Trotz der Anpassungen des Sicherheitskonzeptes für Open-Air-Konzerte auf der Spandauer Zitadelle wird Kritik an der mittelalterlichen Festung als Veranstaltungsort für bis zu 10.000 Besucher laut. „Die Zitadelle wurde gebaut, damit dort niemand herein und herauskommt“, sagt Wolfgang Köllen, Chef der Betreibergesellschaft der Parkbühne Wuhlheide in Köpenick. Deswegen habe die Zitadelle nur ein Tor. „Es verstößt gegen jegliche Bauvorschriften, so viele Leute durch einen nur 3,60 Meter breiten Zugang einzulassen und keinen zweiten Rettungsweg vorzuhalten“, sagte Köllen Morgenpost Online. Auch die Versammlungsverordnung schreibe einen zweiten Ausgang vor; alle anderen Berliner Veranstaltungsorte hätten auch einen.
Er versuche seit Langem, in Gesprächen mit Branchenkollegen, Feuerwehr und Politik „Sensibilität“ für das Thema herzustellen, so der Wuhlheide-Chef. Aber man rede sich die Sache schön, damit dort Veranstaltungen stattfinden können.
Im Bezirksamt Spandau, dem die Zitadelle gehört, verweist man auf ein Sicherheitskonzept, das Anfang 2009 in einem Gutachten bestätigt worden sei und das Feuerwehr, Bauaufsichtsamt und Polizei abgesegnet hätten. Es sieht vor, dass die Besucher im Falle eines unvorhergesehenen Ereignisses eben nicht durch das eine Burgtor den Innenhof verlassen, sondern dass sie auf die Bastionen und umliegenden Wiesen der Zitadellen-Insel ausweichen. Dort habe man mehr als ausreichend Fläche, um sogar noch mehr als die maximal 10.000 Besucher aufzunehmen, sagte Christopher Brosch von Trinity Concerts, die das Citadel Music Festival veranstalten und die Zitadelle zu einem beliebten Ort für kleinere Open-Air-Auftritte gemacht haben. Nach dem Desaster von Duisburg sollen die Lautsprecheransagen mit Hinweisen auf die Notausgänge verbessert, mehr Signalschilder an den Ausgängen aufgehängt und die Ordner mit gelben Westen sichtbarer gemacht werden. Wenn die Besucher nicht zum Tor liefen, könnten auch Feuerwehr und Rettungskräfte hinein.
Wuhlheide-Chef Köllen hält das alles im Falle einer Katastrophe für untauglich. Alle Erfahrungen zeigten: Wenn es zu einer Panik kommt, stürzen alle genau dorthin, wo sie hergekommen sind, eben auf das eine Tor zu. Und auf Lautsprecherdurchsagen höre auch niemand mehr, wenn etwa vor der Bühne etwas explodiere oder ein Feuer ausbreche, warnt Köllen. Aber bisweilen reiche die Angst vor einem plötzlich losbrechenden Unwetter, um Menschenmassen unkontrolliert in Bewegung zu setzen.
Mit Strickleitern von der Mauer
Während die Betreiber der Zitadelle und der Veranstalter davon ausgehen, dass die Besucher durch das Ausweichen aus dem Innenhof in Sicherheit sind und dort eben warten müssten, bis sie die Zitadelle verlassen könnten, zeichnet Köllen ein Szenario, bei dem die gesamte Festungsanlage evakuiert werden müsste. Das solle auch über Strickleitern die Festungsmauern hinunter und dann mit Feuerwehrbooten über die Havel geschehen. „Absurd“, nennt das der erfahrene Veranstalter.
Tatsächlich steht der Bezirk Spandau unter Druck, höhere Beiträge für den teuren Unterhalt der Renaissance-Festung zu erwirtschaften. Seit mehr als sechs Jahren wird diskutiert, das Gemäuer aus der Trägerschaft des Bezirks zu nehmen und der Senatskulturverwaltung oder einer Stiftung zu übergeben. Zwar hat der Bezirk Spandau mit der Zitadelle in den vergangenen drei Jahren sogar leichte Überschüsse von insgesamt 746.000 Euro erwirtschaftet. Um die immer wieder notwendigen Sanierungen zu bezahlen, reicht diese Summe jedoch nicht aus.
„Die Einnahmepotenziale, die die Zitadelle bietet, sind noch nicht ausgeschöpft“, stellt Finanz-Staatssekretär Christian Sundermann (SPD) in einem Bericht an den Hauptausschuss fest. Zwar habe sich die Besucherzahl durch das Citadel Music Festival erheblich erhöht, „die Einnahmeentwicklung deutet aber darauf hin, dass die Pachtzahlung durch den Veranstalter noch steigerungsfähig ist.“