Berlin-Wahl

Wowereit und die SPD haben die Wahl

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Uta Keseling und Daniel Müller
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SPD trotz Verlusten klarer Wahlsieger

Berlins Regierungschef Klaus Wowereit kann zwischen Grünen und CDU als Koalitionspartner wählen. Eine Fortsetzung des rot-roten Bündnisses scheidet aus. Die FDP flog mit dramatischen Verlusten aus dem Abgeordnetenhaus, die Piratenpartei schaffte erstmals den Sprung in ein Landesparlament.

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Die Berlin-Wahl bescherte Vertrautes und Neues: Der SPD und Klaus Wowereit den dritten Sieg in Folge, den Grünen und der CDU Zuwächse, den Piraten den ersten Auftritt in einem Landesparlament und der FDP eine bittere Niederlage. Möglich sind nun Rot-Grün oder eine große Koalition.

Die SPD und Klaus Wowereit haben die Berliner Wahl zum Abgeordnetenhaus klar gewonnen. Allerdings mussten sie Verluste hinnehmen. Gleiches gilt für die Linke, die nun in die Opposition muss. Ein rot-rotes Bündnis wird es in der Hauptstadt nicht mehr geben. Die Grünen konnten zwar Stimmen hinzugewinnen, verfehlten aber das Ziel, den Regierenden Bürgermeister zu stellen. Zum Desaster geriet die Wahl für die FDP, die mit einem katastrophalen Ergebnis an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Großer Gewinner sind die Piraten, die erstmals in ein Landesparlament einziehen. Künftig wird Berlin wohl von einer rot-grünen oder einer rot-schwarzen Koalition regiert.

Die Sozialdemokraten erzielten laut dem vorläufigen Endergebnis 28,3 Prozent der Stimmen (2006: 30,8 Prozent). Auf dem zweiten Platz landete mit 23,4 Prozent (21,3) die CDU. Die Grünen verbesserten sich auf das Rekordergebnis von 17,6 Prozent (13,1). Die Linke sank auf 11,7 Prozent (13,4). Die FDP verlor massiv und sackte auf 1,8 Prozent ab (7,6). Damit liegen die Liberalen sogar noch hinter der NPD, die auf 2,1 Prozent kam. Die Piraten erzielten mit 8,9 Prozent einen Sensationserfolg.

450.000 Briefwähler dieses Mal

Rund 2,4 Millionen Menschen waren aufgerufen zu wählen. Etwa 900 Kandidaten von 22 Parteien bewarben sich um die 149 Sitze im Landesparlament. 2,65 Millionen Menschen konnten zudem die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen wählen, unter ihnen auch Jugendliche und Bürger anderer EU-Länder. Die Wahlbeteiligung, die 2006 bei 58 Prozent lag, stieg leicht auf 59,5 Prozent. Jeder fünfte Wahlberechtigte (rund 450.000) hatte die Möglichkeit der Briefwahl genutzt – ein Rekordwert.

Die SPD kann sich jetzt zwischen einer großen Koalition (mit der CDU), die auf 86 Sitze im Abgeordnetenhaus käme und einem rot-grünen Bündnis entscheiden. Dieses würde aber nur 76 Sitze halten, und damit gerade mal einen Sitz mehr, als für die absolute Mehrheit nötig ist. Durch die knappen Mehrheitsverhältnisse wäre theoretisch auch noch eine rot-rot-grüne Koalition denkbar.

Wowereit will sich alle Optionen offenhalten, ließ aber eine Präferenz für Rot-Grün erkennen. „Es gibt selbstverständlich die meisten Schnittmengen zur Partei der Grünen und nicht zur CDU, aber wir werden das sehen“, sagte er im ZDF. „Wichtig ist, dass die Grünen sich zu einer Stadtpolitik bekennen, die auf Fortschritt setzt, die auf Umwandlung setzt und nicht auf Stillstand“, fügte er hinzu. Eine persönliche Niederlage musste er aber doch hinnehmen: Wowereit unterlag in seinem eigenen Wahlkreis in Charlottenburg-Wilmersdorf Claudio Jupe (CDU).

