Es hört sich harmlos an. Einem Berliner wurde das Navigationsgerät gestohlen. Ein banales Delikt. Denkt sich der Außenstehende, der nicht Betroffene. Opfer und Polizei wissen, dass mit dem Diebstahl einer solchen Orientierungshilfe viele Strapazen verbunden sind. Warten auf den Anruf der Werkstatt. Gespräche mit Versicherungen. Und auch die Sorge, dass es jederzeit wieder passieren könnte.
Die Fallzahlen sind laut offiziellen Angaben nicht steigend, aber auf einem hohen Niveau. Im vergangenen Jahr wurden stadtweit bis Ende November 5500 „Navis“ gestohlen. 50 Prozent der festgenommenen Täter stammen aus Litauen. Die Täter schicken die Geräte in ihre Heimat zum Verkauf oder bieten sie im Internet an. Mittlerweile hat dieses Kriminalitätsphänomen solche Ausmaße angenommen, dass die Polizei auf Großparkplätzen bereits davor warnt, den Wagen dort stehen zu lassen.
Martina S. aus Lichtenberg ist nicht nur einmal Opfer solcher Diebe geworden, sondern mehrfach. Der Einbruch hat Spuren hinterlassen. „Seitdem schaue ich jeden Abend vom Balkon aus dorthin, wo mein Auto abgestellt ist und hoffe, dass niemand die Scheiben eingeschlagen hat“, sagt sie. In kürzester Zeit hatten Diebe im November 2013 die Fenster zerstört, das eingebaute Navi „fachmännisch“ herausgerissen und das Handschuhfach durchwühlt. „Beim ersten Einbruch stand ich fassungslos vor meinem Audi“, berichtet die Geschäftsfrau. „Der Sonnabend war gelaufen und die Tagespläne dahin“, erinnert sich die Mittvierzigerin. Alle Termine musste sie absagen.
Danach dauerte es mehrere Stunden, um mit der Versicherung die weitere Vorgehensweise zu klären. Die Reparatur in einer Fachwerkstatt zu organisieren, eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten und schließlich noch einen Ersatzwagen zu ordern. „Dabei hatte ich Glück, dass die Leute vom ADAC eine Werkstatt fanden, wo ich am Wochenende meinen Wagen unterstellen konnte. “ Nach vier Tagen hatte sie ihr Auto zurück, die Normalität kehrte zurück.
Vor allem aus Skodas und Audis werden Navigationsgeräte geklaut
Dann kam der Freitag, der 13. Dezember – und das Ganze ging von vorn los. Beim Weg zum Auto bot sich Martina S. das gleiche Bild wie im Monat zuvor: Seitenscheibe eingeschlagen, Navi herausgerissen, Handschuhfach durchwühlt. Wieder dauerte es eine Woche, bis sie ihren Audi zurück hatte. „In der Autowerkstatt haben die Mechaniker bei meinem Erscheinen schon geschmunzelt, der Meister wähnte mich schon als neuen Stammkunden.“ Genau wie einen anderen Autobesitzer, dem bereits sieben Mal das Navigationsgerät gestohlen wurde. „Das hat mir doch etwas die Angst genommen, diesen Vandalismus zu persönlich zu nehmen“, sagt sie. „Doch das beim allmorgendliche Gang zum Auto in der Magengegend zu spürende Unbehagen hat sich festgesetzt“.
Die Polizei unterscheidet zwischen Diebstählen an und aus Fahrzeugen, also den Diebstahl von Antennen, Lampen oder Spiegeln beziehungsweise von Wertsachen aus dem Wageninneren. 30.000 solcher Fälle gab es im Jahr 2012, gut 17.900 der Fälle bezogen sich auf Diebstahl aus Autos. Karsten Gillert ist Kriminaloberrat und Inspektionsleiter der Direktion 2, hat in der Angelegenheit aber den Überblick für den gesamten Stadtbereich. Es treffe vor allem Autos der Marken VW, Skoda, Seat und Audi, sagt er. „Diese Fahrzeuge haben alle den gleichen Schacht, in denen die Geräte eingelassen und nicht wie bei anderen Fabrikaten in das Armaturenbrett integriert sind.“ Gerade einmal vier Schrauben müssten gelöst werden, um das Navi herausziehen zu können. „Im Zeitraum Januar bis August 2013 wurden 4000 Einbau-Geräte entwendet, 50 Prozent davon betrafen die erwähnten Automarken.“ Dabei gingen die Täter sehr oft dreist vor und suchten ihre Opfer mehrfach auf. „Sie wissen ja, welche Autos sie sich vorgenommen hatten. Also konnten sie davon ausgehen, dass das Gerät schnell ersetzt werden würde und somit neue Beute wartet.
Geringe Aufklärungsrate bei Navi-Diebstahl
Da die Polizei sich ob der personellen Situation schwerpunktmäßig auf Haus- und Wohnungseinbrüche konzentriert, ist die Aufklärungsrate eher gering – im Jahr 2012 wurden 3,6 Prozent der Fälle ausrecherchiert. Immerhin 350 Tatverdächtige wurden ermittelt, gut die Hälfte von ihnen stammt nach Informationen der Berliner Morgenpost aus Litauen. Laut Karsten Gillert würden die Verdächtigen in den Vernehmungen keine Angaben machen und stets berichten, die Geräte gefunden zu haben.
„Vorsichtige Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass ein Teil der Geräte in die Heimat verkauft oder bei Ebay angeboten werden“, so der Kriminaloberrat. „Oftmals wird die Herkunft der Navis durch gefälschte Identitätsplaketten verschleiert. Man kann als Internetkunde aber schon an den geringen Preisen erkennen, dass das Gerät gestohlen sein muss“, sagt Gillert. Um die 1000 Euro koste ein fest eingebautes Navigationsgerät der Automobilhersteller normalerweise, würde es für die Hälfte oder weniger angeboten, sei dies kein gutes Zeichen.
Polizei rät Abdruck des Navi-Saugknopfes an Scheibe abwischen
Viele Opfer, gerade diejenigen, die mehrfach bestohlen wurden, ließen ihre Orientierungshilfen ausbauen, um nicht erneut von den Tätern heimgesucht zu werden, so Gillert. „Man kann eigentlich nur den Anreiz für die Diebe verringern“, sagt Diebstahlexperte der Polizei. „Ein offenes und leeres Handschuhfach stößt bei entsprechenden Banden nicht auf Interesse.“
Aber selbst, wer sein mobiles Navigationsgerät samt Halterung abbaut, muss nicht auf der sicheren Seite sein. Wer zudem ein an die Scheibe montierbares Gerät habe, sollte sogar abends den Abdruck des Saugknopfes an der Frontscheibe abwischen, weil dies immer ein Hinweis darauf sei, dass ein Navigationsgerät im Auto sein kann, rät der Fachmann von der Polizei.