An der Universität der Künste in Berlin lernen Bühnenbildner ihr Handwerk. Vor der Zulassung zum Studium steht eine strenge Auswahl.

Sung-A Kim, Felix Walter, Maria Frastanli und Marie Labsch aus der Bühnenbildklasse von Hartmut Meyer haben schon so manchen Richtungswechsel hinter sich. Was kaum verwundert: Der Weg ins Künstlerdasein ist selten ein direkter. Meist führen Umwege zum Ziel. Die Studenten finden das auch gut so: Wer sich künstlerisch ausdrücken möchte, sollte schließlich schon etwas erlebt haben.

Für die vier Studenten aus dem Fachbereich Bühnenbild an der Universität der Künste (UdK) ist es gar nicht so einfach, zu erklären, was sie zu ihrem Studiengang gebracht hat. Maria Frastanli zum Beispiel hatte zunächst mit Jura begonnen. „Aber ich hatte immer schon handwerkliche und künstlerische Interessen“, sagt die 26-Jährige.

Studieren Bühnenbild an der UdK: Sung-A Kim, Felix Walter, Marie Labsch und Maria Frastanli (v.l.).
Studieren Bühnenbild an der UdK: Sung-A Kim, Felix Walter, Marie Labsch und Maria Frastanli (v.l.). © Sven Lambert | Sven Lambert

„Irgendwann war ich risikobereit genug, mich zu bewerben.“ Bühnenbild zu studieren nehme man sich nicht vor, glaubt sie. „Man kommt irgendwie dazu.“ Was Maria Frastanli am Studium besonders anzieht, ist die intensive Auseinandersetzung mit den verschiedensten Themen, wie sie in Theaterstücken behandelt werden.

Bühnenbildner waren ursprünglich Maler

„Bühnenbildner sind Künstler“, erklärt Professor Hartmut Meyer. Oft würden sie aber mit Bühnentechnikern verwechselt. Die ersten Bühnenbildner jedoch seien Maler gewesen, erzählt er. Der Ursprung der Profession sei also rein künstlerisch.

„Leider hat sich der Beruf des Bühnenbildners immer mehr in Richtung Dekorateur oder Ausstatter entwickelt“, bedauert Meyer. Zwar würden die Studenten auch Modelle fertigen und andere handwerkliche Arbeiten verrichten, um ihre Ideen zu verbildlichen – die eigentliche Bühnentechnik und der Bühnenbau werde jedoch von Handwerkern erledigt.

Meyer verfügt über viel Berufserfahrung. Sowohl als fest angestellter Bühnenbildner – beispielsweise arbeitete er in den 80er-Jahren am Theater Anklam mit Regisseur Frank Castorf zusammen – als auch freiberuflich. Besonders die Arbeit mit Castorf und der Choreografin und Regisseurin Ruth Berghaus habe ihn „künstlerisch sehr gefordert“, sagt er.

Freiberuflich für verschiedene Theater tätig

Die meiste Zeit war Meyer freiberuflich für verschiedene Theater tätig. Darunter auch von 1992 bis 1996 für die Volksbühne Berlin. Seit dem Jahr 2001 leitet er die Bühnenbildklasse an der UdK. Von durchschnittlich 100 Bewerbern werden pro Jahr nur drei bis vier neue Studenten zugelassen. „Das ist eine harte aber sinnvolle Auswahl“, sagt Meyer.

Das Bühnenbild-Studium dauert an der UdK fünf Jahre. Es gliedert sich in ein Grundstudium mit sechs Semestern (Bachelor) und ein Hauptstudium (Master) mit vier Semestern. Im Grundstudium erwerben die Studierenden allgemeine, handwerkliche und wissenschaftliche Grundlagen. Dabei lernen sie unter anderem Komposition und Proportion, machen Naturstudien und Aktzeichnen, kneten Figuren und befassen sich mit Materialkunde. Auch computergestütztes Konstruieren (CAD), Theatergeschichte und Vertragsrecht werden gelehrt.

So erwerben die Studenten im Bachelorprogramm die Fähigkeit, eigenständige Entwürfe zu Theater-, Musik- und literarischen Stücken zu erarbeiten. In den letzten zwei Semestern und im Masterstudium vertiefen sie das Gelernte und entwickeln selbstständig szenische Konzepte. Leitende Fragen sind dabei: Welche bildnerischen Ausdruckformen können angewendet werden? Wie finde ich eine aussagekräftige Bildsprache, und wie kann ich Partner am Theater von meinen Ideen überzeugen?

An Bildwänden werden die Ideen gesammelt

Die Arbeit als Bühnenbildner hat viel mit Suchen und Entdecken zu tun, erzählen die Studenten. Beim Entwurf von Bühnenbildern arbeiten sie darum mit sogenannten Bildwänden. Daran wird Material gesammelt, um Assoziationen entstehen zu lassen. Dann werden die Ideen zusammen mit Dozenten weiterentwickelt und umgesetzt.

Professor Hartmut Meyer erklärt, warum der Ideensammlung so eine große Bedeutung zukommt: „Auf Grundlage einer guten Recherche kann es gelungene Bilderzählungen geben.“ So können Bühnenbildner allen an der Aufführung Beteiligten Impulse für die Theaterinszenierung geben.

