Die Veranstalter des umstrittenen BMW Guggenheim-Lab haben ihre Entscheidung zum Rückzug aus Berlin-Kreuzberg offenbar eigenständig getroffen. Die Sicherheitsbehörden hätten "zu keinem Zeitpunkt empfohlen", auf das Projekt zu verzichten, sagte die amtierende Polizeipräsidentin, Margarete Koppers, am Mittwoch im parlamentarischen Innenausschuss. Die Opposition verwahrte sich dagegen, Kritikern pauschal Gewaltbereitschaft zu unterstellen.
Es habe eine "abstrakte Gefährdungseinschätzung" gegeben, sagte Koppers in der von der Opposition beantragten Sondersitzung. Die Polizei habe die Veranstalter aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen und aktueller Debatten im Internet darüber informiert, dass möglicherweise mit einer Besetzung oder Sachbeschädigungen zu rechnen sei. Angriffe auf Personen hätten in den Diskussionen der Kritiker keine Rolle gespielt. "Wir hatten keine konkreten Hinweise auf konkrete Straftaten", sagte Koppers.
Die Veranstalter hatten den geplanten Standort des Projekts in Kreuzberg wegen Anwohnerprotesten und angeblicher Gewaltakte aufgegeben. Ein neues Domizil wird noch gesucht. Medienberichten zufolge soll das Guggenheim-Lab als temporäre Ideenfabrik auf dem Pfefferberg im Stadtteil Prenzlauer Berg entstehen. Der Sponsor BMW wollte sich zu diesen "Spekulationen" jedoch nicht äußern.
Kritiker fühlen sich provoziert
Nach Darstellung von Koppers wird das Projekt bei den Gegnern in Kreuzberg als "Provokation" angesehen. Sie befürchteten durch solche Veranstaltungen die weitere Verdrängung von Familien wegen steigender Mieten. Zugleich werde BMW unter anderem vorgeworfen, während des NS-Regimes Zwangsarbeiter ausgebeutet zu haben.
Bei den Veranstaltern sei Mitte März ein anonymes Fax eingegangen, in dem der "Stopp" des Projekts angekündigt worden sei, sagte Koppers. Auch im Internet hätten Gegner erklärt, es verhindern zu wollen, ohne konkrete Maßnahmen zu nennen. Polizeischutz hätten die Veranstalter abgelehnt, weil sie befürchteten, dass dies erst Recht als Provokation empfunden werden könnte. Sie wollten stattdessen für ein eigenes Sicherheitsteam sorgen.
Gemeinsames Sicherheitskonzept geplant
Innensenator Frank Henkel (CDU) kritisierte erneut "Einschüchterungsversuche" vonseiten der Kritiker. "Die geistigen Erben von Gandhi sind es nicht, mit denen wir es hier zu tun haben", sagte er unter Hinweis auf den indischen Pazifisten. Er habe kein Verständnis für „Gewaltaufrufe“, die für ihn ein „Zeichen der Intoleranz“ seien. Die "aggressive Haltung" schade der Stadt.
Die Grünen-Stadtentwicklungsexpertin Antje Kapek aus Friedrichshain-Kreuzberg lobte grundsätzlich das Engagement von Menschen für ihren Kiez. Zu der Empörung habe offenbar beigetragen, dass deren Probleme wie drastische Mieterhöhungen bisher nicht ernst genommen worden seien. Zugleich distanzierte sie sich wie auch Linke-Innenexperte Uwe Doering von jeglichen Gewaltaufrufen.
Der Piraten-Abgeordnete Christopher Lauer sagte, es sei schon ein Unterschied, ob Gewalt gegen Sachen oder Menschen angedroht werde. Frank Zimmermann von der SPD kritisierte daraufhin die Relativierung von Straftaten. Er rief die Abgeordneten auf, zur Deeskalation beizutragen. CDU-Innenexperte Robbin Juhnke warnte, Erpressung dürfe es in einer freiheitlichen Stadt nicht geben.
Koppers betonte, Berlin habe einen Ruf als Stadt der Vielfalt und Freiheit, den es zu schützen gelte. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass Drohungen mit Straftaten zum Rückzug von Unternehmen führten.
Die Berliner Polizei will einen neuen Standort des umstrittenen Guggenheim-Labs schützen. "Sobald das Kuratorium eine Entscheidung über einen Standort getroffen hat, werden wir ein gemeinsames Schutzkonzept erstellen", kündigte die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers am Mittwoch im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses an. Der Schutz gelte sowohl für die Freiheit von Ausstellungen als auch von Kritik.
Es gab drei Sicherheitsgespräche mit den Veranstaltern
Ob die Guggenheim-Debatte zu dem nun angekündigten Polizeischutz für das Lab führte, blieb unklar. Zuletzt hatte ein Polizeisprecher betont, dass politischer Druck keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Polizei hätten. Maßnahmen richteten sich allein nach der Gefahrenbewertung des Landeskriminalamtes (LKA). Wie der Schutz konkret aussehen könne, ließ Koppers offen. Zuvor hieß es, dass etwa eine verstärkte Polizeipräsenz mit Streifenwagen oder ein permanenter Objektschutz vorstellbar sei.
Insgesamt führten LKA-Beamte drei Sicherheitsgespräche mit den Veranstaltern, das letzte am 20. März – dem Tag der Absage. In dem Telefonat mit der Sicherheitsabteilung des Sponsors BMW sei es auch um alternative Standorte gegangen, sagte Koppers. Allerdings hatten LKA-Sicherheitsexperten betont, dass Proteste generell nie ausgeschlossen werden könnten.
Unterdessen wurden Gerüchte laut, dass die Organisatoren sich doch wegen der Proteste zurückgezogen haben könnten. Von den Grünen hieß es, BMW habe als Sponsor befürchtet, die negativen Schlagzeilen könnten das Image des Konzerns beschädigen. Der zuständige Pressesprecher war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Für viele Lab-Kritiker ist vor allem die Geldgeberrolle von BMW ein Anstoß. Für Unmut sorgte etwa BMW-Marketing-Chef Uwe Ellinghaus mit seiner Äußerung im vergangenen Jahr, dass es nicht nur darum gehe, "möglichst viel für kulturelles Engagement auszugeben, sondern um eine langfristige, positive Wahrnehmung des Unternehmens als auch der Reputation der Marke BMW"
Nach der Absage hatte sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) für ein Ersatzgrundstück stark gemacht. Eine Entscheidung soll bis Ende nächster Woche fallen. Im Gespräch ist auch der Pfefferberg in Prenzlauer Berg. Nach Medien-Informationen unter Berufung auf Guggenheim-Kuratoren soll die Entscheidung für den Standort bereits gefallen sein. Das Gelände war schon bei den anfänglichen Planungen im Gespräch. Allerdings regt sich auch dort Widerstand – entsprechende Ankündigungen gibt es bereits im Netz