Straßenbeleuchtung

Berlins Gasleuchten verschwinden schneller als gedacht

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Markus Falkner

Foto: Matthias Balk / dpa

Die im vergangenen Jahr begonnene Umstellung auf Elektrobetrieb geht schneller als geplant voran. Bereits mehr als 3000 der ursprünglich 8000 sogenannten Gasreihenleuchten wurden bislang umgerüstet.

Für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist es eine gute Nachricht. Die Freunde der alten Berliner Gaslaternen werden hingegen jetzt, wenn die Tage wieder deutlich kürzer werden, mit Wehmut auf viele Straßenzüge blicken. Denn die im vergangenen Jahr begonnene Umrüstung auf Elektrobetrieb geht schneller als geplant voran. Laut Daniela Augenstein, Sprecherin von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD), sind bereits mehr als 3000 der ursprünglich 8000 sogenannten Gasreihenleuchten umgerüstet.

Es handelt sich dabei vor allem um Modelle an den charakteristischen Peitschenmasten aus den 50er-Jahren, die vorrangig an Hauptstraßen stehen. In weiten Teilen von Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinickendorf und Spandau sind die Relikte der Technikgeschichte bereits verschwunden und durch neue Peitschenmasten mit Elektrolicht ersetzt worden.

Arbeiten laufen im Eiltempo

Aktuell laufen die Arbeiten dank des guten Wetters weiter im Eiltempo. Bis zum Jahresende sind Reinickendorf, Spandau und Charlottenburg-Wilmersdorf weiter die Schwerpunkte. An der Schönfließer Straße und der Welfenallee in Frohnau endet das Gaszeitalter ebenso wie am Eschenweg in Hakenfelde, an der Suarezstraße in Charlottenburg und der Nestorstraße in Wilmersdorf.

Auch für das kommende Jahr sind die Schwerpunkte für die umstrittene Umrüstung schon festgelegt. Dann rücken die Arbeiter vor allem in Frohnau, Hermsdorf, Zehlendorf und Neukölln an. Auch in Nikolassee, Lichterfelde, Hakenfelde und Spandau sollen 2014 Gaslaternen verschwinden. Bis 2016, so die Planung, sollen die Berliner Gasreihenleuchten komplett auf Elektrobetrieb umgestellt sein. Knapp 30 Millionen Euro investiert das Land Berlin allein dafür.

Für die Senatsverwaltung liegen die Vorteile auf der Hand. Die Elektrolichter verbrauchen nur einen Bruchteil der Energie der Gasleuchten. Sie verursachen weniger schädliches Kohlendioxid (CO2), sind einfacher und preiswerter zu warten. Pro Jahr will das Land allein bei den Betriebskosten künftig mehr als drei Millionen Euro einsparen. Die jährlichen CO2-Emissionen sollen um 9200 Tonnen sinken.

Nur fünf Prozent bleiben erhalten

Mehrere Bürgerinitiativen und Denkmalschutzvereine sehen die Sache anders. Für sie ist ein Kulturgut von Weltrang in Gefahr. In keinem anderen Ort auf der Welt sind so viele der historischen Gasleuchten noch erhalten. Und die Umrüstung der vergleichsweise schlichten Gasreihenleuchten soll nur der erste Schritt sein.

Auch der größte Teil der 30.700 sogenannten Gasaufsatzleuchten mit der historischen Typenbezeichnung Bamag U7 wird nach den Plänen des Senats mittelfristig auf Elektrobetrieb umgerüstet, ebenso die 3600 Gashängeleuchten und 1200 besonders repräsentativen Gasmodellleuchten. Lediglich fünf Prozent des ursprünglichen Bestandes an Gasleuchten will das Land erhalten.

Vor allem innerhalb von Straßen oder Gebäudeensembles, die unter Denkmalschutz stehen – etwa am Rüdesheimer Platz, in Alt-Charlottenburg, der Gartenstadt Frohnau oder im Lietzenseepark. Von den übrigen Leuchten, so viel ist immerhin sicher, können zumindest die historischen, gusseisernen Masten dank moderner Elektrotechnik erhalten bleiben.

Vereinzelt auch schon LED-Lampen

Wann die Umrüstung nach der ersten Etappe der Gasreihenleuchten weitergeht, ist allerdings noch offen. An der weiteren Planung müsse noch das Abgeordnetenhaus „sehr umfassend“ beteiligt werden, bestätigt Behördensprecherin Augenstein. Bürgerinitiativen und Vereine wie Gaslicht-Kultur oder Pro Gaslicht kritisieren hingegen, dass die Senatsverwaltung vielerorts schon Tatsachen schafft.

Tatsächlich wurden auch Gasaufsatzleuchten schon vereinzelt auf den Betrieb mit LED-Lampen umgerüstet – etwa als Vorzeigeobjekt an der Falckensteinstraße in Kreuzberg. Ein „Lichtprofessor“, so Augenstein, habe solange an der LED-Variante getüftelt, bis sie in Lichtstärke und Lichtfarbe kaum vom gasbetriebenen Original zu unterscheiden sei. „Bei einem Vororttermin mit Journalisten im vergangenen Herbst lagen die meisten Kollegen daneben, als sie raten sollten, was die Gaslaternen sind“, sagt Augenstein.

Gasleuchten gehören zur Berlins Geschichte

Die Kritiker der Umrüstung überzeugen solche Argumente nicht. Sie haben prominente Unterstützung wie den Entertainer Ilja Richter. „Unser Einsatz hat nichts mit Nostalgie oder mit einer Vorliebe für schönes Licht zu tun“, sagte Richter im Frühjahr dieses Jahres. „Die Gasleuchten sind Teil der Berliner Geschichte.“ So haben die Kritiker für ihr Anliegen auch schon internationale Beachtung gefunden.

In diesem Jahr war die Berliner Gasstraßenbeleuchtung nominiert als eines der „sieben gefährdetsten europäischen Denkmale“. Die Auszeichnung wird vergeben von der europaweiten Denkmalschutzorganisation Europa Nostra. Bei der Preisverleihung in diesem Sommer ging Berlin allerdings leer aus. In der Senatsverwaltung, so heißt es dem Vernehmen nach, soll man damit nicht unzufrieden gewesen sein.

Offiziell will das niemand bestätigen. Dass der Widerstand größer werden wird, wenn erst einmal die großflächige Umrüstung der Aufsatz-, Hänge- und Modellleuchten beginnt, dessen ist man sich aber sehr bewusst. Dennoch ist man entschlossen, so Behördensprecherin Augenstein, die „ökologischen, finanziellen und technischen Probleme“, die die Berliner Gaslaternen mit sich bringen, auf Dauer zu beheben.