Henkel

Erster Dax-Konzern bekommt Aufsichtsratschefin

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Ileana Grabitz

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Es ist das erste Mal, dass eine Frau den Posten einer Aufsichtsratschefin bei einem Dax-Konzern erhält: Simone Bagel-Trah kontrolliert künftig den Persil-Konzern Henkel. Ansonsten haben Frauen in der deutschen Wirtschaft aber wenig zu melden. Und daran wird sich zumindest vorerst wohl wenig ändern.

Ausgerechnet ein Mann brachte die Trendwende. Ansgar Gabrielsen, damals Wirtschaftsminister Norwegens, hatte lange mit ansehen müssen, wie den Appellen an die Firmen, mehr Frauen in ihre Aufsichtsräte zu holen, keine Taten folgten. Als er sich schließlich entschied, der Wirtschaft mit einer gesetzlichen Frauenquote von 40 Prozent auf die Sprünge zu helfen, war der Tumult groß. Doch das 2008 eingeführte Gesetz zeigte sofort Wirkung: Schon bei der Einführung der Regelung hatten knapp 90 Prozent der 460 börsennotierten norwegischen Unternehmen die Quote erfüllt – selbst in typischen Männerdomänen wie der Ölbranche.

In Deutschland ist die Lage anders, dort sind in weiten Teilen der Wirtschaft die Männer tonangebend. Immerhin: Was die öffentliche Beachtung einer Beförderung betrifft, lässt eine Frau sie derzeit im Schatten stehen. Am morgigen Freitag wird Simone Bagel-Trah zur Chefkontrolleurin des Düsseldorfer Konsumgüterkonzerns Henkel aufsteigen, und schon seit Tagen ist das Konterfei der attraktiven 40-Jährigen in Zeitungen und Zeitschriften zu sehen. Sympathisch sei sie, unprätentiös, kompetent und noch dazu stets elegant gekleidet, heißt es. Kurz: Von so vielen Vorschusslorbeeren wie für die Dame können viele ihrer männlichen Pendants nur träumen.

Der Wirbel um Bagel-Trah hat seinen Grund, schließlich ist sie die erste Frau hierzulande, die es überhaupt an die Spitze eines Dax-Aufsichtsrats schafft. Doch die Personalie ruft bei Leuten, die quasi von Amts wegen für mehr Frauen in der Wirtschaft kämpfen, nicht nur gute Laune hervor: „Die Inthronisierung von Frau Bagel-Trah hat Symbolkraft, und darüber freue ich mich“, sagt Jutta von Falkenhausen, Rechtsanwältin und Vizechefin der Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsräte (Fidar). Doch die Freude sei nicht ungetrübt. Denn der Wirbel zeige klar: „Frauen sind in derart hohen Positionen hierzulande auch heute noch alles andere als Normalität.“

Seit Jahren schon fordern Experten, Frauen mehr Zutritt zu den Chefetagen in Unternehmen zu verschaffen. Doch wie eine gerade veröffentlichte Studie des Instituts für Unternehmensführung am Karlsruher Institut für Technologie zeigt, sind höhere Hierarchie?ebenen deutscher Unternehmen noch immer auf weiten Strecken Männervereine. Der Untersuchung zufolge waren im vergangenen Jahr nur 8,2 Prozent der Aufsichtsräte in den 600 bedeutendsten Unternehmen hierzulande weiblich. Die – vergleichsweise häufiger weiblichen – Vertreter der Arbeitnehmer in deutschen Kontrollgremien herausgerechnet, waren es sogar nur vier Prozent. „Ein verheerendes Bild“, wie Hagen Lindstädt, Professor am Institut für Unternehmensführung, es formuliert. „Es kann doch nicht klug sein, dass man bei der Besetzung von Toppositionen fast die Hälfte der Intelligenz außen vorlässt und so massenhaft Ressourcen vergeudet.“

Dabei geht es Experten zufolge nicht nur darum, brachliegende Ressourcen auszuschöpfen, um so dem wegen der demografischen Entwicklung wachsenden Fachkräftemangel zu begegnen. Laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey wirken sich gemischte Führungsmannschaften sogar direkt positiv auf den Unternehmensgewinn aus. So erzielten Firmen mit vergleichsweise vielen Frauen im Vorstand ein fast um die Hälfte höheres Betriebsergebnis als Unternehmen ohne weibliche Topmanager. Grund dafür sei unter anderem, so die Experten, dass Frauen in Führungspositionen oft einen positiven Einfluss auf ihr Arbeitsumfeld und das Wertesystem eines Unternehmens hätten – gewiss weiche Faktoren, die sich aber offenbar auch in messbaren Zahlen niederschlagen.

