Berlin. Zwei Forscher haben „Schlauluchs“ gegründet. Sie produzieren Frühstücksbrettchen, die je nach Betrachter etwas anderes darstellen.

Über den Hirnscanner kann Timo Torsten Schmidt stundenlang reden. Obwohl der Neurowissenschaftler seit Jahren mit dem Gerät im Center for Cognitive Neuroscience Berlin an der Freien Universität (FU) arbeitet, ist er immer noch fasziniert von den Möglichkeiten, die die Magnetresonanztomografie (MRT) bietet. „Wir können sehen, welche Regionen im Gehirn aktiv werden, wenn man etwas Bestimmtes denkt oder mit den Händen befühlt“, erklärt der 32-Jährige.

Gerade das Haptische, das Befühlen eines Gegenstands, ist Schmidts Thema. Dazu schreibt er seine Doktorarbeit, und dazu schiebt er immer wieder seine Probanden in die donnernde Röhre, lässt sie kleine Aufgaben lösen und beobachtet auf dem Bildschirm ihr Gehirn bei der Arbeit. „Ich versuche, aus den Daten zu lesen, was in welchen Hirnregionen erinnert wird“, erklärt Schmidt. „Es zeigt sich zum Beispiel, dass man sich taktile Berührungen woanders merkt als ein Bild, das man betrachtet.“

Warum das wichtig ist? „Die Grundlagenforschung, die wir hier an der FU machen, kann künftig für jegliche Form von psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen wichtig werden“, sagt er. „Beispielsweise kann man altersbedingte Veränderungen im Gehirn besser verstehen.“

Vor einem Dreivierteljahr selbstständig gemacht

Gerade hat Timo Schmidt Martina Graf wieder aus dem Hirnscanner befreit. Sie unterstützt die Forschung des Kognitionswissenschaftlers als Probandin, wenn sie die Zeit dafür findet. Denn eigentlich hat sie, auch ohne Teil seiner Versuchsreihe zu sein, genug zu tun. Die 34-jährige Musikwissenschaftlerin managt verschiedene Ensembles, arbeitet als freiberufliche Musikvermittlerin – und ist nicht zuletzt auch noch Timo Schmidts Geschäftspartnerin.

Im November 2015 haben die beiden ihre Unternehmergesellschaft (UG) gegründet. „Schlauluchs“ heißt die Firma. Ein Versprecher – Schlauluchs statt Schlaufuchs – wurde Namensgeber. „Das Wort Schlauluchs zeigt hervorragend, wofür unsere Firma steht“, erklärt Martina Graf. „Es geht darum, was wir wahrnehmen und wie unser Gehirn manchmal etwas anderes daraus macht.“

Bei Schlauluchs geht es um bistabile Formen. So werden in der Psychologie Formen bezeichnet, die zwei mögliche Interpretationen zulassen, erläutert Graf. Klingt kompliziert? Ist es aber gar nicht: Schlauluchs macht ganz einfach hölzerne Frühstücksbrettchen. Der Clou daran: Je nach Erfahrung, Assoziation und Blickwinkel des Betrachters kann das Katzenbrettchen auch einen Papagei darstellen, der Hase eine Ente sein oder das Kaninchen ein Pinguin.

„Wir wollten ein nützliches Alltagsprodukt anbieten, das gleichzeitig Wissenschaft vermittelt“, erklärt Timo Schmidt. „Viele haben gerade an den Neurowissenschaften großes Interesse, aber das Thema bleibt immer irgendwie abstrakt.“

Mitunter gaukelt uns unser Gehirn etwas vor

Mit den bistabilen Brettchenformen haben sie einen Weg gefunden, um ein Phänomen des Gehirns simpel zu erklären. Eine umfangreiche Broschüre, die jedem Brettchen beim Verkauf beiliegt, vermittelt, wie und warum unser Gehirn uns mitunter etwas vorgaukelt. Die eigene Erfahrung und das emotionale Erleben sollen gerade bei Kindern Wissen nachhaltig und mit Spaß verankern.

„Darüber hinaus gibt es noch ganz andere Einsatzmöglichkeiten“, verrät Schmidt. „Wir stehen zum Beispiel in Kontakt mit einem Altenheim, das die Brettchen Demenzkranken anbieten will. Sie können die Formen nachfühlen.“

Bei den Gründungsberatern der FU liefen die beiden mit Schlauluchs offene Türen ein. „Wir hatten uns sehr gut vorbereitet und konnten dort schon unsere Prototypen vorstellen“, erzählt Martina Graf. Erfolgreich: Die Beraterin habe ihnen mit vielen guten Hinweisen und Kontakten geholfen – und gleich selbst ein Frühstücksbrettchen bestellt.

Innerhalb eines halben Jahres hat Schlauluchs rund 250 Brettchen verkauft. „Wir machen das noch nebenberuflich“, sagt Martina Graf. „Aber wir haben schon weitere Produktideen, und irgendwann könnte Schlauluchs auch mal unser Hauptberuf werden.“

Vorträge an Schulen und vor Konzertgängern

Den Drang, Wissen und Begeisterung zu vermitteln, haben die beiden Gründer jedenfalls schon lange. Schmidt, der hauptberuflich an der Universität Osnabrück im Fachbereich „Cognitive Science“ lehrt, hält Wissenschaftsvorträge in Schulen, Musikwissenschaftlerin Graf erklärt Konzertgängern, was es mit den oft schräg klingenden zeitgenössischen Werken auf sich hat.

Dass sich ihr Wunsch nach Nachhaltigkeit bei Schlauluchs nicht nur auf die Wissensvermittlung beschränkt, zeigen die Produktionsbedingungen der Firma. Jedes Frühstücksbrettchen wird von Hand in einem kleinen Tischlerbetrieb im Teutoburger Wald hergestellt, das Holz stammt aus einem nachhaltig bewirtschafteten Forst. „Brettchen mit Verstand“ heißt ihr Slogan darum auch.

Die positive Resonanz verschlägt Martina Graf und Timo Schmidt manchmal fast den Atem. „Noch Anfang November haben wir über den Gründungsvertrag und das Logo diskutiert“, erinnert sich Graf. Und jetzt: Bei der „Langen Nacht der Wissenschaften“ Mitte Juni belagerten Familien ihren Stand, auf der Spielwarenmesse in Nürnberg bemühte sich ein großer Ökoversand um eine Kooperation mit Schlauluchs. Die Gründer finden das spannend. „Aber es geht uns gar nicht um Gewinnoptimierung“, sagt Timo Schmidt. „Dafür sind wir viel zu sehr Idealisten.“

www.schlauluchs.de