Pferdesport

So feiert die Trabrennbahn Mariendorf den 100. Geburtstag

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Katrin Lange

Foto: Martin U. K. Lengemann

Die Berliner Trabrennbahn feiert sich mit mehreren Veranstaltungen. Insgesamt sind vier Jubiläumsrenntage angesetzt. Los geht es am Sonntag mit dem „100 Jahre Mariendorf Geburtstagsrennen“.

Es war das Rennen seines Lebens. Ein Rennen, das alles bot: Spannung, Überraschung, ein Täuschungsmanöver und sportliche Fairness. Peter Kwiet war gerade 16 Jahre alt und sollte eigentlich Bäcker werden. Ihn zog es aber auf die Trabrennbahn Berlin-Mariendorf. Sein Vater – ein Vieh- und Pferdehändler – gab ihm eine Chance.

Beim Großen Preis von Mariendorf im Jahr 1956 ließ er ihn auf der 4200 Meter-Distanz starten. „Ich war so aufgeregt, dass ich vergaß, die Runden zu zählen“, erinnert sich der heute 73-Jährige. Er fragte einen neben ihm fahrenden Kollegen, der behauptete: „Noch einmal herum!“

Kwiet ließ sein Pferd Haddy weiter traben, als er bemerkte, wie Gerhard Krüger – damals schon ein bekannter Fahrer – zum Schlussspurt ansetzte. Krüger wiederum spürte, dass etwas nicht stimmte und raunte dem Neuling zu: „Auf was wartest du denn?“ Am Ende lieferten sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, über den Ausgang entschied das Zielfoto. Der Sieg ging an Peter Kwiet, der ihn heute mit den Worten kommentiert: „Das war eine halbe Sensation.“ Und Krüger, der 15 Jahre Ältere, nahm es sportlich. „Die Jungen müssen auch mal ran“ – so sah er das Rennen.

Heute sind beide, Gerhard Krüger und Peter Kwiet, Rennsportlegenden. Der 88-jährige Krüger feierte mehr als 5000 Erfolge im Sulky, Kwiet genau 4358. Sie verbindet eine Freundschaft, die über die Jahrzehnte hielt und eng mit der Trabrennbahn Mariendorf verbunden ist. Peter Kwiet ist der zweite Vorsitzende des Berliner Trabrenn-Vereins, noch heute verpassen beide keinen Renntag.

Historische Parade am 12. Mai 2013

Sie werden auch dabei sein, wenn am kommenden Sonntag (12. Mai 2013) der amtierende Berliner Champion Thorsten Tietz (35) beim Jubiläumsrennen zum 100-jährigen Bestehen der Trabrennbahn Mariendorf startet. Alle drei sind ins Kino am Bundesplatz gekommen, um auf die Feierlichkeiten hinzuweisen und das Publikum für den Pferderennsport zu begeistern.

Der runde Geburtstag wird mit mehreren Veranstaltungen gefeiert. Insgesamt sind vier Jubiläumsrenntage angesetzt: am 12. Mai, 30. Juni, 28. Juli und am 28. September 2013. Wiederbelebt wird das zuletzt 2001 ausgetragene Matadoren-Rennen, bei dem die besten Traber aller Jahrgänge starten dürfen. Das Rennen ist mit 100.000 Euro dotiert und wird im Rahmen der Großen Derbywoche vom 27. Juli bis 4. August 2013 stattfinden.

Bereits am Sonntag wird eine Ausstellung über die Geschichte der Rennbahn eröffnet. Zuschauer können zudem eine historische Sulky-Parade erleben mit Gefährten, die teilweise älter als 100 Jahre sind, aber auch hochmodern.

Als die Trabrennbahn Mariendorf 1913 eröffnet wurde, war sie eine der letzten neugegründeten Rennbahnen. Sie avancierte aber schnell zu einer der größten und meistbesuchten in Deutschland. Zuvor hatten sich Rennvereine in Weißensee, Westend und Ruhleben gegründet. Die Geschichte des Berliner Rennsports geht aber noch weiter zurück. Sie führt zu dem russischen Zirkusdirektor Albert Salamonski, der im Jahr 1876 wilde Straßenrennen in Berlin veranstaltete, bei denen er seine Pferde gegen die von privaten Besitzern antreten ließ. Die Schaulustigen sorgten regelmäßig dafür, dass der Verkehr zusammenbrach. Das erste Trabrennen fand 1877 in Weißensee statt. Die Galopprennbahn Hoppegarten wurde bereits 1868 und die Hindernis- und Jagdrennbahn Karlshorst 1894 eröffnet. Die Karlshorster Rennbahn ist nach 1945 zu einer Trabrennbahn umgebaut worden.

