Innerhalb von zwei Tagen haben vermutlich Linksextremisten an fünf Stellen Brandsätze an Bahnstrecken deponiert. Die Täter wählten wichtige Verkehrskotenpunkte aus, zwei Mal den Berliner Hauptbahnhof. Jetzt zeigt die Bundespolizei mehr Präsenz, doch eine lückenlose Überwachung gibt es nicht.

Nachdem am Dienstag erneut Brandsätze an Gleisen der Deutschen Bahn entdeckt worden sind, kündigt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) an, die Bahnanlagen besser zu schützen. „Ich habe aufgrund der Vorfälle angeordnet, die Streifen der Bundespolizei auf den Bahnanlagen im Großraum Berlin ab sofort zu verstärken“, sagte der Minister Morgenpost Online. „Wir verurteilen die Anschlagsversuche in aller Deutlichkeit“, so Friedrich weiter. „Durch die versuchten Brandanschläge wird meine Sorge über den zunehmenden Linksextremismus leider bestätigt.“

Auch die Deutsche Bahn verstärkt bundesweit die Kontrollen an ihren Gleisen. „Überall dort, wo wir wissen, dass wir gefährdete Infrastruktur haben, setzen wir momentan vermehrt Sicherheitskräfte ein und sensibilisieren die Mitarbeiter“, sagte ein Bahnsprecher am Dienstag. Gerd Neubeck, Leiter der Konzernsicherheit bei der Deutschen Bahn, wies aber darauf hin, dass 34.000 Kilometer Bahnstrecken in Deutschland nicht lückenlos zu überwachen seien. „Die Deutsche Bahn ist Opfer extremistischer Täter. Unsere Kontrollen haben jedoch gegriffen. Grundsätzlich ist und bleibt die Bekämpfung gewaltbereiter Gruppen Aufgabe des Staates“, so Neubeck.

Nur einen Tag nach der versuchten Brandattacke am Hauptbahnhof konnten am Dienstag weitere Anschläge am Hauptbahnhof, an einer Bahnanlage in Grünau sowie möglicherweise am S-Bahnhof Bornholmer Straße verhindert werden. Gegen 14.30 Uhr fanden Mitarbeiter der Deutschen Bahn zwei Brandsätze nördlich des Hauptbahnhofs an der Döberitzer Straße. Laut Polizei sei die Machart die gleiche wie bei den bisher gefundenen Brandsätzen. Sie seien an beiden Seiten der Bahntrasse mit vier Gleisen unweit eines Kabelschachts deponiert gewesen. Der Fundort befindet sich nur rund 500 Meter von dem Tunnel entfernt, in dem am Montag sieben Behälter mit brennbarer Flüssigkeit gefunden wurden.

Zuvor entdeckten am frühen Dienstagmorgen Bahnmitarbeiter auf einem Bahngelände am Grünauer Kreuz zwischen den Gleisen und einem Trafohäuschen insgesamt drei Brandsätze. Auch hier handelte es sich nach Angaben der Bahn wieder um Flaschen mit einer Flüssigkeit. Sie lagen in unmittelbarer Nähe von wichtigen Versorgungskabeln. Am Dienstagabend entdeckten Mitarbeiter der Deutschen Bahn dann verdächtige Gegenstände auf den Gleisen der S-Bahn im Nordosten Berlins im Bereich S-Bahnhof Bornholmer Straße. Die Polizei teilte später mit, dass es sich um insgesamt drei Brandsätze mit einer Flüssigkeit gehandelt habe.

Möglicherweise dieselben Täter

Nach Angaben der Polizei seien Parallelen zu den Brandanschlägen vom Montag am Hauptbahnhof und in der Nähe des Bahnhofs Finkenkrug zu ziehen. „Wir müssen davon ausgehen, dass es einen Zusammenhang gibt“, sagte ein Polizeisprecher. Nach Informationen von Morgenpost Online gehen die Ermittler davon aus, dass es sich um dieselben Täter handelt.

Der Leiter des Berliner Landeskriminalamtes (LKA), Christian Steiof, rechnet mit der Entdeckung weiterer Brandsätze in Bahnanlagen. Es sei davon auszugehen, dass die bislang gefundenen Brandsätze alle zur gleichen Zeit deponiert wurden, sagte Steiof am Dienstagabend in der RBB-„Abendschau“. Es müsse derzeit in Betracht gezogen werden, dass weitere Brandsätze in Bahngleisen liegen könnten. Mit Blick auf die zahlreichen Autobrände der vergangenen Wochen sagte Steiof, „ein anderes Niveau haben wir hier mit Sicherheit vorliegen“. „Ich gehe doch davon aus, dass wir es mit einer anderen Klientel zu tun haben, als bei den Autobränden“, sagte der LKA-Chef.

Bereits am Montag konnte am Hauptbahnhof ein Brandanschlag verhindert werden. Mitarbeiter der Deutschen Bahn fanden an der nördlichen Einfahrt zum Tunnel unter dem Bahnhof sieben Flaschen mit brennbaren Flüssigkeiten. Zuvor hatten Unbekannte in Brandenburg an der Bahnstrecke Berlin–Hamburg in einem Kabelschacht in der Nähe des Bahnhofs Finkenkrug zwei Brandsätze deponiert, einer davon zündete und zerstörte wichtige Signalkabel und Einrichtungen für die Zugsicherung. In einem im Internet veröffentlichten Schreiben bekannten sich Linksextremisten zu der Tat, mit der sie gegen den Afghanistan-Krieg protestieren wollten.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verurteilte die Anschläge: „Es kann keinerlei Verständnis für derart rücksichtslose und auch menschenverachtende Anschläge geben“. Keine noch so krude Ideologie rechtfertige kriminelle Aktionen. „Der Wachsamkeit von Bahnmitarbeitern und Sicherheitsbehörden ist es zu verdanken, dass keine Menschen zu Schaden kamen“, so Wowereit weiter.

Durch die Polizeieinsätze in Grünau und am Hauptbahnhof kam es am Dienstag erneut zu schweren Beeinträchtigungen im Bahnverkehr. S-Bahn- und Regionallinien mussten für mehrere Stunden unterbrochen werden. Fernzüge wurden umgeleitet. Nach dem Anschlag in Brandenburg war auch der Bahnverkehr im Nordwesten Berlins weiter gestört. Regionallinien waren unterbrochen. Im Fernverkehr wurden die ICE-Züge zwischen Berlin und Hamburg weiter umgeleitet. Auch am Mittwoch müssen Reisende noch mit Einschränkungen rechnen.

Als Konsequenz forderte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) den Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn auf, über eine bessere Kontrolle von Knotenpunkten und wichtigen technischen Anlagen nachzudenken. Körting verwies auf die guten Erfahrungen bei den Berliner Verkehrsbetrieben BVG.