Bei der Unternehmertafel von Kienbaum und der Morgenpost haben Experten mit Senator Müller diskutiert, wie günstige Mieten in Berlin gesichert werden können. In einem Punkt waren sich alle einig.

Es wird gebaut in Berlin. 30.000 neue Wohnungen seien in Berlin konkret in der Planung, sagte der Projektentwickler Klaus Groth. Es sei gelungen, die Planungsverfahren zu beschleunigen. Nichts deute deshalb darauf hin, so der Eigentümer der Groth Development GmbH & Co. KG, dass es in Berlin nicht gelingen werde, 10.000 neue Wohnungen im Jahr fertigzustellen.

Die Teilnehmer der Unternehmertafel von Kienbaum und der Berliner Morgenpost wollten diesem Befund nicht widersprechen. Aber eine schwierigere Frage dominierte die Diskussion im Journalistenclub von Axel Springer: Wie kann es gelingen, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, den sich auch ärmere Leute leisten können? Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) wollte noch nicht von Wohnungsnot in der Stadt sprechen. Es gebe gute Lagen zu sehr bezahlbaren Preisen, vor allem außerhalb des S-Bahnrings. „Aber es zeichnet sich ab, dass es in der nächsten Zeit knapper und teurer wird“, sagte der Sozialdemokrat: „Da wird es auch Verlierer geben.“ Der Zensus ändere nichts an der Aufgabe. „Der Neubau ist nicht passé aufgrund der neuen Einwohnerzahlen.“

Wohungen auch in Berliner Außenbezirken nachgefragt

Die Wohnungsgesellschaften spüren die neue Lage. „Es muss etwas geschehen“, sagte Frank Bielka, Chef der kommunalen Wohnungsgesellschaft Degewo. Die öffentlichen Unternehmen seien in der Lage, 2500 neue Wohnungen im Jahr zu erstellen, aber nicht alles, was benötigt wird. Man müsse die Leistungsfähigkeit der Unternehmen realistisch einschätzen. Maren Kern, Vorstand des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, mahnte an, über eine „Verschärfung der Maßnahmen“ nachzudenken. Denn die steigende Nachfrage schlage auch auf die Außenbezirke durch. „Spandau und Marzahn haben einen größeren Zuwachs als erwartet“, sagte Kern.

Jörg Schwagenscheidt, Vorstand der GSW Immobilien AG, sagte, der Leerstand in seinem Unternehmen mit mehr als 60.000 Wohnungen sei von acht auf nun 2,8 Prozent gesunken. Um neu zu bauen, brauchten Investoren die höhere Marktmiete, sagte der Manager: „Aber wir haben nicht die Instrumente, um dafür zu sorgen, dass nicht so viele Menschen durch den Rost fallen.“

Berliner Mieterverein fürchtet um Sozialwohnungen

Dieser Aussage stimmte Reiner Wild zu. Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins ist sicher, dass Neubau die Nachfrage nicht befriedigen wird: „Junge Menschen ohne hohes Einkommen brauchen eine sozial-orientierte Wohnraumversorgung.“ Gleichzeitig verliere die Stadt aber jedes Jahr Sozialwohnungen, weil sie aus der Bindung herausfielen. „In wenigen Jahren werden wir keine Sozialwohnungen mehr haben“, sagte Wild.

Die Vertreter der Wohnungswirtschaft wiesen aber darauf hin, dass auch Neubau im hochpreisigen Segment den Wohnungsmarkt für die Normalverdiener entlaste. „Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen kommt oft von außen“, sagte Hiltrud Sprungala, Geschäftsführerin des Berliner Landesverbandes des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. Das führe nicht zu einer Verdrängung auf dem Mietermarkt. Entwickler Groth sagte, seine Käufer oder Mieter seien zu 40 Prozent Berliner, die dann anderswo eine Wohnung frei machten.

Aus Sicht von Anke Hoffmann, Geschäftsführerin und Partnerin von Kienbaum Berlin, ist die Wohnungsfrage entscheidend für die wirtschaftliche Zukunft Berlins. Münchener Verhältnisse mit entsprechenden Mieten könne niemand wollen. „München hat für Kandidaten erheblich an Attraktivität verloren“, berichtete sie aus ihrer Praxis als Personalberaterin. In der Runde wurden Zweifel laut, ob es wirklich sinnvoll sei, teure Neubauten auf ein Mietniveau von fünf oder sechs Euro herunter zu subventionieren. „Wir könnten auch den Neubau fördern und der Investor muss dafür Belegungsrechte im Bestand nachweisen“, sagte Arnt von Bodelschwingh, Geschäftsführer der RegioKontext GmbH, einer auf den Wohnungsmarkt spezialisierten Beratungsgesellschaft.

