Berlin. Nach Abgasskandal und Fahrverboten fallen die Gebrauchtwagenpreise für Diesel. Doch Panik macht sich bei Händlern noch nicht breit.
Lange Zeit schien der Skandal um Abgasmanipulationen von Diesel-Fahrzeugen wie ein fernes Donnergrollen, ohne dass ein Tropfen Regen fällt. Was in Testlabors und vor US-Gerichten geschah, war weit weg von den Käufern, Besitzern und Händlern. Doch nun mehren sich die Anzeichen, dass die Skandale den deutschen Automarkt in Deutschland durcheinanderwirbeln werden, auf dem zuletzt gigantische 170 Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt wurden – fast die Hälfte entfällt auf gebrauchte Wagen.
Der Bundesverband freier Kfz-Händler (BVfK) ist besorgt und muss nun teils sehr deutliche Abschläge bei den Preisen von gebrauchten Diesel-Autos feststellen. Wie Vorstand Ansgar Klein dieser Redaktion sagte, liegen die Rückgänge seit Beginn des Abgasskandals bei „fünf bis 30 Prozent“. Eine enorme Spanne, die der Verband mit der „aktuellen Nachrichtenlange“ in Verbindung setzt.
Diese Nachrichtenlage könnte derzeit kaum schlechter sein. Nicht nur, dass immer mehr Details über Absprachen zur Abgasreinigung zwischen den deutschen Herstellern unter dem Stichwort „Autokartell“ bekannt werden.
Fahrverbote für Diesel können kommen
Am Freitag entschied zudem ein Gericht, dass in Stuttgart Fahrverbote für Diesel verhängt werden sollen, weil anders die Überschreitung der Stickstoff-Grenzwerte nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist. Möglich ist zum Beispiel ein Fahrverbot für Diesel, die noch nicht die Euro-Norm 6 erfüllen – aber teils nicht einmal zwei Jahre alt sind. Und: In anderen Städten könnte es ähnlich kommen. Nächsten Mittwoch findet in Berlin der Diesel-Gipfel zwischen Herstellern und Politik statt – und die Bundesregierung hat bereits unmissverständlich signalisiert, dass sie sich mit freiwilligen Lösungen nicht mehr zufrieden geben wird.
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Diese Unsicherheit ist Gift für den Markt – und die Preise könnten nun noch einmal spürbar durchsacken. BVfK-Chef Klein sagt: „Je größer und unflexibler ein Händler ist, umso höher ist der Schaden. Manche haben bereits langfristige Preisgarantien für Leasing-Rückläufer abgegeben. Das dürfte schwierig werden.“ Die von Marken unabhängigen Händler seien dagegen meist flexibler und könnten schneller auf Marktveränderungen reagieren. Verkaufswillige Autobesitzer, seien es Privatpersonen oder Firmen, kommen aus seiner Sicht dagegen nicht ohne Blessuren davon: „Den größten Schaden dürften derzeit die Besitzer von Dieselfahrzeugen haben“, sagt Klein.
„Wir bekommen Diesel-Fahrzeuge kaum vom Hof“
Etwas entspannter ist Peter Naumenko, Geschäftsführer des nach seinen Angaben ältesten Berliner Gebrauchtwagenhändlers Vicki-Auto aus Neukölln. Gerade habe er für rund 30.000 Euro einen Euro-5-Diesel mit wenigen Kilometern verkauft, damit ist er zufrieden. Aus seiner Sicht haben die Preise für Dieselfahrzeuge erst leicht nachgegeben und könnten insgesamt zehn Prozent sinken – mehr aber nicht. Sein Kalkül: „Die Politik kann bereits zugelassene Diesel nicht einfach stilllegen. Der Aufschrei wäre zu groß.“ Auch die Möglichkeit, dass Gerichte immer mehr Fahrverbote durchsetzen, sieht er eher gelassen. Es werde lange dauern, bis in der Sache über alle Instanzen entschieden sei.
Bei den markengebundenen Autohändlern ist die Nervosität dagegen stärker angestiegen. Sie haben tendenziell teurere, neuere Fahrzeuge im Angebot – dann ist Kunden wichtiger, was das Auto in fünf Jahren noch wert ist und ob etwaige Fahrverbote und Nachrüstungsauflagen sie treffen könnten.
Die DAT Group, die Marktdaten erhebt, hat festgestellt: 77 Prozent aller Händler berichten inzwischen, dass Diesel länger stehen, bis sich ein Käufer findet. Selbst wenn es am Ende gelingt, ohne Abschläge zu verkaufen: Jedes Auto verursacht im Schnitt Standkosten von 27 Euro pro Tag. Der Mitarbeiter eines großen Berliner Autohauses, der anonym bleiben möchte, berichtet: „Wir haben tatsächlich spürbare Probleme mit den Dieseln und bekommen die derzeit kaum noch vom Hof.“
Recht klarer Preisverfall zeichnet sich ab
Auf der anderen Seite gibt es aber auch Faktoren, die dafür sorgen, dass die Preise nicht komplett einbrechen können. Beispiel: Derzeit berichten vor allem Händler in Metropolen über fallende Preise für Diesel-Autos, weil dort Fahrverbote diskutiert werden. Dann werden die nun günstigeren Diesel eben vermehrt in ländlichen Regionen verkauft, was die Preise wieder stabilisieren würde. Auch der Export ins Ausland kommt infrage, wo in der Regel weniger strenge Normen gelten.
Trotzdem: Der Ärger ist groß, nun, da sich ein recht klarer Preisverfall abzeichnet. „Da werden eben mal zigtausend Leute kalt enteignet, um irgendwelche Grenzwerte einhalten zu wollen“, schreibt der Nutzer eines Internet-Autoforums. Und auch beim Händlerverband BVfK steigt der Frust.
Ausgeteilt wird in alle Richtungen: Die Deutsche Umwelthilfe, die in Stuttgart geklagt hatte, sei als „Totengräber der deutschen Automobilindustrie zu entlarven“. Es könne nicht sein, dass ein 250-Mitglieder-Verein die deutsche Umweltpolitik übernehme, als würde sich sonst niemand darum kümmern oder habe Ahnung davon. Aber auch die Hersteller bekommen es ab: „Die kapitalgesteuerten Autokonzerne müssen in die gesetzlichen Schranken verwiesen werden.“ Sie respektierten Gesetze und Vorschriften nur dann, wenn es kalkulatorisch zu teuer werde, sagte BVfK-Chef Klein.