Berlin hat eine neue Landesregierung. Nachdem die neuen Senatoren vereidigt wurden, ging es gleich zur ersten Sitzung ins Rote Rathaus. Dabei wurden die ersten Entscheidungen gefällt - über das Personal.
Die Eingangshalle des Abgeordnetenhauses füllt sich zügig am Donnerstagvormittag. Es ist halb elf und zwischen den ausladenden Treppen hinauf zum Plenarsaal bilden sich kleine Menschengruppen. Man kennt sich, küsst zur Begrüßung rechte und linke Wange, freut sich. „Heute ist ein guter Tag“, sagt Nafiz Demirel, ein kleiner Mann mit freundlichem Lächeln unter weißem Schnurrbart. Demirel ist ein bisschen aufgeregt, seine Tochter wird gleich zur Senatorin vereidigt. Dilek Kolat (44), nun zuständig für Arbeit, Integration und Frauen in Berlin, ist Demirels jüngste Tochter. „Ich bin sehr stolz auf sie“, sagt der 73-Jährige, der umringt ist von Verwandtschaft. Alle wollen sie die Vereidigung der neuen Senatorin sehen, ein halbes Dutzend Nichten, die Schwester, der Ehemann, auch Kolats Cousin, Ex-Basketballnationalspieler Mithat Demirel.
"Ich schwöre es"
Dilek Kolat war die dritte Senatorin, die in der feierlichen, aber schlichten Zeremonie ihren Eid schwor. Zuvor hatten die beiden Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, SPD-Stadtentwicklungssenator und Bürgermeister Michael Müller sowie CDU-Innensenator und Bürgermeister Frank Henkel geschworen. Beide übrigens mit der Formel: „So wahr mir Gott helfe.“ Während bei den Christdemokraten Mario Czaja (Gesundheit/Soziales), Michael Braun (Justiz/Verbraucherschutz) und Sybille von Obernitz (parteilos, Wirtschaft/Technologie/Forschung) die religiöse Formel nutzen, sprachen die Sozialdemokraten nur die weltliche Version. Kolat (Arbeit/Integration/Frauen), Sandra Scheeres (Bildung/Jugend/Wissenschaft) sowie Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) schlicht: „Ich schwöre es.“ Am Revers der meisten Senatoren leuchtete anlässlich des Weltaidstages die rote Solidaritätsschleife – die einzigen Farbflecken, denn der neue Senat präsentierte sich in schwarz, grau und dunkelblau.
Mit der Vereidigung endete eine mehrstündige Alleinregierung des Regierenden Bürgermeisters, zuvor waren ab Mitternacht seine ehemaligen Senatoren nicht mehr im Amt gewesen.
Glückwünsche von der Familie
Wie groß der Wechsel im Senat ist, zeigte auch ein Bild am Anfang der Sitzung. Bevor Abgeordnetenhauspräsident Ralf Wieland die neuen Senatoren zum Eid bat, hatten lediglich Wowereit und Nußbaum auf den Regierungsbänken Platz genommen. Sämtliche anderen Senatoren sind neu im Senat. „Ich freue mich natürlich, aber ich habe auch einen Heidenrespekt vor der neuen Aufgabe“, sagte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD). Anschließend gab es Glückwünsche von politischen Freunden, den Oppositionsführern und Familienangehörigen. Nicht nur Dilek Kolats Familie saß auf den Besuchertribünen. Auch Sandra Scheeres' Ehemann samt Söhnen schaute zu, Sybille von Obernitz hatte ihre Familie dabei, Mario Czajas Eltern warteten nach der kurzen Sitzung vor der Lobby auf ihren Sohn. Doch nach einem kurzen Glückwunsch mussten die Familien ihre Senatsmitglieder gleich wieder ziehen lassen. „Zeit zum Feiern wird es nicht geben“, sagte Dilek Kolat. Denn die neuen Senatoren mussten gleich zur konstituierenden Sitzung ins Rote Rathaus.