Nicht zuletzt aus strategischer Sicht sei es für Firmen künftig dringend erforderlich, den Anteil von Frauen in Führungspositionen drastisch zu erhöhen, sagt Fidar-Vizepräsidentin von Falkenhausen: „Frauen sind eine gigantische Einkaufsmacht, zumal sie oft auch Kaufentscheidungen für ihre Partner und Kinder treffen“, argumentiert die Anwältin. „Und wer sollte besser als weibliche Topmanager wissen, wie man diese Konsumentinnen am besten erreichen kann?“

Diese Einsichten sind kein Novum für Personalverantwortliche, und auch der Fachkräftemangel belastet nicht erst seit gestern die Betriebe. Entsprechend wundert es nicht, dass es sich Unternehmen bereits seit Jahren auf die Fahnen schreiben, mehr Frauen an Bord zu holen. Nur ist der Erfolg bislang ausgeblieben: In den 68 Vorstandsposten der zehn umsatzstärksten deutschen Unternehmen ist mit Siemens-Managerin Barbara Kux nur eine einzige Frau vertreten.

Im europäischen Vergleich liegt Deutschland hinten

Im europäischen Vergleich der Frauenquote in den Kontrollgremien großer börsennotierter Unternehmen schneidet Deutschland ebenfalls schlecht ab: Laut EU-Kommission sind hierzulande gerade einmal 13 Prozent der Aufsichtsratsmandate mit Managerinnen besetzt. In Finnland sind es 20 Prozent, in Schweden sogar 27 Prozent.

Zweifellos gibt es viele Gründe, die dafür verantwortlich sind, dass Frauen auf der Karriereleiter so häufig auf unteren Stufen stehen bleiben – und das, obwohl nachweislich mehr als die Hälfte der Absolventen von Topuniversitäten weiblich ist. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) etwa verweist allem voran auf die Doppelbelastung von Familie und Beruf, die talentierten Frauen oftmals auf zweierlei Art und Weise zum Verhängnis würden.

Zum einen werde Frauen vor diesem Hintergrund oft weniger zugetraut als Männern. Zum anderen legten karriereorientierte Frauen oft mehr Wert auf das Zusammenspiel von Lebensqualität und Karriere als ihre männlichen Kollegen – was der meist an der Lebenswirklichkeit der Männer orientierten Ausgestaltung von Topjobs zuwiderlaufe. Zudem fehlten weibliche Vorbilder, an denen sich Topmanagerinnen orientieren könnten.

Umso dringlicher fordern Experten, den Anteil von Frauen gerade in Aufsichtsräten nachhaltig zu erhöhen: Managerinnen in derart exponierter gesellschaftlicher Position könnten als Vorbild dienen, sagt Anwältin von Falkenhausen. „Da zudem der Aufsichtsrat den Vorstand bestellt, würden mehr Frauen in den Kontrollgremien vermutlich auch mehr Frauen in Vorständen nach sich ziehen.“

Eine gesetzliche festgeschriebene Quote soll her

Während wohl viele Unternehmen diese Ansicht teilen, ist der Weg, wie die Anwältin und die Fidar-Initiative ihr Ziel erreichen wollen, höchst umstritten: Per gesetzlich festgeschriebener Quote wollen die Aktivistinnen erreichen, dass Unternehmen 25 Prozent der Aufsichtsratsmandate weiblich besetzen. Neu ist die Idee nicht, wie das Beispiel Norwegen zeigt. Die SPD und die Grünen werben im Bundestagswahlkampf mit einer gesetzlich verankerten Frauenquote von 40 Prozent. „Ein Irrweg“, wie Professor Lindstädt findet: Frauen wären die ersten Leidtragenden einer solchen Regelung, argumentiert der Wissenschaftler, „sie stünden doch stets unter dem Generalverdacht, ihren Posten in erster Linie der Quote und nicht ihren Leistungen zu verdanken.“

Zudem sehen es Corporate-Governance-Experten traditionell skeptisch, wenn sich der Staat derart in die Belange von Unternehmen einmischt. Eine starre Frauenquote für die Besetzung von Aufsichtsräten sei zudem verfassungsrechtlich problematisch, mutmaßen Juristen.

Zumindest von den Zahlen her hat das Beispiel Norwegen gezeigt, dass eine gesetzliche Regelung nachhaltig Wirkung zeigen kann – mit einer Frauenquote von 41 Prozent hat das Land heute europaweit die Nase vorn. Zwar gilt Norwegen in puncto Gleichstellung der Geschlechter seit jeher als vorbildlich, doch auch dort waren Aufsichtsräte über Jahrzehnte hinweg vor allem in männlicher Hand.

Einen unschönen Nebeneffekt gibt es allerdings: Da auch in dem skandinavischen Land qualifizierte Frauen für derartige Toppositionen dünner gesät sind als ihre männlichen Pendants, haben etliche Managerinnen heute Aufsichtsratsmandate gleich in Dutzenden von Firmen – und das gilt als nicht gerade wünschenswert im Sinne einer guten Unternehmensführung.