Gerade die Arbeit im Team war für Masterstudentin Sung-A Kim von besonderem Reiz: „Ich habe in Südkorea Bildhauerei studiert und oft allein gearbeitet.“ Doch sich nur auf ihre eigenen Werke zu konzentrieren, habe ihr nach dem Abschluss nicht mehr gereicht. „Mein Wunsch, im Team zu arbeiten, wurde immer stärker“, sagt die 30-Jährige.

Parallel erkannte sie, dass sich ihr Interesse an Theater, Musik und Dramaturgie bestens in dem Studiengang Bühnenbild widerspiegelte. Kim begann ihr Studium zunächst in Düsseldorf, wechselte jedoch bald nach Berlin. Auch der Liebe wegen: „Mein Freund lebt hier. Es ist ein großes Glück, dass ich hier studieren darf“, sagt sie.

Kooperation mit Regisseuren und Schauspielern

Ihren Wunsch nach Teamarbeit kann sie an der UdK verwirklichen. Gerade haben die Bühnenbildstudenten in Kooperation mit der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin das Bühnenbildprojekt „Fantomoj“ (Esperanto für „Geister“) umgesetzt.

Alles – von der Organisation bis hin zur bildlichen Darstellung – haben die Studierenden selbst geleistet. So wurde der altehrwürdige Bau der Universität der Künste an der Hardenbergstraße von den Treppenhäusern über die Gänge bis hinein in die Säle für drei Tage zur Theaterbühne.

Die Besucher erwartete dort ein Theater-Parkour. Während sie durch die UdK wanderten, sahen sie fantasievolle Szenen zur Geschichte und zu Sinn und Zweck des Gebäudes, die amüsieren, verstören oder erstaunen sollten.

Meyer: „Lebende Wegweiser, Geräusche und falsche Zeichen gaben in Spielvorgängen mit Laien, Sportlern, Orchester, Licht und Maschinen dabei die Richtung an.“ In dem 120-minütigen Programm zeigten die künftigen Bühnenbildner, wie spannend und vielfältig Theater sein kann und auch, was sie als Künstler zu bieten haben.

Vernetzung schon während des Studiums

„Mit Projekten wie Fantomoj lernen die Studierenden, sich zu vernetzen. Sie kommen raus aus dem normalen Studienbetrieb und lernen konkret mit Regisseuren, Schauspielern und vielen anderen aus der lebendigen Welt zu arbeiten“, erklärt Professor Meyer den Sinn hinter der Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen.

Eine Kooperation mit Theatern, die den Studierenden Praxis vermitteln könnten, sei leider kein Bestandteil des Studiums. Aber es gebe ergänzende Projekte. „Sie machen unser Studienangebot besonders“, sagt der Klassenleiter. „Wir haben eigens eine Stiftung gegründet, die ,K.O.existenz Stiftung‘, die die Zusammenarbeit von Theaterschaffenden, insbesondere Bühnenbildnern und Regisseuren, fördern soll“, erklärt Hartmut Meyer. Auch „Fantomoj“ wurde von der Stiftung unterstützt.

Beim Theaterpraktikum wuchs die Begeisterung

Marie Labsch ist sehr zufrieden damit, wie sie und ihre Kommilitonen das Fantomoj-Projekt umgesetzt haben. Sie kommt aus einer Theaterfamilie, hätte sich aber nie träumen lassen, eines Tages ausgerechnet Bühnenbild zu studieren.

„Über einen Bekannten meiner Eltern erfuhr ich, wie spannend diese Arbeit ist. Mir war sofort bewusst: Das will ich machen“, erzählt die 26-Jährige. Nach einem Praktikum am Stadttheater Konstanz erstellte sie eine Mappe und bewarb sich an der UdK. Mittlerweile ist sie Masterstudentin.

Felix Walter dagegen hat schon eine umfangreiche berufliche Laufbahn hinter sich. Aus einer Handwerkerfamilie stammend lernte er zunächst Metallbauer. Vier Jahre lang war er in diesem Beruf tätig, unter anderem auch einige Zeit als Schlosser an der Berliner Schaubühne.

Dort schnupperte Felix Walter Theaterluft – und war fasziniert davon, wie man mit Bühnenbildern Geschichten erzählen kann. „Der Entstehungsprozess von der ersten Recherche über das intensive Auseinandersetzen mit dem Stück bis hin zum fertigen Bühnenbild ist sehr spannend“, findet der Berliner.

Die Zukunft ist noch ungewiss

Da Bühnenbildner nur noch selten fest im Theater angestellt sind und in der Regel freiberuflich arbeiten, können die vier Bühnenbild-Studierenden kaum einschätzen, was die Zukunft ihnen bringen wird. Felix Walter, der sich für gesellschaftspolitische Themen interessiert, bedauert „die Zerschlagung der Theaterwelt“ und wünscht sich eine bessere Zusammenarbeit von freier Theater-Szene und etablierten Häusern.

Studentin Sung-A Kim macht sich über ihren beruflichen Werdegang noch keine Gedanken. Sie sagt: „Ich genieße die Zeit des Studiums. Natürlich würde ich gern eines Tages im Theater arbeiten.“

Marie Labsch könnte sich vorstellen, auch in Zukunft beruflich mit ihren Kommilitonen zusammenzubleiben. „Wir haben beim Fantomoj-Projekt sehr gut zusammengearbeitet und haben noch viele Ideen. Vielleicht bilden wir ja ein Kollektiv und behaupten uns als freie Gruppe in der Theaterwelt.“