Der 1. Mai 2012 blieb in Berlin nicht gewaltfrei - doch dauerte der Krawall nicht lang. Die “Revolutionärer 1. Mai“-Demo wurde abgebrochen.
Nachdem die Walpurgisnacht vor dem 1. Mai für Berliner Verhältnisse einigermaßen friedlich abgelaufen war, hat sich am 1. Mai selbst die auch in diesem Jahr die Hoffnung auf einen komplett friedlichen Tag nicht erfüllt.
1. Mai in Berlin, die vorläufige Bilanz: Polizisten wurden mit Steinen, Flaschen, Knallkörpern beworfen, ein Polizei-Wachhäuschen vor dem Jüdischen Museum wurde zerstört, Bankfilialen, Tankstellen und Geschäfte wurden angegriffen, Mülltonnen angezündet. Es gab Krawall, daraufhin wurde die „Revolutionärer 1. Mai“-Demonstration um 21.13 Uhr abgebrochen, weniger als zwei Stunden nach Beginn.
Bis zum Abend - die „Revolutionärer 1. Mai“-Demonstration war verspätet gegen 19.30 gestartet - war es friedlich geblieben. Bis zu 36.000 Menschen besuchten das Myfest in Kreuzberg. Auf zahlreichen Bühnen spielten Bands. Geschäfte und Anwohner boten bei dem Straßenfest internationale Spezialitäten an. Mehrere tausend Menschen waren in Berlin am Vormittag einem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zur traditionellen Mai-Kundgebung vor dem Brandenburger Tor gefolgt.
Unsere Videoreporter dokumentieren den 1. Mai in Berlin
Wieder Attacken aus der „Revolutionärer 1. Mai“-Demo
Die Polizei griff durch, nachdem – wie auch in den Jahren zuvor – Attacken aus dem Zug der „Revolutionärer 1. Mai“-Demonstrationen kamen. Rund 10.000 Teilnehmer waren laut Polizei dieses Mal vom Lausitzer Platz aus losgezogen. Die Veranstalter sprachen von bis zu 25.000 Teilnehmern. Ursprüngliches Ziel des Marsch unter dem Motto „Der Druck steigt – für die soziale Revolution“ war der Bebelplatz. Doch in der Lindenstraße wurde die Demonstration bereits beendet.
2011 waren 9000 Menschen zur „Revolutionärer 1. Mai“-Demonstration gekommen: Seinerzeit gab es 103 Festnahmen und 75 verletzte Polizisten. Diese Zahlen stehen für 2012 noch aus, die Polizei legt sie im Laufe des Mittwoch vor. Festnahmen und verletzte Beamte gab es in diesem Jahr auch, ebenso Sachbeschädigungen. Doch scheint es so zu sein, dass die Polizei ähnlich wie im vergangenen Jahr die Randalierer unter den Demonstranten schnell im Griff hatte.
Ansprache auf Englisch für Protest-Touristen
Unter denen schienen sich nicht zuletzt allerhand Protest-Touristen befunden zu haben. Nachdem vor dem Jüdischen Museum die Gewalt eskaliert war, appellierten die Veranstalter der Demonstration auch auf Englisch über Lautsprecher, den Ort des Geschehens zu verlassen und nach Kreuzberg zurückzumarschieren.
Laut Polizei bat der Versammlungsleiter darum, den Aufzug zu beenden, weil er die Verantwortung nicht mehr tragen könne. Per Megafon verkündete der, dass „aufgrund von schweren Straftaten“, die Demonstration beendet werden müsse. Allerdings machte der Veranstalter die Polizei für die Zwischenfälle verantwortlich: Die Sicherheitskräften hätten eine Eskalation der Situation herbeigeführt: „Wir wollten eine friedliche Demonstration im Zentrum der Macht“, hieß es in Lautsprecherdurchsagen.
Schwarzer Block an der Spitze
Zunächst hatten Beamte versucht, den schwarzen Block an der Spitze der Demonstration zurückzudrängen. Schwarz gekleidete Demonstranten hatten versucht, in der Nähe des Verlags Axel Springer aus Bauzäunen Barrikaden zu errichten. Die Polizei griff mehrere Demonstranten gezielt aus der Menge und führte sie ab.
Die Polizei hatte sich anfangs deutlich zurückgehalten – obwohl schon zu Beginn der Demonstration Steine und Flaschen geworfen worden waren. Einzelne Demo-Teilnehmer hatten sich bereits am Ausgangspunkt des Aufzuges, am Lausitzer Platz, vermummt und mit Steinen und anderem Wurfmaterial eingedeckt.
Innensenator ist "überwiegend zufrieden"
„Unser Ziel war es, eine friedliche Mai-Demonstration zu erreichen. Das haben wir aber leider nicht geschafft“, sagte Polizeisprecher Stefan Redlich. Die Polizei habe ihr Möglichstes getan. Redlich sagte, die Gewalt sei eingedämmt worden. Damit sei die Doppelstrategie der Polizei aufgegangen. „Wir reden mit allen, die mit sich reden lassen.“ Es habe viele Menschen gegeben, die ihre politischen Ziele friedlich rüberbringen wollten. „Doch einige Leute haben die Gewalt gesucht.“
Trotz der abendlichen Ausschreitungen zeigte sich Innensenator Frank Henkel (CDU) „überwiegend zufrieden“. Die allermeisten Veranstaltungen seien friedlich verlaufen, für eine abschließende Bewertung sei es allerdings noch zu früh, sagte der Senator.
Zu dem Zeitpunkt, als die Demonstration abgebrochen wurde, ließ sich Henkel im Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke auf den neuesten Stand der Lage in Kreuzberg bringen. Er lobte die Arbeit der Polizei: „Die Beamten leisten sehr gute Arbeit vor Ort“, sagte Henkel. Egal ob in der Walpurgisnacht, tagsüber am Maifeiertag selbst oder auch am Abend, als die Demonstration eskalierte, stets seien die Einsatzkräfte höchst professionell gewesen.
70 Neonazis, 550 Gegendemonstranten
Ursprünglich sollte die „Revolutionärer 1. Mai“-Demo in diesem Jahr erstmals bis nach Mitte führen, über die Wilhelmstraße und den Boulevard Unter den Linden zum Endpunkt Bebelplatz. Nachdem sie weit vorher abgebrochen worden war, strömten zahlreiche teils vermummte Demonstranten in Kleingruppen zurück in nach Kreuzberg. Dort bezogen am Abend auch starke Einheiten der insgesamt 7000 Polizisten Stellung, um mögliche Übergriffe randalierender Autonomer auf Besucher des Myfest zu verhindern.
Dort, am Kottbusser Tor, wurden Polizisten spätabends wieder mit Steinen, Flaschen und Böllern attackiert, nach Berichten von Augenzeugen vor allem von schwarz gekleideten Personen: Die versuchten nach den Attacken immer wieder, sich unter die Feiernden auf dem Myfest zu mischen. Die Polizei riegelte den Platz ab, Störer wurden gezielt aus der Menge gegriffen und abgeführt.
Bereits am Dienstagnachmittag hatte die NPD zu drei Kundgebungen in den Berliner Stadtteilen Hellersdorf und Hohenschönhausen aufgerufen. Die Resonanz blieb jedoch dürftig, gerade mal 70 Rechte fanden sich ein. Etwa 550 Gegendemonstranten protestierten friedlich gegen die rechten Aufmärsche.
BMO