Thilo Sarrazin

Sarrazin bringt Bundesbank in peinliche Notlage

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Martin Greive

Die lauten Forderungen nach der Entlassung Sarrazins setzen die Bundesbank unter Druck. Doch ein Rauswurf ist juristisch heikel.

Der Druck auf die Bundesbank, ihren umstrittenen Vorstand Thilo Sarrazin zu entlassen, wird immer größer. „Die Meinung von Herrn Sarrazin hat nichts mit der Bundesbank zu tun. Daher sollte die Bundesbank auch besser nichts mit Herrn Sarrazin zu tun haben“, sagte der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, dem „Handelsblatt“. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, wenn die Bundesbank Sarrazin nicht abberufen lasse, „dann wird aus dem Fall Sarrazin bald ein Fall Bundesbank“.

Die Bundesbank hatte sich vorerst nur von den Aussagen Sarrazins distanziert. Am Montagabend hatte Sarrazin in der ARD-Sendung „Beckmann“ seine umstrittenen Thesen aus den vergangenen Tagen bekräftigt. „Esn gibt Gene, anhand von denen man Volksgruppen voneinander unterscheiden kann. Das gilt für viele Volksgruppen, also nicht nur für die Juden.“, sagte der 65-Jährige. In seinem am Montag erschienenen Buch „Deutschland schafft sich ab“ kritisiert Sarrazin eine mangelhafte Integration muslimischer Einwanderer und führt dies auf ihren islamischen Hintergrund zurück.

Die Bundesbank bestellte Sarrazin zum Rapport. Um Sarrazin entlassen zu können, muss die Notenbank ihn erst anhören, so wollen es die Formalien. Am Mittwoch wird der Bundesbankvorstand wohl über Sarrazins Zukunft entscheiden. Bundesbank-Chef Axel Weber, der Ambitionen auf das Präsidentenamt der Europäischen Zentralbank (EZB) hegt, steckt in der Zwickmühle: Der Druck auf ihn, Sarrazin zu entlassen, ist gewaltig. Ein Rauswurf aber ist juristisch heikel.

Kanzlerin bringt Bundesbank unter Zugzwang

Besonders die indirekte Aufforderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Bundesbank solle sich von Sarrazin trennen, hat die Notenbank unter Zugzwang gebracht. Etliche Notenbanker schütteln deshalb den Kopf über das Vorgehen der Bundesregierung: Öffentliche Ratschläge von Seiten der Politik sehen sie ohnehin als Angriff auf ihre Unabhängigkeit an. Vor allem aber dürfte Merkel gewusst haben, wie schwer es für die Bundesbank wird, Sarrazin zu entlassen, heißt es. Der Bundesverband der Arbeitsrichter hält einen Rauswurf für rechtlich nicht zulässig.

„Die Aussagen Sarrazins, mögen sie als noch so abstrus empfunden werden, reichen kaum aus, um ihn zu entlassen“, sagte der Verbandsvorsitzende Joachim Vetter der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Voraussetzung dafür wäre eine gravierende dienstliche Verfehlung. Es sei aber mehr als fraglich, ob sich diese aus privaten Meinungsäußerungen ohne Zusammenhang mit dem Amt herleiten lasse, sagte Vetter. Aus Sicht der Notenbank könnte Sarrazin deshalb im schlimmsten Fall gegen eine Entlassung klagen und bei einem Erfolg Weber stark beschädigen.

Als wahrscheinlich gilt, dass der Vorstand Sarrazin mindestens dazu verpflichten will, keine weiteren Äußerungen zu Themen zu machen, die nichts mit der Bundesbank zu tun haben. Weigert dieser sich, werden die fünf anderen Vorstände wohl versuchen, ihn zum Rücktritt zu drängen oder zu entlassen – sofern sie ein rechtlich wasserdichtes Argument finden. Auch die Bundes-SPD will Sarrazin aus der Partei werfen. „Er diskutiert über Abstammung, über Herkunft als Problem, und nicht darüber, wie man Menschen eine bessere Zukunft verschaffen kann“, sagte SPD-Vize Olaf Scholz.

Der Journalist Günter Wallraff warnte im „Deutschlandradio“ vor solch einem Schritt. „Sollte er am Ende eine neue Partei gründen, dürfte er wohl anfänglich mal mit zehn Prozent und vielleicht darüber hinaus rechnen“, sagte Wallraff . Laut Meinungsumfragen genießt Sarrazin in der Bevölkerung Unterstützung: Bei einer Umfrage auf Morgenpost Online sagten 88 Prozent, Sarrazin solle nicht aus der SPD austreten, er äußere nur seine Meinung. Dennoch haben Sarrazins Aussagen dazu geführt, dass er um sein Wohlergehen fürchten muss: Wegen Sicherheitsbedenken wurde eine Lesung in Hildesheim abgesagt.