Jahrelang verdienten die meisten deutschen Unternehmen prächtig. Doch die Profite sinken drastisch. Die schwache Konjunktur und der starke Euro machen den Firmen das Leben schwer, Konsumenten ächzen unter Preisexplosionen bei Lebensmitteln und Benzin. Auch vom Arbeitsmarkt gibt's schlechte Nachrichten.
Den Anfang machte Daimler. Der sonst so erfolgsverwöhnte Autohersteller musste einen drastisch gesunkenen Gewinn für das zweite Quartal melden. Einen Tag später schockte der Versicherer Münchner Rück die Börsen mit schlechten Zahlen. Deutsche Bank, Postbank und BMW setzten die Serie von Negativnachrichten in den vergangenen Tagen fort.
Wohin man auch schaut, die Warnungen vor Gewinneinbrüchen häufen sich. „Die Unternehmen werden derzeit von mehreren Seiten in die Zange genommen“, warnt Andreas Rees, Chefökonom Deutschland von Unicredit. „Die weltweite Nachfrage sinkt, gleichzeitig lassen sich die steigenden Kosten nicht einfach auf die Kunden überwälzen.“ Auch Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank, sorgt sich um die Firmenbilanzen: „Von einer weichen konjunkturellen Landung kann man nicht mehr sprechen“, sagt er. „Wir stehen vor einer holprigen Landung“, die auch „die Gewinne der Unternehmen in Mitleidenschaft ziehen“ wird.
Jahrelang waren die Gewinne deutscher Unternehmen kräftig gewachsen, weitaus schneller jedenfalls als die Einkommen der Arbeitnehmer. So stieg die Gewinnquote – der Anteil der Unternehmenserträge am Volkseinkommen – auf den höchsten Stand seit den 60er-Jahren. Kaum verwunderlich, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstand, der lang ersehnte Aufschwung ziehe an der breiten Bevölkerung vorbei, während es Großunternehmen und ihren Anteilseignern besser gehe denn je.
Tatsächlich profitierten aber durchaus auch die Arbeitnehmer von den hohen Gewinnzuwächsen. Denn die waren die Voraussetzung dafür, dass die Firmen wieder kräftig investierten am Standort Deutschland – und so dem Aufschwung zusätzlich Dynamik verliehen. Einen Prozentpunkt werden alleine die Investitionen in diesem Jahr zum Wirtschaftswachstum in Deutschland beitragen, das ist fast so viel wie Außenhandel und privater Konsum zusammen.
Damit könnte bald Schluss sein. So robust nämlich, wie es lange schien, stehen manche Konzerne womöglich doch nicht da. Das jedenfalls suggeriert ein Blick auf die Ertragsschätzungen der Aktienanalysten. Die rechnen für die 30 deutschen Dax-Konzerne in diesem Jahr mit einem Gewinnrückgang von sechs Prozent – nach einem Plus von über 20 Prozent im Jahr 2007.
Der starke Euro hinterlässt Spuren
Nach wie vor gibt es zwar einige Branchen, die mit guten Geschäften rechnen, die Stahlhersteller etwa und die Energieversorger. Aber in den meisten Wirtschaftszweigen werden derzeit die Absatz- und Gewinnerwartungen nach unten revidiert, ergab eine nicht repräsentative Umfrage von Morgenpost Online.
Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau hat in den vergangenen Jahren den stärksten Aufschwung aller Zeiten erlebt. Auch im kommenden Jahr noch dürfte die Branche stärker zulegen als die Gesamtwirtschaft. Aber steigende Rohstoffkosten und starker Euro hinterlassen Spuren: „Die Margen werden 2008 nicht mehr das Niveau aus dem Vorjahr erreichen“, sagt Manfred Wittenstein, Präsident des Branchenverbandes VDMA.
Mit nachlassender Dynamik rechnet auch die Chemieindustrie. „Im zweiten Halbjahr wird sich das Wachstum in der Chemie weiter abflachen“, sagt Ulrich Lehner, Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie. Dramatisch könnte sich die Lage für den Automobilbau entwickeln, die Gewinnwarnungen von Daimler und BMW sind womöglich erst der Anfang gewesen. Schon jetzt leidet die Branche unter den hohen Rohstoffkosten; und erst im kommenden Jahr werden die Hersteller die Preisexplosion beim Stahl so richtig zu spüren bekommen.
Die Finanzkrise ist nicht ausgestanden
Die Branche muss sich „auf magerere Zeiten bei der Profitabilität einrichten“, sagt Nikolaus Soellner von der Beratungsgesellschaft AT Kearney. Im Handel leiden viele Ketten extrem unter der Kaufunlust der Deutschen, Wehmeyer und jetzt auch Hertie sind pleitegegangen. Einzig die Großkonzerne wie Douglas und Metro verbreiten Optimismus: „Wir spüren in Deutschland noch keine negativen Wirkungen wegen der gestiegenen Inflation“, sagt Douglas-Chef Henning Kreke.
Für Banken und Versicherungen ist die Finanzkrise auch nach Milliardenabschreibungen nicht ausgestanden. Bernhard Schareck, Präsident des Versicherungsverbandes GDV, erwartet auf unabsehbare Zeit erschwerte Bedingungen. Weltweit leiden Luftfahrt und Touristik besonders unter den hohen Ölpreisen. Allerdings steht der deutsche Airline-Marktführer Lufthansa auch im internationalen Vergleich als ein Primus da.
Doch selbst wenn einzelne Konzerne oder gar ganze Branchen weiter gut verdienen: Schon bald dürften in den meisten deutschen Vorstandsetagen nicht mehr Investitionspläne beraten werden, sondern Kostensenkungsprogramme.
Und dann werden die sinkenden Gewinne auch die Arbeitnehmer treffen: „Es gibt bereits anekdotische Evidenz, dass die Bereitschaft zu Neueinstellungen sinkt und dass Unternehmen restrukturieren und entlassen wollen“, sagt Stefan Schneider von Deutsche Bank Research. „Mit der Erholung am Arbeitsmarkt dürfte es Ende dieses Jahres vorbei sein.“