Konjunktur

Berliner Wirtschaft hat den Schlüssel zum Erfolg

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Joachim Fahrun

Foto: Hannibal Hanschke / dpa

Die Wirtschaft in der Hauptstadt hat sich nach einer kleinen Konjunkturdelle erholt. Die Unternehmen blicken wieder positiv in die Zukunft. Beschäftigungsmotoren bleiben Bau und Dienstleistung.

Der Einbruch ist ausgebügelt. Als vor zwei Jahren fast überall auf der Welt die Fotovoltaik-Industrie in die Knie ging, bekam auch Albrecht Krüger diese Kreise schmerzhaft zu spüren. Der Umsatz seiner Firma Sentech aus Berlin-Adlershof brach um ein Drittel ein, als die Solaranlagenhersteller eben nicht mehr Krügers hoch spezialisierte Messinstrumente orderten. Im Jahr 2011 war der Umsatz von Sentech noch um 40 Prozent gewachsen. Jetzt ist die Firma zurück auf dem Gleis wie die gesamte Berliner Wirtschaft, auch die Industrie, zu der auch Krügers High-Tech-Unternehmen gehört, hat nach einer Schwächephase wieder Tritt gefasst. Sentech erwartet mit einem Umsatz im unteren zweistelligen Millionenbereich das zweitbeste Jahr, seit Krüger das Unternehmen nach dem Mauerfall in Adlershof gründete.

Sentech spiegelt fast alle Aspekte wieder, die IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder und sein Handwerkskammer-Kollege Jürgen Wittke am Freitag zu der positiven Konjunkturentwicklung in der Hauptstadt darstellten. Die Aussichten seien besser geworden, mehr Unternehmen blickten positiv in die Zukunft als bei der letzten Konjunkturumfrage im Frühjahr. 48 Prozent der Unternehmen sagten, „uns geht es gut“. Das bestätigt Unternehmer Krüger: „Wir haben volle Auftragsbücher über das nächste Jahr hinaus.“ Was die Aussichten für das kommende Jahr angehe, seien sie sehr optimistisch.

Plus beim Export erwartet

Und während die Wirtschaftsfunktionäre die wieder gewonnene Stärke der Berliner Wirtschaft auf Exportmärkten preisen, kann auch Krüger das am praktischen Beispiel bestätigen. „Die Unternehmen rechnen im Export mit deutlichen Steigerungen“, sagte IHK-Mann Eder. Inzwischen liege der Saldo zwischen denjenigen Betrieben, die eine Zunahme beim Verkauf in andere Länder annehmen und denen, die eine Abnahme befürchten, bei 19 Punkten. Vor einem halben Jahr lag die Differenz noch bei fünf Punkten.

„Ein ordentlicher Anstieg“, kommentierte Eder. Die ausländischen Auftragseingänge in der Berliner Industrie überstiegen das hohe Niveau von 2007. Und während die Kunden aus der Eurozone vor allem wegen der anhaltenden Krise in Südeuropa nach wie vor zurückhaltend bestellten, werde das durch Orders aus den USA, Asien, Arabien und auch Osteuropa ausgeglichen, so der IHK-Hauptgeschäftsführer. Das bestätigt auch Unternehmer Krüger. Der deutsche Forschungsmarkt, wo Sentech Instituten und Universitäten spezielle Messgeräte liefert, habe sich gut entwickelt. Nachfrage komme aber vor allem aus Japan, China und den USA.

„Gute Leute sind Mangelware“

Nach qualifizierten Spezialisten ist Albrecht Krüger immer auf der Suche. Dieses Schicksal teilt er mit Berliner Unternehmern aus fast allen Branchen. „Gute Leute sind Mangelware“, sagte Handwerkskammer-Mann Wittke, „und das wird auch so bleiben“. Die Berliner Unternehmen suchten mehr Mitarbeiter als sie kriegen können. Der Saldo zwischen den Firmen, die neue Leute anheuern wollen und denen, die über Personalabbau nachdenken, hat sich von zehn auf 15 Punkte erhöht, in der Dienstleistungsbranche kletterte der entsprechende Wert auf 23 Punkte. Manche Firmen halten sich auch in schlechten Zeiten zurück, Mitarbeiter rauszuwerfen. Anders als manch andere hat Sentech seine 60-köpfige Belegschaft komplett auch durch die Schwächephase der vergangenen Monate gebracht. Chef Krüger weiß, dass er eine solche Mannschaft nur schwerlich wieder zusammen bekäme, wenn wie jetzt bessere Zeiten kommen. Außerdem weiß er, dass ein solches Vorgehen die Motivation der Mannschaft erhöht.

