Vertreibung aus Kreuzberg

Kulturrat kritisiert ZDF wegen Sarrazin-Auftritt

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Foto: ANADOLU AJANSI

Der vom ZDF organisierte und in wüste Beschimpfungen ausgeartete Besuch von Thilo Sarrazin bei Kreuzberger Muslimen hat heftige Reaktionen ausgelöst. Jetzt steht auch der Fernsehsender in der Kritik.

Der von einem ZDF-Fernsehteam begleitete Besuch von Thilo Sarrazin bei Kreuzberger Muslimen hat heftige Kritik bei Politikern und Verbänden ausgelöst. „Es ist wirklich mehr als peinlich, wenn 'Aspekte', ein renommiertes Kulturmagazin, es offensichtlich nötig hat, einen solch vorhersehbaren Eklat zu inszenieren“, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, am Montag.

Der wegen seiner Thesen zur Integration umstrittene Autor Sarrazin („Deutschland schafft sich ab“) hatte den von dem Fernsehteam begleiteten Besuch bei Kreuzberger Muslimen wegen lautstarker Proteste abbrechen müssen. Er selbst schrieb, er sei lautstark angeklagt worden, Vorurteile zu wecken. Zudem hätten Demonstranten „Sarrazin raus“ gebrüllt.

„Wer Thilo Sarrazin unter sichtbarer filmischer Beobachtung durch Berlin-Kreuzberg und Neukölln schickt, kalkuliert mit wütenden Reaktionen“, sagte Zimmermann. Zwar könnten die Verantwortlichen im ZDF nun mit höheren Einschaltquoten rechnen, doch habe die Seriosität des Kulturmagazins Schaden genommen.

Ströbele versteht Wut der Sarrazin-Gegner

Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) bezeichnete den Kreuzberg-Besuch Sarrazins als „Provokation“. Sarrazin gelte nicht nur bei Muslimen, sondern auch bei Deutschen als Populist, sagte TBB-Sprecher Hilmi Kaya Turan. „Wenn so einer samt Fernsehteam jetzt plötzlich nach Kreuzberg kommt, um angeblich einen kulturellen Dialog zu führen, dann will er wahrscheinlich bald ein neues Buch veröffentlichen“, fügte er hinzu.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele zeigte Verständnis für die Wut der Sarrazin-Gegner und deren Unwillen, mit dem umstrittenen Autor zu diskutieren. „Herr Sarrazin hat auch mir gegenüber schon eine Diskussion seiner diskriminierenden und beleidigenden Thesen verweigert und zeigt sich völlig uneinsichtig“, sagte Ströbele auf dapd-Anfrage. Gleichwohl dürften persönliche Beleidigungen aber kein Mittel der Debatte sein.

Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) kritisierte die gegen Sarrazin gerichteten Beschimpfungen auf der Straße scharf. Das Skandieren von Sprechchören wie „Nazi“ oder „Rassist“ sei kein „Beweis politischer Reife der Kreuzberger Zivilgesellschaft“, sondern der „Triumph von Psychoterror und der Macht des Straßenmobs“, schrieb Buschkowsky in der „Bild“-Zeitung.

( dapd/sei )