Geldanlagen

Warum Immobilien kaum Schutz vor Inflation bieten

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Michael Fabricius

Die Angst vor der Geldentwertung wächst. Viele Bürger flüchten derzeit in Sachwerte – vor allem Immobilien –, um sich vor der Inflation zu schützen. Wer jedoch am falschen Ort investiert, macht einen Fehler: Denn die meisten Häuser in Deutschland haben in den vergangenen Jahren real an Wert verloren.

My home is my castle. Mein Heim ist meine Burg. Auf diesen alten Spruch besinnen sich zurzeit viele Bürger – und gehen auf die Suche nach einem Haus oder einer Wohnung. Sie wollen Schutz vor der Wirtschaftskrise, vor allem aber vor Inflation. Ansteigende Staatsschulden, Kreditprogramme und Niedrigzinsen erzeugen Ängste vor einer unkontrolliert wachsenden Geldmenge und in der Folge steigenden Preisen. Manche fürchten sich vor dem Wertverlust ihrer Ersparnisse, andere vor steigenden Mieten und Armut im Alter. In den eigenen vier Wänden – so die Vermutung – kann einem nichts passieren. Und das klassische Zinshaus war doch schon immer ein Renditebringer, meinen viele Anleger, die sich an Währungsreform und Hyperinflation erinnert fühlen.

„Die Frage nach Inflationsschutz kommt in fast jedem unserer Kundengespräche“, sagt Heinz-Günter Goeke, Abteilungsleiter Immobilien bei Merck Finck & Co. Privatbankiers. Auch bei anderen Banken und Sparkassen suchen Kunden und Berater nach Strategien gegen die gefürchtete Geldentwertung. Dem Aktienmarkt trauen zurzeit nur wenige Anleger nachhaltige Renditen zu, die Zinsen für Anleihen und Tagesgeld sind mau, Immobilienkredite dagegen sind günstig. Und so steigt die Nachfrage nach Wohnungen sprunghaft an. In Hamburg etwa, berichten Makler, wird das Angebot interessanter Miethäuser schon knapp. „Auch in Stuttgart gibt es verstärkte Nachfrage“, sagt Hennrik Kipper, Leiter private Immobilien beim Bankhaus Ellwanger & Geiger.


Die Anhänger der Immobilie nehmen zwei Argumente für sich in Anspruch. Erstens: Wenn ich mich für eine Immobilie verschulde, wird der Kredit im Laufe der Zeit durch Inflation entwertet. Der Sachwert der Immobilie bleibt jedoch erhalten. Zweitens: Parallel zu Preissteigerungen kann auch die Miete steigen, meine Einnahmen bleiben also stabil. Und wer die Immobilie selbst bewohnt, denkt sich: Bei jährlich zwei Prozent Wertsteigerung des Hauses habe ich einen prima Inflationsausgleich.

Beide Argumente stimmen – jedoch nur in der Theorie. Entscheidend für den Wert eines Hauses heute und in Zukunft sind nach wie vor Lage, Substanz und Wirtschaftskraft vor Ort – und nicht das allgemeine Zinsniveau. Hinzu kommen viele weitere Markteffekte, die vor jedem einzelnen Kauf zu prüfen sind. „Wer allein aus Gründen der Inflationsabsicherung kauft, handelt ähnlich wie die vielen Investoren, die aus steuerlichen Gründen in den 90er-Jahren in Immobilien investiert haben. Vielen ist zu spät aufgefallen, dass es eigentlich um Rendite und Wertentwicklung geht“, sagt Thomas Beyerle, Chefresearcher der Immobilieninvestmentgesellschaft Degi.

Doch selbst in Deutschland, dem Land mit der zweitschwächsten Geburtenrate Europas, sind steigende Wohnungsnachfrage und damit steigende Preise möglich. Viele Städte profitieren entweder von Bevölkerungswachstum, höheren Ansprüchen an Wohnungen – oder beidem. „Einige Bauträger konzentrieren sich auf die Innenstädte, und hier auf die Errichtung hochwertiger Eigentumswohnungen. Damit liegen sie unter Umständen richtig“, sagt Andreas Schulten, Vorstand des Marktforschungsunternehmens BulwienGesa. Das Einfamilienhaus in der Vorstadt als Geldwertstabilisator dagegen wird von Beobachtern kritisch gesehen, da die wachsende kaufkräftige Gruppe der über 50-Jährigen hier nicht als Nachfrager auftritt.