Unternehmen investieren

Das Konjunkturbarometer von IHK und Handwerkskammer zeigt auch eine erhöhte Neigung der Unternehmen, wieder zu investieren. „Die Unsicherheit über die konjunkturellen Entwicklung der letzten Monate ist vorbei“, stellte jan Eder fest. Auch Berlin kehre auf den Investitionspfad zurück. Der Saldo zwischen den Firmen, die mehr investieren wollen und denen, die weniger Geld für die Zukunft ausgeben wollen, liegt im langjährigen Durchschnitt bei minus zwei, zuletzt betrug er sechs und jetzt kletterte er auf elf Punkte. In der Industrie lagen die Zahlen im Frühjahr bei zwei, jetzt ist der Saldo bei zehn angekommen. Auch bei Sentech in Adlershof wird investiert, auch weil die Ingenieure ein neues Gerät entwickelt haben, das sie bereits sechsmal in alle Welt verkaufen konnten.

Während also die Industrie in Berlin wieder Tritt fassen konnte, erlebt die Bauwirtschaft in der Stadt einen seit Jahren ungekannten Boom. Einen „rekordverdächtigen Optimismus“ hat die Konjunkturumfrage unter den Baufirmen ergeben. Wer auf den Straßen der Stadt Slalom zwischen den Baustellen fährt oder in die Baugruben für Stadtschloss oder U-Bahnlinie 5 blickt, wer die neuen Wohnungsbauvorhaben sieht und die vielen Gerüste an den Altbauten, der ahnt, dass Bau-Unternehmen goldene Zeiten durchleben. „Der Bau profitiert erheblich vom Immobilienboom“, sagte Wittke.

Dienstleistungssektor als Motor

Eine Meldung des Amtes für Statistik untermauert dies: Demnach steigt im August der Umsatz der Baubetriebe gegenüber August 2012 um 3,1 Prozent auf 182,2 Millionen Euro. Der Wohnungsbau lag 19,3 Prozent im Plus, der öffentliche Hochbau sogar um 45,8 Prozent. Dass trotz dieser positiven Entwicklung mehr Bauunternehmen darüber nachdenken, Personal abzubauen als einzustellen, führen die IHK-Experten auf die Jahreszeit zurück. Im Winter brauchen die Betriebe traditionell weniger Mitarbeiter.

Auch im Handwerk ist die Lage eigentlich rosig, aber Bäcker, Maler, Tischler und andere bleiben wie üblich pessimistisch. Mehr sehen eine negative Entwicklung voraus als einen kommenden weiteren Aufschwung. „Ich hoffe, dass die Prognostik im Handwerk so schlecht bleibt wie zuletzt“, sagte HWK-Mann Wittke scherzhaft, weil die Handwerker eben meistens zu schwarz sehen.

Beschäftigungsmotor für Berlin bleibt aber der Dienstleistungssektor, in dem vier von fünf in Berlin erwirtschafteten Euros verdient werden. Hier leiste auch die Branche der Informationstechnik mit den vielen Start-Ups einen spürbaren Beitrag. Das Gastgewerbe habe trotz des anhaltenden Touristenbooms mit dem harten Wettbewerb nach den starken Investitionen der vergangenen Jahre zu kämpfen, sagte Eder und verwies auf die vielen Luxushotels, die zuletzt in Berlin entstanden seien. Ähnlich sei die Lage im Handel, der sich auf einem guten Niveau stabilisiert habe, angesichts vieler neu eröffneter Flächen aber nicht von einer großen Expansion ausgehe.

200.000 neuen Jobs in den vergangenen Jahren

Eder und Wittke verwiesen auf die 200.000 neuen sozialversicherungspflichtigen Jobs, die in den vergangenen Jahren in der Stadt entstanden seien. Würde man die Pendler aus Brandenburg durch in Berlin lebende Arbeitnehmer ersetzen, könnte die Stadt auch die rote Laterne bei der Arbeitslosenquote abgeben. Dennoch bleibe das Problem, dass freie Stellen eben nicht durch Berliner Arbeitslose, sondern durch Zuzügler besetzt würden. In jüngerer Zeit drängten viele junge Leute aus Spanien und anderen südeuropäischen Ländern auf den Berliner Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Für die Handwerksbetriebe sind solche jungen Leute eine Option, um qualifizierte Bewerber zu kriegen.

Von der Politik im Bund erwartet die Berliner Wirtschaft vor allem, dass sie auf Steuererhöhungen verzichtet. Auch ein Mindestlohn von 8,50 Euro werde gerade im Osten Jobs vernichten, warnte Eder. Die Landespolitik hingegen solle „die Energiewende ernster nehmen“, sagte Wittke. Es würde viel Sinn machen, mehr Geld in energetische Gebäudesanierung zu stecken.