Der Streit um eine Übernahme des Berliner Stromnetzes hat das Vertrauen zwischen SPD und CDU beschädigt. Und es droht neues Streitpotenzial bei den Themen Mindestlohn, Personal und Wohnungsbau.
Der erste Koalitionskrach zwischen SPD und CDU wegen einer gemeinsamen Stellungnahme zum Volksentscheid zu den Energienetzen ist zwar im letzten Moment beigelegt worden, er hat aber Spuren im Verhältnis beider Fraktionen hinterlassen. „Das war ein Ritt auf der Rasierklinge“, sagt ein führender SPD-Politiker einen Tag nach der mühsam beschlossenen Resolution gegen den Volksentscheid.
Beide Seiten hatten sich mehrere Wochen über eine gemeinsame Haltung gegenüber dem Gesetzentwurf zur Rekommunalisierung gestritten. Aus dem übergeordneten Interesse, die Koalition nicht zu gefährden, sei schließlich die Einigung erfolgt, hieß es am Freitag. Aber der Streit hat das Vertrauen zwischen dem Zweckbündnis der großen Koalition beschädigt.
Bei den anstehenden Entscheidungen werden beide Seiten nun noch genauer darauf achten, die eigenen Interessen nicht zugunsten des Koalitionspartners aufzugeben. Schon am Montag wird es dazu Gelegenheit geben, wenn sich die Fraktionsspitzen von SPD und CDU erneut treffen. Da stehen die Themen Wohnungsbaufonds, Personal in den Bezirken und das geplante Mindestlohngesetz auf der Agenda.
Probleme beim Volksentscheid noch nicht vom Tisch
„Wir werden das konzentriert abarbeiten“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Heiko Melzer. Doch auch hier lauert Streitpotenzial. Die SPD will das Mindestlohngesetz unbedingt noch vor der Bundestagswahl am 22. September verabschieden, die CDU ist zurückhaltender.
Aber auch bei der Frage des Volksentscheids sind die Probleme nicht vom Tisch. Derzeit versucht Staatssekretär Björn Böhning in der Senatskanzlei die beiden unterschiedlichen Standpunkte in eine gemeinsame Senatsvorlage zu gießen. Die CDU setzt auf die Privatwirtschaft, die SPD auf Rekommunalisierung. Die SPD will das Stadtwerk unbedingt noch vor dem Volksentscheid gründen, die CDU spielt auf Zeit.
„Wir wollen erst ein Konzept sehen, das zeigt, dass sich ein Stadtwerk selbst trägt und wirtschaftlich arbeitet“, sagt Melzer. „Unser Weg ist seit einem Jahr klar: Wir wollen ein Öko-Stadtwerk, das öffentlich kontrolliert wird“, sagt dagegen SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch bei der finanziellen Ausstattung. Während die SPD mehr Geld als die bislang geplanten 1,5 Millionen Euro in den Haushalt einstellen will, zeigt sich die CDU skeptisch. „Dass es automatisch mehr Geld gibt, sehen wir nicht“, so Melzer am Freitag.
Streit eskalierte zwischen SPD und CDU
Der Streit über die Energienetze hatte sich über Monate hochgeschaukelt. Den Auslöser dafür bildete ein Beschluss des SPD-Landesvorstandes, den Antrag der Initiatoren zur Rekommunalisierung der Energienetze zu übernehmen. Die CDU warf der SPD daraufhin Wortbruch vor.
Anfang dieser Woche eskalierte der Streit, nachdem Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) einen Resolutionsentwurf gegen den Entscheid ohne Absprache mit der SPD veröffentlichte, die nun ihrerseits der CDU Wortbruch vorwarf. Noch am Donnerstag soll es zwischen den beiden Fraktionschefs Florian Graf (CDU) und Saleh in dieser Frage laut geworden sein. Beide Seiten warnten davor, das mühsam aufgebaute Vertrauen zu gefährden.
Nach außen bemühen sich die Koalitionspartner dagegen um Beschwichtigung. „Ich glaube nicht, dass etwas zurückbleibt“, sagt Melzer. Saleh stimmt zu. „Wir wollen ja noch drei weitere Jahre zusammen regieren.“