Degewo-Chef warnt vor Schwarzmarkt mit hohen Abstandszahlungen

Auch Ulrich Kissing, Vorstandschef der landeseigenen Investitionsbank Berlin, über die der Senat einen Teil der Wohnungsbauförderung abwickeln möchte, warb für diesen Weg. „Wir müssen überlegen: Wo bekommen wir mehr fürs Geld“, sagte der Banker. Es mache keinen Sinn, Mieten am Gendarmenmarkt abzusenken. Dann müsste die Stadt nicht den Neubau von elf Euro Marktmiete pro Quadratmeter auf sechs Euro heruntersubventionieren, sondern eben nur die Altbaumiete von 7,50 Euro auf sechs Euro und so mit dem vorhabenden Geld mehr günstigen Wohnraum sichern. Ein solches Vorgehen setzt allerdings hohe Anforderungen an die bezirklichen Wohnungsämter. Und da sind die Erfahrungen aus der Praxis nicht immer positiv. GSW-Vorstand Schwagenscheidt sagte, „die Bezirke sind zum Teil nicht in der Lage, die Belegungsrechte auch auszuüben.“ Überhaupt sei es in Berlin sehr schwierig, die vielen kleinen privaten Eigentümer zu regulieren.

Frank Bielka von der Degewo warnte vor der „Illusion, in nachgefragten Gebieten niedrige Mieten durchsetzen zu können“. Werde das versucht, entstehe ein Schwarzmarkt mit hohen Abstandszahlungen, die Altmieter oder Hauseigentümer den Neumietern abforderten. Mieterbund-Chef Wild wies darauf hin, dass Menschen schon wieder solche Praktiken beklagten. „Ein typisches Phänomen in Knappheitssituationen.“

Berlin braucht mehr Wohnungsbau

Die Runde war sich einig, dass mehr Wohnungsbau nötig ist. Makler Dirk Wohltorf, Vorstandsvorsitzender des Immobilienverbandes Deutschland IVD, warnte, politische Entscheidungen könnten die Bautätigkeit behindern. Das gelte für die Mietpreisbremse, die nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wie SPD und Grüne auf Bundesebene befürworte. Demnach dürften Mieten im Bestand bei Neuvermietung nur noch 15 Prozent über dem Mietspiegelniveau liegen. Wohltorf sagte, diese Regel könne private Investoren vom Neubau abschrecken. Denn vom Erstmieter könne man zwar die Marktmiete von zehn oder elf Euro nehmen. Aber sobald dieser Mieter auszieht, dürfe der Vermieter nur noch die Mietspiegel-Miete von vielleicht 7,50 Euro verlangen. Das könnte die Finanzierung eines Projektes sprengen, warnte Wohltorf.

Projektentwickler Groth regte ein breites Bündnis an, um den Wohnungsbau in Berlin voranzubringen. Auch die privaten Investoren seien sicher bereit, ein soziales Angebot vorzuhalten. Senator Müller sagte, er würde diese Anregung gerne aufgreifen und die Vereinbarungen des Senats mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften auch für private Anbieter öffnen. Morgenpost-Anzeigenleiter Robert Burghardt warb für eine Kampagne, um die Akzeptanz für den Neubau zu erhöhen. Denn bei fast allen Vorhaben gebe es Proteste von Nachbarn oder Bürgerinitiativen. Degewo-Chef Bielka erinnerte an die Neubauprogramme im Berlin der 90-er Jahre. „Die Konflikte waren damals die gleichen, das muss man durchhalten.“

Reinhold Dellmann, Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau, die die kleinen und mittelständischen Baubetriebe vertritt, geht das alles viel zu langsam. Noch gebe es keine Mittel für die Neubauförderung, auch keine städtischen Grundstücke. Dabei seien Instrumente da, Brandenburg betreibe seit Jahren Wohnungsbauprogramme, sagte der frühere brandenburgische Infrastrukturminister. „Mich wundert, wie lange man braucht, um die Entscheidungen zu treffen, wen man eigentlich unterstützen und auf welche Summe man Mieten subventionieren wolle. Senator Michael Müller sagte, es gehe nicht um diese Legislaturperiode, sondern darum, jetzt die Instrumente zu entwickeln, die man für die nächsten 15 Jahre einsetzen könne.