Der neue Gesundheitssenator Czaja musste sich erst noch in Raum 112 orientieren, wo sein Sitzplatz ist. Die Stimmung war aber gelöst. „Na, das ist doch einmal ein schöner Anblick“, sagte Kolat im Scherz zu Kulturstaatssekretär André Schmitz, der ihr gegenüber saß. Der antwortet charmant seiner Parteifreundin: „Ein doppelt schöner.“
Als eine der ersten Amtshandlungen wurden gleich vier Staatssekretäre entlassen. In den einstweiligen Ruhestand versetzt wurden Ulrich Freise und Thomas Härtel aus der Innenverwaltung sowie Maria Krautzberger aus der Stadtentwicklungsverwaltung. Mit Ablauf des 14. Dezember geht dann auch Monika Helbig in den einstweiligen Ruhestand.
Neue Staatssekretäre ernannt
Gleichzeitig ernannte der Senat auch die ersten neuen Staatssekretäre: Innensenator Henkel wird von Bernd Krömer, dem CDU-Generalsekretär, und Alexander Statzkowski als Staatssekretäre unterstützt. Der CDU-Kreisvorsitzende aus Charlottenburg-Wilmersdorf trat am selben Tag auch gleich als Sportstaatssekretär auf: bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den Vorsitzenden des Sportclubs Charlottenburg, Rüdiger Otto. Als weitere neue Staatssekretäre wurden Christian Gaebler (SPD, Stadtentwicklung), Mark Rackles (SPD, Bildung) sowie Sabine Toepfer-Kataw (CDU) und Alexander Straßmeir (CDU, beide Justiz/Verbraucherschutz). Der Wowereit-Vertraute Björn Böhning (SPD) wurde zum Chef der Senatskanzlei berufen. Kultur-Staatssekretär bleibt André Schmitz, Senatssprecher bleibt Richard Meng. Die Funktion der Bundes- und Europabeauftragten übernimmt Hella Dunger-Löper (SPD), die bisher als Staatssekretärin in der Stadtentwicklungsverwaltung arbeitete. Der Senat legte auch fest, wann er tagt: Immer dienstags. Auch die Urlaubsregelungen, wer dann wen vertritt, legte die Regierung fest. Nach nur einer halben Stunde war die konstituierende Sitzung beendet. Noch nicht ernannt, aber schon bestimmt wurde eine weitere Staatsekretärin in der Bildungsverwaltung: Sigrid Klebba (SPD), Abteilungsleiterin Jugend in der Bildungsverwaltung, steigt auf. Ihren Posten räumen muss die bisherige Staatssekretärin Claudia Zinke. Knut Nevermann soll sich als Staatssekretär weiterhin um die Hochschulen kümmern.
Kritik kam von der Grünen-Fraktionsvorsitzender Ramona Pop: „Die Ressortzuschnitte dienen nur der innerkoalitionären Machtverteilung und nicht dem Wohle der Stadt, wie die unsinnige Trennung zwischen Forschung und Wissenschaft deutlich zeigt.“ Zusätzlich genehmigten sich SPD und CDU einen großen Schluck aus der Pulle, indem sie die Zahl der Staatssekretäre von 17 auf 23 deutlich erhöhen.
Erwartungen der Verbände
Gewerkschaften und Verbände reagierten auf die Vereidigung der neuen Senatoren durchaus mit Wohlwollen. Eine große Verschnaufpause wollen sie ihnen aber nicht gönnen. „Sein Auftragsbuch ist voll“, sagte zum Beispiel der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Purper, in Richtung des neuen Innensenators. Man wolle durchaus die gute Zusammenarbeit mit der Behörde fortsetzen. Aber Henkel erwarte eine „Herkulesaufgabe“. So forderte Purper eine baldige Anpassung der Berliner Beamtenbesoldung an das Niveau der Bundesbehörden und einen Stopp des Personalrückgangs im öffentlichen Dienst.
Eine klare Erwartungshaltung hat indes auch der Landesjugendring an die neue Bildungssenatorin Scheeres. „Wir hoffen, dass mit Sandra Scheeres eine klare jugendpolitische Linie, die wir im Koalitionsvertrag noch vermissen, entwickelt wird“, schrieb die Organisation in einer Mitteilung.