Die Geschichte mit der Verbindung zwischen München und Freiburg steht sinnbildlich für das, was der Deutschen Bahn im Fernbus-Geschäft derzeit die Laune verdirbt. Als erstes Unternehmen hatte der Staatskonzern die Strecke über IC Bus angeboten. Dann zog die Billigkonkurrenz nach, drückte die Preise, und „heute verdient keiner mehr Geld auf der Strecke“, sagt Personenverkehr-Vorstand Ulrich Homburg.
Seit der Fernbusmarkt in Deutschland vor eineinhalb Jahren liberalisiert wurde, machen der Bahn Unternehmen wie MeinFernbus oder FlixBus zunehmend zu schaffen. Im vergangenen Jahr führte die Konkurrenz auf der Straße zu Umsatzverlusten von 20 Millionen Euro. Für 2014 werden die Zahlen noch mal nach unten korrigiert: Statt von einem Minus von 40 Millionen Euro ist nun von mehr als 50 Millionen Euro die Rede.
Das sind zwar „nur“ 1,5 Prozent des Gesamtumsatzes, die Bahn ist trotzdem nicht erfreut. Vor allem, da quasi täglich neue Angebotsoffensiven angekündigt werden. So verdoppelt der ADAC Postbus sein Fernbusnetz ab Mitte August, FlixBus macht Werbung für neue Nachtlinien. Alles supergünstig, natürlich.
„Wir haben die Dynamik unterschätzt“
Nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums gibt es mehr als 280 Fernbuslinien – mehr als dreimal so viele wie vor der Öffnung des Marktes. „Wir haben die Dynamik wohl unterschätzt“, gibt Homburg zu. „Mit den Fernbussen dringt ein Marktteilnehmer ein, der sich ein Stück vom Kuchen abschneidet.“ Der Kuchen selbst aber wachse derzeit nicht, „die Zahl der Kunden im Personenverkehr stagniert“.
Die Bahn geht davon aus, dass die Umsätze im gesamten Fernbusgeschäft hingegen zulegen. „Wir werden 2014 in einer Größenordnung von 150 bis 200 Millionen Euro herauskommen“, sagt Homburg. Bis 2016 würden es bereits 350 bis 450 Millionen Euro sein. Das Problem der Bahn: Die, die früher noch mit dem Zug fuhren, wandern ab. Laut einer Studie des Instituts Iges waren 44 Prozent der Fernbusnutzer zuvor Bahnkunden.
Doch die große Gegenoffensive bleibt aus, auf einen Preiskrieg will sich die Bahn nicht einlassen. Vor allem nicht auf der Schiene, „das wäre Selbstmord aus Angst vor dem Tod“, sagt Homburg. Er rechnet vor: Zahlen Kunden beim Fernbus im Durchschnitt fünf Cent pro Kilometer, muss die Bahn allein diese Summe einfordern, um die Nutzung der Infrastruktur bezahlen zu können. „Da sind Fahrzeuge, Personal und Energie noch gar nicht mit drin“, sagt Homburg. Nun soll die Strategie im Fernverkehr überdacht werden: Welche Verbindungen lohnen sich noch, welche nicht.
BerlinLinienBus ist Nummer drei
Und auch auf der Straße, wo die Bahn mit IC Bus und der Tochter BerlinLinienBus unterwegs ist, will die Bahn nicht mit Macht an die Spitze. „Wir würden sonst das Geschäft auf der Schiene kannibalisieren“, sagt Homburg. Laut Iges liegt BerlinLinienBus mit einem Markanteil von 12,7 Prozent nur auf Platz drei, hinter MeinFernbus (37,9 Prozent) und FlixBus (17,6 Prozent). Die Bahn führt an, dass die Konkurrenz ihren Marktanteil teuer bezahlt.
Tatsächlich machen fast alle Verluste. „Wir fahren nicht da, wo es sich nicht lohnt“, sagt Homburg. „Eine Preissenkung beim Fernbus wird es nicht geben.“ Dabei ist klar: Die Fernbuskunden sind überwiegend Studenten oder Senioren, die längere Fahrzeiten und weniger Komfort für ein Schnäppchen in Kauf nehmen. „Es gibt außer dem Preis kaum Möglichkeiten zur Kundenbindung“, weiß Homburg.
Am liebsten wäre es der Bahn, wenn eine Maut eingeführt würde. „Warum müssen Lkws zahlen, Busse aber nicht?“, fragt Homburg. Der Bahn käme das natürlich gelegen: Die billigsten Anbieter müssten dann wohl zuerst das Feld räumen. Doch der Vergleich mit den Lkws hinkt, findet Matthias Schröter, Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer (bdo): „Es fahren viel weniger Lkws als Busse. Außerdem sorgt ein Bus dafür, dass 30 Autos weniger unterwegs sind.“
Laut Bahn-Chef Grube werden die Billiganbieter aber sowieso nicht ewig durchhalten: „Kein Busanbieter verdient mit den heutigen Dumpingpreisen Geld. Wenn sich der Markt bereinigt, werden auch die Preise wieder steigen“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Differenzierung im Kleinen
Bis dahin versucht die Bahn, ihr Segment im Kleinen zu differenzieren. „Wir sind der einzige Anbieter, bei dem in allen Bussen Fahrräder mitgenommen werden können“, sagt Homburg. Dazu sorgt eine weitere Strategie für Aufsehen: Die Bahn will Busbahnhöfe übernehmen und eigene Haltestellen neben den Bahnhöfen betreiben. Bus und Bahn sollen so stärker vernetzt werden. Ein Pilotprojekt läuft bereits am Berliner Bahnhof Südkreuz. Der Bundesverband ist alarmiert. Man werde darauf achten, dass die Bahn hier mit Staatsgeldern keine marktbestimmende Macht aufbaue, so Schröter.
So oder so: „Der Fernbus wird nie unser Kerngeschäft“, verspricht Homburg, will aber eines nicht ausschließen: dass die Bahn eines Tages mit den Konkurrenzunternehmen kooperieren wird. Beziehungsweise muss.