Auch die Berliner Grünen sagten, sie würden mit der SPD über eine Koalition verhandeln. „Wir sollten in Ruhe sondieren und dann in Verhandlungen gehen“, sagte die Landesvorsitzende Bettina Jarasch am Abend. Der umstrittene Weiterbau der Autobahn100 sei kein Hindernis. „Ich denke, wir können das vorher klären.“ Zuvor hatte der Berliner Grünen-Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann eine Koalition ausgeschlossen, falls die SPD an dem Bau der Autobahnverlängerung festhalten würde. Fraktionsvorsitzende Ramona Pop bestätigte dagegen das Nein zur A-100-Verlängerung. Auch die Spitzenkandidatin der Grünen, Renate Künast, setzt auf Sondierungsgespräche.

Die CDU will ebenfalls Gemeinsamkeiten mit der SPD ausloten. „Wir haben unser wichtigstes Wahlziel erreicht“, sagte Spitzenkandidat Frank Henkel. „Rot-Rot ist abgewählt.“ Dies sei ein erfolgreicher Tag für die Berliner CDU. Der Ball liege nun beim Wahlsieger SPD. Die CDU habe gezeigt, dass sie auch in schwierigen Zeiten bei Wahlen zulegen könne, auch in Großstädten. „Wir haben uns durch unsere Arbeit Respekt zurückerkämpft“, so Henkel weiter.

Am Abend sprachen sich auch die ersten prominenten SPD-Politiker vom rechten Parteiflügel für eine große Koalition aus. Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky sagte der Morgenpost: „Ich bin sehr für stabile Mehrheiten. Wenn Rot-Grün nur eine oder zwei Stimmen mehr als die Opposition hat, dann ist das nicht stabil genug.“ Vorsichtiger äußerte sich der bisherige Bürgermeister von Mitte, Christian Hanke: Wir sollten gucken, was die CDU zu bieten hat und nicht um jeden Preis Rot-Grün anstreben.“

Der Spitzenkandidat der Piratenpartei, Andreas Baum, versprach eine engagierte politische Arbeit. Das sensationelle Ergebnis habe sich die noch junge Partei „nicht ausgerechnet“, sagte er im ZDF: „Ich bin baff.“ Die Berliner wollten offensichtlich, „dass sich im Abgeordnetenhaus tüchtig was verändert“. Natürlich müssten sich die Politiker der Piratenpartei wegen fehlender Parlamentserfahrung noch einarbeiten. „Wir werden aber von uns hören lassen. Davon kann man ausgehen.“

Berliner FDP übt sich in Demut

Für die FDP setzte sich auch in Berlin der Trend gegen die im Bund regierende schwarz-gelbe Koalition fort. Weder die Ablösung von Guido Westerwelle als Parteichef durch Philipp Rösler noch die Euro-kritische Debatte zahlte sich für die Liberalen aus. Der Berliner FDP-Chef Christoph Meyer räumte die „bittere Niederlage“ ein. Mit Blick auf das katastrophale Wahlergebnis fügte er hinzu, der „Markenkern“ der FDP sei „beschädigt“. Personelle Konsequenzen schloss er zunächst aus. FDP-Generalsekretär Christian Lindner rief seine Partei zu einer „Phase der Nachdenklichkeit“ auf. „Ich empfehle, das Ergebnis in Demut aufzunehmen“, so Lindner.

Auch Linke-Chefin Gesine Lötzsch kündigte eine selbstkritische Analyse an. Der Fraktionschef der Linkspartei im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, machte die Bundespartei für die Schlappe mitverantwortlich. Die Diskussionen der Bundespartei im Sommer haben „nicht viel Gutes gebracht“, sagte er im RBB.