Marode Schulen

Fenster stürzt in volles Klassenzimmer - drei Verletzte

| Lesedauer: 5 Minuten
Regina Köhler

Foto: Jan Woitas / dpa

Gegen 14.30 Uhr ist in der Charlottenburger Poelchau-Oberschule ein großes schweres Fenster in einen Klassenraum gestürzt. Drei Schüler wurden verletzt, zwei von ihnen wurden in der Klinik behandelt.

Die Schüler der Klasse 7s1 der Charlottenburger Poelchau-Oberschule stehen am Donnerstagabend noch immer unter Schock. Ähnlich geht es ihren Eltern. Gegen 14.30 Uhr ist im Musikraum der Eliteschule des Sports ein Unglück geschehen. Die Klasse 7s1 hatte gerade Ethikunterricht, als plötzlich ein großes schweres Fenster in den Klassenraum stürzte. Drei Schüler, die in Fensternähe saßen, wurden verletzt. Der Notarzt überwies zwei von ihnen ins DRK Klinikum Westend.

Schüler erleidet einen schweren Schock

Während ein zwölf Jahre alter Junge am Kopf genäht werden musste, weil er eine Platzwunde hatte, wurde der andere wegen eines schweren Schocks behandelt. Seine Mutter (Name d. Red. bekannt) sagte, dass ihr Sohn Medikamente bekommen habe. „Er zittert am ganzen Körper und ist nicht zu beruhigen.“ Am Abend ist der Junge noch immer im Krankenhaus. Sein Klassenkamerad kann gegen 17 Uhr nach Hause gehen. Seine Wunde ist genäht worden, er hat einen Kopfverband bekommen.

Carola Kolbeck, Elternsprecherin der Klasse, erstattet am Donnerstagabend bei der Polizei Anzeige gegen den Schulträger, in diesem Fall ist es die Bildungsverwaltung, wegen fahrlässiger Körperverletzung. „Die Schule muss sofort geschlossen werden“, fordert sie. Der Zustand des Gebäudes sei derart marode, dass jederzeit etwas passieren könne. „Die Eltern haben die verantwortlichen Politiker seit Jahren auf diese Situation aufmerksam gemacht“, sagt die Mutter. Nichts sei geschehen. Dabei seien nicht nur die Fenster marode. „Wenn es draußen windig ist, wackeln auch die Deckenplatten. Sie drohen ebenfalls herunterzufallen.“

Fenster war angekippt, als einer der Haken nachgab

Bildungsstaatssekretär Mark Rackles hat noch am Donnerstag veranlasst, dass das Berliner Immobilienmanagement (BIM) eine Analyse aller Fenster vornimmt. „Von Freitag an werden ein Handwerk und ein Ingenieur vor Ort sein und sich alle Fenster genau ansehen.“ Sollten Mängel festgestellt werden, würde der Unterricht eingeschränkt und die Mängel sofort behoben, so Rackles. Geprüft werden müsse auch, ob jemand das Fenster falsch angekippt habe.

Der Schulleiter der Poelchau-Schule, Matthias Rösner, bedauert den Vorfall. „Die Schule ist erst Anfang des Schuljahres sicherheitstechnisch überprüft worden“, sagt er. Das Gebäude sei zwar nicht im besten Zustand, bei der Sicherheitskontrolle im August sei an den Fenstern aber nichts festgestellt worden. „Es muss sich um einen Materialfehler handeln.“

Das Fenster sei angekippt gewesen, und plötzlich habe einer der beiden Haken nachgegeben. Er stehe mit den Eltern der betroffenen Schüler in Verbindung, sagte der Schulleiter. Die Kinder würden am Freitag nicht zur Schule kommen. „Um die anderen Schüler der Klasse wird sich ein Schulpsychologe kümmern.“

Schule ist stark sanierungsbedürftig

Die Poelchau-Schule ist wegen ihres stark sanierungsbedürftigen Zustands seit Jahren in den Schlagzeilen. So war vor einigen Jahren festgestellt worden, dass Asbest in dem Gebäude verbaut worden ist. Eine Elterninitiative forderte daraufhin die Schließung der Schule. Ohne Erfolg. Erst vor einem Jahr wurde ein Neubau für die Schule beschlossen.

Vor wenigen Wochen ist dafür auf dem Olympiagelände der Grundstein gelegt worden. Geplant ist, dass die Poelchau-Schule im Sommer 2015 in das neue Gebäude einzieht. Für Schulleiter Rösner ist es deshalb umso bedauerlicher, dass jetzt noch – auf den letzten Metern vor dem Ziel so zusagen – etwas passiert ist.

Die Eltern sind empört Sie fühlen sich hintergangen. Elternsprecherin Kolbeck sagt: „Wir gehen davon aus, dass die Schule das Unglück vertuschen will.“ Unmittelbar nach dem Vorfall habe der Hausmeister das Fenster wieder eingehängt und alle Scherben beseitigt. Stattdessen hätte er die Polizei verständigen und sofort für ein Gutachten sorgen müssen.

„Das Fenster hätte ein Kind erschlagen können“

Die Mutter des Jungen, der am Kopf verletzt worden ist, äußert zunächst Erleichterung darüber, dass nicht noch Schlimmeres passiert ist. „Das Fenster hätte ein Kind erschlagen können“, sagt sie. Sie sei gegen 15 Uhr von der Schulsekretärin über den Unfall informiert worden und sofort zur Schule gefahren. „Als ich dort ankam, hat sich bereits ein Arzt um die Verletzten gekümmert.“ Der Arzt habe zwei der drei Jungen in das Krankenhaus eingewiesen. „Mein Sohn und seine beiden Klassenkameraden werden morgen erst einmal zu Hause bleiben“, so die Mutter.

In Berlin haben viele Schulen dringenden Sanierungsbedarf. Laut einer aktuellen Vorlage der Bildungsverwaltung für das Abgeordnetenhaus liegt der Sanierungsstau bei den Schulen in bezirklicher Trägerschaft bei 864 Millionen Euro. Das Land will in den kommenden Jahren zwar etwa 580 Millionen Euro für Sanierung und Neubau von Schulen ausgeben. Ein großer Teil des Geldes muss allerdings in die Schaffung neuer Schulplätze investiert werden, da die Schülerzahlen steigen. Bis 2015 sind allein 25,7 Millionen Euro für ein Containerprogramm eingeplant, um dringend nötige Schulplätze zu schaffen.