Die A100 ist nur ein Punkt: Erneute Sondierungsgespräche zwischen SPD und Grünen haben begonnen - obwohl Koalitionsverhandlungen schon beschlossen sind. Bei der SPD macht jetzt der linke Flügel Druck für Rot-Grün, während die Parteispitze die CDU ins Spiel bringt.

Im Roten Rathaus hat die vorentscheidende dritte Sondierungsrunde zwischen SPD und Grünen begonnen. Er erwarte eine "konstruktive und nette" Atmosphäre, sagte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann: "Ich bin immer Optimist", so der Grüne beim Eintreten ins Rathaus. Bei den Gesprächen im Roten Rathaus - fünf Spitzen-Sozialdemokraten empfangen fünf führende Grüne - geht es es vordergründig um die Autobahn A100 und einen möglichen Kompromiss zwischen schwer zu vereinbarenden Positionen. Die SPD möchte die Trasse zwischen Neukölln und Treptow bauen, wenn der Bund bezahlt und das Geld sich nicht für Lärmschutz und Autobahnsanierungen an anderer Stelle in Berlin einsetzen lässt. Die Grünen sind durch ein 99-Prozent-Votum ihres Landesparteitags vom Freitag auf ein Nein festgelegt.

Spannend dürfte jedoch werden, wie hart sich die SPD-Verhandlungsführer Klaus Wowereit und Michael Müller zeigen. Denn ihnen sitzt der mächtige linke Parteiflügel im Nacken. Und den SPD-Linken wäre eine Absage des Wunschbündnisses wegen der ohnehin ungeliebten Autobahn schwer vermittelbar. Ein solcher Kurs könnte sogar die Position von Wowereit und Müller in der Partei gefährden.

Warnende Worte von links

Aus dem allgemeinen Schweigen meldete sich am feiertäglichen Montag der Linken-Sprecher Mark Rackles, der zur SPD-Delegation gehört, mit warnenden Worten: „Eine Runde am Dienstag kann auf keinen Fall den Beschluss des SPD-Landesvorstandes vom vergangenen Montag zurücknehmen, Koalitionsverhandlungen mit den Grünen aufzunehmen.“ Am Montag vergangener Woche hatte sich der SPD-Landesvorstand bei nur drei Gegenstimmen für Koalitionsgespräche mit den Grünen starkgemacht.

Eine denkbare Variante, den Knackpunkt A100 zu lösen, wäre laut Rackles, dass sich SPD und Grüne auf der Zeitschiene entgegenkämen. Sie müssten sich auf einen Termin einigen, bis zu dem die Möglichkeit der Umwidmung der A-100-Mittel verbindlich abgeklärt sein müsse, so Rackles. Das könnte 2013 sein. In diesem Jahr hoffen SPD und Grüne darauf, die schwarz-gelbe Koalition im Bund abzulösen. Sollte dies gelingen, wäre es vermeintlich leichter, den Bund zum Entgegenkommen zu bewegen.

Auch Grünen-Landeschef Daniel Wesener setzt auf die bisherige SPD-Position, mit den Grünen zu verhandeln: „Wenn die SPD-Spitze die Situation jetzt anders beurteilt, dann muss der SPD-Vorstand einen neuen Beschluss fassen.“

"Personalfragen stehen am Ende"

SPD-Landeschef Michael Müller hatte hingegen am Wochenende die Verlässlichkeit der Grünen infrage gestellt und von der Öko-Partei mehr Bewegung verlangt, nachdem die SPD ihnen mit der Zusage, eine Umwidmung der 420 Millionen Autobahn-Mittel zu prüfen, entgegengekommen sei. Ein Bündnis mit der CDU ist deshalb aus Müllers Sicht nicht unwahrscheinlich.

Jedoch baut sich in der zweiten Reihe hinter Müller bereits eine Phalanx aus strikten Rot-Grün-Befürwortern auf, die auch personell in der neuen Legislaturperiode ein wichtiges Wort mitsprechen will. So ist der linke Parteiflügel entschlossen, den Vorsitz der Abgeordnetenhausfraktion in die Hand zu bekommen, wenn Müller wie vielfach erwartet nach zehn Jahren an der Spitze der SPD-Parlamentarier in den Senat wechselt. Dem Vernehmen nach haben sich die Linken verständigt, dass nicht die Finanzexpertin Dilek Kolat nach dem Fraktionsvorsitz greifen soll. Für sie soll es nach dem Willen der Linken einen Platz in der Exekutive geben. Warm läuft sich aber der Spandauer Kreisvorsitzende Raed Saleh, bisher integrationspolitischer Sprecher der Fraktion. Offensiv äußern will sich der gebürtige Palästinenser nicht. Jetzt sei es erst einmal wichtig, eine stabile Regierung zu bilden, sagt der 34 Jahre alte Unternehmer. Personalfragen stünden am Ende. Aber: „Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen.“

Sollte also Michael Müller unter dem Regierenden Bürgermeister Wowereit das wichtige Ressort für Stadtentwicklung übernehmen, hätten dessen Gefolgsleute und die Parteirechten in der durch zahlreiche neue Abgeordnete noch stärker als bisher links gewirkten Fraktion wohl keine Mehrheit. Seinen treuen Helfer Christian Gaebler hat Müller verloren, weil der parlamentarische Geschäftsführer den Wiedereinzug ins Parlament verpasst hat. Der einzige Kandidat, der als Gegenspieler für Saleh infrage käme, wäre der Abgeordnete Frank Zimmermann. Er ist aber seit seinem Einsatz im Banken-Untersuchungsausschuss kaum in Erscheinung getreten.

Anders Saleh, der den starken Kreisverband Spandau und ein überdurchschnittliches Wahlergebnis dort im Rücken hat. Er war treibende Kraft bei den Versuchen, Thilo Sarrazin wegen seiner integrationspolitischen Thesen aus der Partei auszuschließen, und wirft Müller und Co. bis heute vor, sich zu spät eindeutig gegen Sarrazin positioniert zu haben. Und auch in den Konflikten um den Verkauf der Berliner Immobilienholding und der Verwendung einer Sonderzahlung für das Ja des Senats zum Börsengang der Wohnungsbaugesellschaft GSW war es Saleh, der maßgeblich den innerparteilichen Widerstand organisierte und damit Erfolg hatte. Und auch aufseiten der Autobahn-Gegner war Saleh eine mächtige Stimme.