beginnt am Eingang, wo die Schlangen vor den Kassen gegen 11 Uhr das Foyer verstopfen. Zwei Stunden später übrigens, so gegen 13 Uhr, sind die Kassen fast leer. Endlich auf der Rolltreppe hat Alexander erst einmal Durst. Auf dem Erlebnisbauernhof – Station Nummer eins – bekommt er eine naturtrübe Apfelschorle. Sie schmeckt, er ist zufrieden. Dann geht es direkt zu den Fleckviehkühen.
Das Erlebnis am Zaun kann die Kinder nicht davon abhalten, den Kühen über die Nase streicheln zu wollen. Wie fühlen sie sich an? „Die ist kratzig“, sagt Xenia. „Und hart“, fügt Alexander hinzu. Am Stand vom Familienbetrieb Delaval machen sie einen Test, ob sie H-Milch von Vollmilch am Geschmack unterscheiden können. Xenia probiert als erste und sagt: „Schmeckt wie Kuhmilch.“ Am Ende halten die Kinder die H-Milch für die Vollmilch und bedienen damit die Erwartungen. „Man schmeckt kaum noch den Unterschied, weil die Verarbeitung heute bedeutend besser ist“, sagt Mitarbeiter Willi Ehnes.
Wasserbecken zieht Kinder magnetisch an
Weiter geht es vorbei an den Zwergzebus Lisa und Leoni, die aus einer privaten Hobbyzucht stammen und für die Tierärzte ohne Grenzen werben. „Am Buckel fühlt es sich ganz weich an“, sagt Alexander beim Streicheln. Auf dem Weg liegt die Schaufleischerei, wo die Kinder sehen können, wie die Berliner Currywurst entsteht und auch ein Häppchen probieren dürfen („Schmeckt sehr gut“), bis sie bei der nächsten Attraktion sind: beim Rate-Angeln.
Das Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung hat einen Stand zum Thema Sicherheit von Lebensmitteln aufgebaut und will es am Beispiel der Fische näher bringen. Stör, Scholle und Wels werden präsentiert, doch die Kinder sind wie magisch angezogen von einem Wasserbecken, aus dem sie mit einer Magnetangel Fisch-Attrappen herausziehen können. Alexander gibt keine Ruhe bis alle Fische in seinem Eimer sind. Dabei lernt er, dass der Hering im Meer lebt und der Karpfen im Süßwasser.
Nach dem Angeln ist wieder Action angesagt. Kindertraktoren stehen im Weg, die unbedingt ausprobiert werden müssen. Das ist Magdalenas großes Glück, sie schnappt sich sofort ein Gefährt. Wie ein echter Traktor mit einem Pflug funktioniert, dürfen sie gleich danach ausprobieren. An einem elektronischen Pult bedienen sie den Pflug und drehen und wenden ihn, bevor sie die Erlebnisbauernhof-Halle verlassen.
„Guck mal das Pferd hat Locken“
Die zwei nächsten Stationen werden von den Kindern eher rasch durchschritten, die Konzentration hat schon nachgelassen. In der Bio-Halle 1.2. sind eigentlich nur die Hühner das Spannende. Und auf der Sonderschau in Halle 4.2. steht der Rohstoff Holz im Mittelpunkt. Wie wird es gewonnen, was kann man daraus machen? Dazu wurde auch ein Baum in die Halle „verpflanzt“, an dem die Kinder mit einem Seil gesichert hochklettern können.
Die Aufmerksamkeit der Kinder fährt noch einmal hoch in Halle 25 und 26. Das sind die letzten beiden Stationen: Heimtiere und Zuchttiere. Magdalena sitzt mittlerweile auf der Schulter von Christian Müller und hat die beste Sicht. „Guck mal das Pferd hat Locken“, ruft sie von oben. Der Edelbluthaflinger hat Zöpfe in der Mähne, für die Kleine ein sicheres Zeichen, dass es auf jeden Fall ein Prinzessinnen-Pferd sein muss.
Ziemlich lange verweilen die drei Kinder bei einer Sau mit kleinen Ferkeln – es sind so viele, dass mehrere Zählversuche von Besuchern scheitern. „Guck mal, die Kleinen haben auch schon eine Marke im Ohr“, sagt Alexander. Ob das ihnen wohl weh tue, will er wissen. Mittlerweile ist kein Durchkommen mehr, die Kinder werden nur noch mit dem Strom mitgeschoben vorbei an Auerochsen, Wasserbüffeln, Alpakas, Katzen, Hunden und Kaninchen.
Am Schluss hat Yulia Müller noch einen Wunsch. Sie will in die Russland-Halle. Sie stammt aus dem Kaukasus, nicht weit entfernt von Sotschi, wo jetzt die Winterspiele sind. Im vergangen Jahr hat sie auf der Grünen Woche Leute aus der Nachbarschaft getroffen. „Das war ein tolles Gefühl“, sagt die 38-Jährige. Sie treffe so selten jemanden aus der Heimat. Den Kindern ist es recht, sie sind fertig.