Das Gutscheinportal hat massive Probleme mit seinem Europageschäft. Das wird aus Berlin gesteuert.
Die Geschäftsadresse ist nobel, die Räumlichkeiten großzügig bemessen. Mit seiner internationalen Zentrale residiert das Internet-Schnäppchenportal Groupon in der Nähe des Hausvogteiplatzes in Berlin-Mitte, dort, wo früher der Fernsehsender ProSiebenSat.1 seine Hauptstadt-Studios hatte. Rund 800 Menschen arbeiten dort für Groupon. Platz wäre für mehr als 1000. „Wir suchen nach wie vor Mitarbeiter“, sagt Unternehmenssprecherin Sophie Guggenberger. Angst um seinen Job müsse niemand haben.
Dennoch dürften die Berliner Mitarbeiter genau verfolgt haben, was sich am Freitag am Aktienmarkt getan hat. Nach Bekanntgabe der Zahlen für das dritte Quartal stürzte die Aktie des amerikanischen Unternehmens auf ein neues Rekordtief. Sagenhafte 24 Prozent verlor das Papier zeitweise. Beim Börsengang vor gut einem Jahr kostete die Aktie mehr als 20 Dollar. Aktuell sind es kaum drei Dollar. Firmengründer Andrew Mason sprach von „anhaltende Herausforderungen in Europa“. Das dürfte speziell den Berliner Groupon-Leuten in den Ohren klingen.
Das internationale Geschäft stagnierte beinahe
Groupon fällt es immer schwerer, neue Kunden für seine Schnäppchen-Angebote zu begeistern. Das einst steile Wachstum der Internetfirma ist im dritten Quartal weiter abgeflaut. Während die Amerikaner und Kanadier noch zuschlugen, stagnierte das internationale Geschäft beinahe. Die deutsche Groupon-Sprecherin mag trotzdem nicht von einem Scheitern des Geschäftsmodells sprechen. Sie verwies auf Dienstleistungen, die es in den USA schon gibt und die in Europa noch eingeführt werden sollen. Dazu zähle beispielsweise ein mobiler Bezahldienst. „In den USA ist Groupon ein Lifestyle-Portal mit Kultpotenzial“, sagt Guggenberger.
Gewerbetreibende können bei Groupon Rabattcoupons anbieten. Das Geschäft kommt zustande, wenn eine bestimmte Anzahl von Interessenten zuschlägt. So versuchen beispielsweise Hotelketten Bettenkontingente loszuschlagen. Beliebt sind auch Angebote von Kosmetikern.
Groupon führt Unternehmen viele Kunden zu. Die Verbraucher wiederum profitieren von niedrigen Preisen – so ist das Prinzip. Das Unternehmen erhält dann einen Teil der Einnahmen – üblicherweise die Hälfte vom Coupon-Preis. Ende September hatte Groupon 39,5 Millionen aktive Kunden. Das waren 37 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Gesamtsumme der Buchungen – letztlich die Summer der Coupon-Preise – stieg im Jahresvergleich nur um fünf Prozent auf 1,22 Milliarden Dollar.
Neben Groupon gibt es weitere Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell auf der Schnäppchenjagd aufgebaut haben. So erwarb beispielsweise Google vor mehr als einem Jahr das Schnäppchenportal Daily Deal, ein Berliner Start-up. Zuvor hatte Google bereits versucht, Andrew Mason sein Unternehmen abzukaufen. Umgerechnet 4,4 Milliarden Euro bot Google für Groupon. Doch Mason ging lieber an die Börse. Auch das Europa-Geschäft von Groupon geht auf eine Berliner Gründung zurück. Firmengründer Mason erwarb vor zwei Jahren Citydeal und benannte es nach seiner Firma um. Hinter Citydeal wiederum steckten Deutschlands bekannteste Internet-Investoren, die Brüder Oliver, Marc und Alexander Samwer.
Groupon, gegründet im Jahr 2009, galt lange Zeit sogar als Wegbereiter für das Soziale Netzwerk Facebook an den Kapitalmarkt. Auch Facebooks Aktie steht im Keller, wenngleich der Absturz weniger dramatisch als bei Groupon ausfiel.
Was die Anleger jetzt verstimmte, war das abflauende Wachstum: Im dritten Quartal setzte Groupon 569 Millionen Dollar um – das war ein Plus von 32 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Im zweiten Quartal hatte Groupon aber noch um 45 Prozent zulegen können und im ersten Quartal sogar um 89 Prozent. Dabei versucht das Unternehmen fieberhaft, das Geschäft über die Rabattcoupons hinaus auszuweiten.
Verlust geht zurück
Immerhin konnte Groupon seinen Quartalsverlust auf drei Millionen Dollar (2,4 Millionen Euro) eindämmen, nachdem im Vorjahreszeitraum noch ein Minus von 54 Millionen Dollar aufgelaufen war. Groupon steckt viel Geld ins Auffinden von Unternehmen wie Restaurants oder Dienstleistern für die Rabattangebot und das Verwalten der Schnäppchen. Nach den ersten neun Monaten ist damit immer noch ein Verlust von gut 308 Millionen Dollar aufgelaufen, nach einem Gewinn von 13,7 Millionen Dollar ein Jahr zuvor.
Schon seit einiger Zeit hegen die Anleger Zweifel daran, dass das Geschäftsmodell überhaupt auf Dauer funktionieren kann. Einige Konkurrenten haben bereits die Segel gestrichen. Amazon schrieb jüngst fast seine gesamte Investition in den Groupon-Rivalen LivingSocial ab. Groupon hatte von Anfang an einen schweren Stand an der Börse. Das Schnäppchenportal verspielte viel Vertrauen durch schlampige oder allzu kreative Buchführung. Auf Druck der amerikanischen Börsenaufsicht SEC musste Groupon seine Geschäftszahlen mehrfach korrigieren.
hev/dpa