Die alten Gaslaternen sollen aus dem Berliner Stadtbild verschwinden. Im Juni 2012 hat der Abbau begonnen. Bis 2016 werden bereits 8000 Gaslaternen verschrottet und gegen moderne Elektroleuchten ersetzt sein.
Schwerpunkt der Umrüstung in diesem Jahr ist Lichterfelde. 2013 sind hauptsächlich Dahlem und Charlottenburg betroffen, 2014 dann Frohnau, Hermsdorf, Neukölln und Zehlendorf.
Von insgesamt 43.500 Gaslaternen sollen am Ende nur knapp 2000 übrigbleiben – in Vierteln wie der Gartenstadt Frohnau und den Welterbe-Siedlungen Schillerpark und Siemensstadt übrig. Hauptgründe für die Umrüstung sind nach Aussage der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Energieeinsparung und die Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes. Kritiker hingegen bezweifeln, dass sich die millionenschweren Investitionen auszahlen.
Jetzt haben die Liebhaber der Gaslaternen einen prominenten Mitstreiter gefunden. Schauspieler Ilja Richter lädt für diesen Montagabend (die Veranstaltung ist bereits ausverkauft) in die Komödie am Kurfürstendamm ein. „Rettet die Gaslaternen!“ heißt die Veranstaltung mit Sketchen, Songs und Lesungen zum Thema Licht.
Ilja Richter hat den Abend zusammengestellt und wird ihn auch moderieren. Viele Künstler wie Katharina Thalbach, Anita Kupsch und Walter Plathe unterstützen Ilja Richter an diesem Abend; alle spielen ohne Gage. Der Erlös der Benefizveranstaltung kommt den Vereinen „Gaslicht-Kultur“ und „Denk mal an Berlin“ zugute und soll weitere Aktionen zum Erhalt der Berliner Gaslaternen finanzieren. Brigitte Schmiemann sprach mit Ilja Richter über Licht, Denkmalschutz und das Berliner Lebensgefühl.
Morgenpost Online: Was haben Sie gegen Elektroleuchten?
Ilja Richter: Schauen Sie sich das neue Licht doch an. Beispielsweise am S-Bahnhof Grunewald. Es ist hell und grell. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wenn dieses Licht über die ganze Stadt verteilt ist.
Morgenpost Online: Aber ist es für die Diskussion darüber nicht zu spät? Das Land Berlin hat die Abschaffung des Gaslichts doch längst beschlossen und mit dem Austausch begonnen.
Ilja Richter: Ich bin der Meinung, der Denkmalschutz hat nur vergessen, die Gaslaternen zu schützen. Es ist wie mit vielen Dingen, über die wir nicht nachdenken und bei denen wir den Verlust erst bemerken, wenn sie unwiederbringlich weg sind. Über Gaslaternen mussten wir uns doch früher nie Gedanken machen. Jetzt brauchen wir für die Besinnung auf das Thema sofort ein Moratorium, einen Aufschub.
Morgenpost Online: Wie wollen Sie für das Gaslicht werben?
Ilja Richter: Das Bewusstsein vieler Berliner dafür erwacht ja gerade erst. Es wurde aber auch wenig informiert. Der Senat hat es als Randthema behandelt und während der Entscheidungen wenig Informationen öffentlich gemacht, sodass gar nicht diskutiert werden konnte. Der Abend soll dazu beitragen, die Menschen noch mehr für das Thema zu interessieren.
Morgenpost Online: Und das Argument, Elektroleuchten seien sparsamer und auch besser für die Umwelt?
Ilja Richter: Es gibt Zahlen von der Senatsverwaltung, aber der Verein Gaslicht-Kultur macht dort eine andere Rechnung auf, die in meinen Augen schlüssig ist: Die Umrüstung ist mit rund 200 Millionen Euro so teuer, dass es viele Jahrzehnte dauern wird, bis sich die Investition gegenüber dem Spareffekt überhaupt rechnet.
Morgenpost Online: Aber der erste Auftrag für den Austausch der 8000 Gasreihenleuchten ist vergeben…
Ilja Richter: Sicher, der 30-Millionen-Auftrag ist nicht mehr zurückzuholen. Aber die Firma könnte doch zu den alten, maroden Elektroleuchten geschickt werden, um sie in Ordnung zu bringen.
Morgenpost Online: Sind die Gaslicht-Befürworter Nostalgiker?
Ilja Richter: In diese Ecke werden sie gern geschoben. Aber das ist falsch. Gas ist angesichts der Entwicklung der Strompreise eine Energiequelle, die man nicht einfach aufgibt. Ganz abgesehen von dem romantischen, wärmeren Licht.
Morgenpost Online: Welche Vorteile haben Gaslaternen Ihrer Meinung nach denn?
Ilja Richter: Mir fällt kein zweiter Gegenstand ein, der seit seinen Anfängen bis jetzt so gut funktioniert und dabei in seiner Qualität so hochwertig geblieben ist. Beim Telefon beispielsweise hat sich ja im Laufe der Zeit der Service doch stark verbessert.
Morgenpost Online: Aber die Elektro-Spar-Leuchten sind auch eine Weiterentwicklung….
Ilja Richter: Auch bei den EU-Leuchten gibt es aber dieses grelle, kalte Licht. Außerdem enthalten sie Quecksilber, die Entsorgung ist schlecht geregelt. Wer weiß denn schon, wo er diese Leuchten entsorgen kann? Wenn sie zerbrechen, treten giftige Dämpfe aus. Das ist doch umweltfeindlich und nicht ökologisch. Dasselbe gilt für die Leuchtstoffröhren der viel gepriesenen „Jessica“, mit der gerade die alten Gasreihenleuchten ersetzt werden.
Morgenpost Online: Aber „Jessica“ wird bereits montiert und die Gasleuchten werden verschrottet…
Ilja Richter: Ja, und diese ahistorische Politik, mit der helles, grelles Billiglicht in der ganzen Stadt verteilt wird, muss beendet werden. Es geht um Zeitzeugen. Berlin hat noch das weltweit größte Gaslicht-Ensemble. Ich möchte es behalten, auch weil es ein Stück Geschichte ist. „Jessica“ ähnelt den demontierten Laternen in der Form, aber ich vermisse auch die Gaslaternen aus den 60er-Jahren, die jetzt als erste entfernt werden.
Morgenpost Online: Wird die Benefizveranstaltung am Montagabend in der Komödie am Kurfürstendamm noch einmal wiederholt werden?
Ilja Richter: Nein, die Künstler, die mitmachen, sind vielbeschäftigt. Sie stehen mit mir in dieser Formation nur einmal zusammen auf der Bühne für die Sache. Aber es wird sicherlich weitere Aktionen geben. Ich stelle fest, dass immer mehr Menschen über die Gaslaternen so denken wie ich. Berliner und auch die Neuberliner müssen sich gemeinsam aufmachen, diese Politik zu verändern. Das ist nicht die Politik, die wir bestellt haben.