In den besten Stadtlagen können sich Investoren dagegen ihrer Sache meistens sicher sein. „In Hamburg und München gibt es Häuser, die seit über hundert Jahren regelmäßig Rendite abwerfen. Auch woanders gibt es Lagen, die man als sicherer als eine deutsche Staatsanleihe bezeichnen kann. Immerhin haben manche Gebäude schon zwei Kriege und mehrere Währungsreformen überstanden“, sagt Christian Wittke, Prokurist bei Berenberg Privat Capital.

"Sahne-Standorte" gehen unter

Solche so genannten „Sahne-Standorte“ gehen in der globalen Statistik, die ein Szenario der Entvölkerung beschreibt, unter. So hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) festgestellt: In den vergangenen 25 Jahren stiegen die Preise für Eigenheime und Eigentumswohnungen jährlich nur um 0,2 Prozent. Die Inflation legte während dieses Zeitraums jährlich nur um ein Prozent zu. Und die NordLB-Tochter Deutsche Hypo rechnete in der vergangenen Woche vor: „Die Zahl potenzieller Käufer wird in den nächsten 30 Jahren um 20,5 Prozent, in 40 Jahren gar um 25,3 Prozent schrumpfen.“ Es drohe ein breiter Wertverfall bei Häusern und Wohnungen. Der Hypoport-Index, der anhand von Darlhensvergaben die Preise berechnet, zeigt ein Schrumpfen der Durchschnittspreise im Bestand seit Januar 2005 von 204.856 Euro auf nur noch 168.375 Euro Ende März dieses Jahres. Das entspricht einem Preisrückgang von 17,81 Prozent. Doch all dies ist vor allem auf Preisrückgänge in strukturschwachen Regionen zurückzuführen.

„Kaufen kann man in Metropolregionen, die nachhaltig sind, also langfristig einen positiven Wanderungssaldo aufweisen“, sagt Berenberg-Bank-Experte Wittke. Zu beachten seien aber auch Wanderungsbewegungen innerhalb der Städte. Der Mietindex von BulwienGesa für 125 deutsche Städte gibt ihm recht: Die Wohnungsmieten im Neubau stiegen im vergangenen Jahr um 2,5 Prozent. Kaufpreise für Reihenhäuser und Grundstückspreise für Eigenheime gingen dagegen um 0,1 Prozent zurück.

Wer auf der Suche nach guten Lagen in den Städten jeden Preis akzeptiert, droht jedoch in eine Falle zu laufen „Generell funktioniert eine Immobilie als Inflationsschutz besser bei sinkenden Zinsen“, sagt Merck-Finck-Experte Goeke. Bei steigenden Zinsen – eine Begleiterscheinung grassierender Inflation – würden auch die Finanzierungskosten teurer. Spätere Käufer müssten also schon für den Kredit mehr bezahlen, seien also weniger bereit, einen Preisaufschlag auf die Immobilien hinzunehmen.

Und auch Staffel- oder Indexmiete bieten keinen Ausweg. Versucht ein Vermieter, angesichts hoher Inflation einfach die Miete anzuheben, suchen sich die Mieter eine andere, günstigere Wohnung. Mit diesem Effekt sollten Investoren in Städten wie Berlin rechnen, wo noch viele Wohnungen in benachbarten Bezirken leer stehen. Und es ist ein Grund, warum die erst seit 1993 erlaubte Indexierung von Wohnraummietverträgen sich in der Praxis nicht durchgesetzt hat. Immobilienkäufer sind also dazu gezwungen, wertstabile Objekte zu finden. Denn auch der Trick mit der Entwertung hoher Schulden funktioniere nicht, betont Hennrik Kipper von Ellwanger & Geiger. Einerseits drohe Wertverfall der Ersparnisse, die wegen der hohen Schuldenquote nicht für den Hauskauf eingesetzt wurden. Andererseits geht der Käufer ein hohes Zinsrisiko bei der Anschlussfinanzierung ein: „Die Strategie, sich hoch zu verschulden, um den Kredit von der Inflation entwerten zu lassen, führt zur Entwertung des nicht in die Finanzierung eingesetzten Eigenkapitals.“ Gerade die Krise erfordere hohen Kapitaleinsatz, sagt Kipper: „Verbunden mit den gestiegenen Bonitätsanforderungen der Banken, verringert der Immobilieneigentümer durch den Einsatz eigener Mittel sein Risiko bei der Anschlussfinanzierung durch die geringere Restvaluta. Dies ist insbesondere in Niedrigzinsphasen von besonderer Bedeutung, da die Wahrscheinlichkeit, den Kredit zu einem späteren Zeitpunkt zu teureren Konditionen verlängern zu müssen, sehr hoch ist.“