Von der Eröffnung am 9. April 1913 gibt es keine bewegten Bilder, sondern nur Fotos. Die Straßenbahn-Linie 99 endete an der Trabrennbahn und bot vom Oberdeck ein hervorragende Aussichtsplattform. Doch bereits im ersten Jahr stand der Mariendorfer Rennverein aufgrund von Misswirtschaft vor der Pleite.

Prominente auf der Tribüne

Rettung kam in Gestalt des jüdischen Verlegers Bruno Cassirer, der mit seinem Vermögen und seiner Leidenschaft den Mariendorfer Rennverein unterstützte, bis er 1938 ins Exil flüchten musste.

In den 50er-Jahren profitierte die Mariendorfer Trabrennbahn vom Wirtschaftswunder. Zehntausende kamen an den Renntagen. Während der Berlinale zeigten sich Prominente wie Romy Schneider, Lilo Pulver oder Gina Lollobrigida auf den Zuschauertribünen. Einige stiegen sogar in einen Sulky und fuhren werbewirksam eine Runde. Es war die Zeit, in der Johannes Frömming und Gerhard Krüger die Stars der Rennbahn waren.

Gerhard Krüger hatte 1949 seinen größten Triumph gefeiert. In diesem Jahr startete er beim Deutschen Derby in Mariendorf und in Karlshorst. Er gewann beide Rennen. „Das ist nur einmal passiert“, sagt Krüger. Das Publikum habe ihn in Ost und West gleichermaßen gefeiert. Die Liebe zu den Pferden kannte keine Grenzen. Nach dem Mauerbau ging Krüger ins Ausland und kehrte nach Jahrzehnten in Italien wieder nach Berlin zurück.

Der Mauerfall brachte eine erneute Wende. Die Einnahmen gingen zurück, teils weil die Internetwetten zunahmen, teils weil die Pferdehalter ins Berliner Umland abwanderten. Sogar vom Verkauf der Trabrennbahn war die Rede, was von der Politik verhindert wurde. Dennoch wurden Grundstücksteile verkauft und bebaut, um den Verein zu sanieren.

Die Rettung kam wieder in Gestalt einer Einzelperson. Diesmal ist es Ulrich Mommert, der die Trabrennbahn vor einigen Jahren kaufte. „Die Zukunft der Rennbahn hängt am seidenen Faden“, sagt der Berliner Champion Thorsten Tietz. Ohne Mommert gäbe es sie vielleicht gar nicht mehr. Für ihn und auch für Gerhard Krüger und Peter Kwiet ist Ulrich Mommert der Bruno Cassirer von heute. Sie hoffen, dass der Pferderennsport wieder einen Aufschwung erlebt. „Der Fußball und die vielen Wetten, die im Angebot sind, haben die Rennen in den Hintergrund gedrängt“, sagt Gerhard Krüger.

Auf die Frage, was der Pferdesport für sie bedeute, haben alle drei nur eine Antwort: „eine Lebensaufgabe.“ Wer einmal damit zu tun habe, komme nie wieder davon los. Peter Kwiet steht heute noch spätestens um 4.30 Uhr auf, um Pferde zu trainieren. Vielleicht nimmt er auch mal wieder an einem Rennen teil. Die Lizenz dafür hat er, trotz seines Alters. „Ich fühle mich wohl, sagt Kwiet.

Beim Jubiläumsjahr macht auch das Kino am Bundesplatz mit. Der Betreiber Peter Latta will ab Herbst eine Reihe mit Filmen zeigen, die von Pferderennen handeln. „Etwa 400 Filme gibt es, die meisten aus den USA, Großbritannien und Frankreich“, sagt Latta. „Die Bestechlichen“ gehört dazu und werde mit Sicherheit zu sehen sein.