Nach zwei Wochen im Dauertest ist klar: Das MacBook Air ist ein gutes Notebook. Notizen zum jüngsten Kapitel der Apple-Geschichte.

Wie nähert man sich einem Phänomen wie dem just vorgestellten kleinen MacBook Air am besten? Durch das Herunterrasseln von Zahlen und Fakten - 30 × 19,2 Zentimeter Grundfläche, 0,3 bis 1,7 Zentimeter dünn, spiegelndes Display mit einer Auflösung von 1366 × 768 Pixeln, zwei USB-Anschlüsse, weder Ethernetanschluss noch SD-Karten-Leser? Wohl kaum. Warum, das ist nicht so einfach zu erklären.

Neulich in einer Künstlerkaschemme erzählte ein nervöser Münchner Elektro-Choreograph von den Gewissensbissen, die er seit geraumer Zeit verspüre, wenn er seine Tänzer, wie er das eigentlich gern tut, Apple-Computer über die Bühne tragen und digitale Bilder ins Dunkel malen lässt. Gerade die von Jahr zu Jahr raffinierter werdenden Notebooks seien ihm stets als multimediale Utopie erschienen, als aus wunderbarer Zukunft herbeiflatternde Götterboten auf Glasfaserflügeln. Sie waren Schöngeister und Hippies: Die 1750 Dollar Startkapital für die Firma waren 1976 immerhin großteils aus dem Verkauf von Steve Jobs' Flower-Power-VW-Bus gekommen. Und dann der angebissene Apfel auf der Display-Rückseite. So was musste man sich erst mal trauen, und das leuchtete dann so anarchisch und gleichzeitig so cool.

"Apple träumt den Designtraum der Moderne weiter"

Nun aber, da Apples göttliche Weltherrschaft gar nicht mehr so verträumt-abwegig erscheint, sondern - als drittwertvollste Marke überhaupt, mit einem Umsatzwachstum allein dieses Jahr von rund 50 Prozent, mit geschmeidigen Apple-Stores, die allenthalben aus dem Boden schießen - so greifbar nah wie ein Apfel, den man sich vom Baum pflückt, hatte der Elektro-Künstler plötzlich Bedenken: Die "Magie", die Apple-Chef Jobs bei seinen berühmten Auftritten mit Vorliebe bemüht, um seinen jeweils neuesten Streich in Worte zu fassen, diese Magie wäre womöglich nicht weiß wie vormals MacBook und iPod. Sondern schwarz wie Jobs' Rollkragenpullover und das neue iPhone. Oder zumindest grau, auf dem Weg von Weiß nach Schwarz - eben wie die aktuelle MacBook-Pro-Linie und das neue MacBook Air.

Der deutsche Designpapst a.D. Dieter Rams, über 30 Jahre bis Mitte der 90er Braun-Chefdesigner, sieht das entspannter. Auf die Frage, ob er sich von Jonathan Ive - als "Senior Vice President of Industrial Design" Apples oberster Linienrichter - nicht um sein geistiges Eigentum gebracht sehe, weil sich seit Jahren fast jedes neue Gerät aus dem kalifornischen Cupertino ausnimmt, als hätte man einen anderen Rams-Klassiker von der Straße geklaut, tiefergelegt und umgespritzt, sagte Rams im Frühling dieses Jahres sinngemäß: "Apple träumt den Designtraum der Moderne weiter." Er, Rams, sehe die Gestaltung der Geräte durchaus als Hommage, und das mache ihn stolz. Denn: "Apple baut einfach tolle Sachen."

Das hat ganz konkrete Auswirkungen: Ein Freund - besessen von der Idee, sich das perfekte Notebook zuzulegen - verbrachte ganze Tage damit, kopfschüttelnd und seufzend durch große Elektroläden zu schlendern. Stets setzte er die Hoffnung auf ein neues Modell, um sie tags darauf, beim Antesten, vernichtet zu sehen. Man ging ihm schon aus dem Weg, weil er von nichts Anderem mehr sprach. Dann kaufte er sich ein MacBook Pro, und seitdem ist Ruhe. Er lächelt jetzt immer sehr selig.

"Gutes Design ist so wenig Design wie möglich", lautet der letzte, womöglich wichtigste Satz der "Zehn Regeln für gutes Design", die Dieter Rams vor Jahren formulierte. Und damit sind wir endlich beim neuen MacBook Air mit dem Elf-Zoll-Bildschirm. Beziehungsweise: Wir waren schon die ganze Zeit bei ihm. Aber man kann eben am besten von ihm reden, indem man von ihm schweigt. Seine Großartigkeit liegt vor allem in seiner Unsichtbarkeit.

Das MacBook Air ist ein echter "Laptop"

Offiziell wiegt es ein Kilo, aber gefühlt ist das ein Hauch von Nichts. Auf dem sogenannten "Chiclet"-Keyboard, dessen Tasten sich wie nahtlos durch den aus einem einzigen Aluminiumblock gefrästen Körper recken, schreibt es sich bedenkenlos gut. Das heißt - und das gilt für das ganze Gerät - Gedanken und Bedenken beschränken sich auf den eigenen Kopf, auf das eigene Thema. Die Technik stellt sich total in diesen Dienst, macht selbst kein Kopfzerbrechen.

Überhaupt ist das kleine MacBook Air das zur Zeit wohl unübertroffene Notebook für mobile Vielschreiber - Studenten, Journalisten, Schriftsteller, frequent fliegende Manager. Neben der ausgezeichneten, normalgroßen (!) Tastatur, die sich fast über die gesamte Gehäusebreite erstreckt, ist der Bildschirm sagenhaft brilliant. Apples Betriebssystem OS X hatte neben vielen Vorteilen bislang einen gewaltigen Nachteil: die Schriftdarstellung. An den Rändern wurden die Buchstaben unscharf, schienen auszufransen. Windows mit seinem "Clear Type"-System hatte hier lange die Nase vorn.

Das ist nun, dank des hochauflösenden Displays, vorbei. Automatische Helligkeitseinstellung und Hintergrundbeleuchtung der Tasten - wie vom MacBook Pro und auch von der letzten Generation des Air gewohnt - sucht man freilich vergeblich. Kinkerlitzchen. Das Freiheitsgefühl - auf dem Rücken liegend, den kleinen Computer auf den angewinkelten Knien balancierend und immer noch angenehm tippend - macht diese Aussparungen allemal wett.

Es wäre zudem unsinnig, dem Gerät Unzulänglichkeiten vorzuhalten, die seine Designer niemals anstrebten. Ein Porsche ist auch, obwohl man mit ihm keine Umzüge veranstalten kann, ein tolles Auto. Das kleine MacBook Air ist - im Gegensatz zu den allermeisten Drei-Kilo-Hochstaplern auf dem Notebook-Markt - ein echter "Laptop". Es ist mobil wie ein iPad, aber kein reines Konsum-, sondern ein entschiedenes Produktionsgerät. Und zwar für Gedankenarbeit - Lesen, Schreiben, Video-Gucken (es ist das erste Apple-Notebook mit 16:9-formatigem Bildschirm). Sein stromsparender, mit in der Grundausstattung 1,4 Gigahertz getakteter Prozessor ist im Zusammenspiel mit dem Flash-Speicher, der die mechanische Festplatte ersetzt, zwar rasant (bei den meisten Aufgaben nicht mehr als 15 Prozent langsamer als das einfach ausgestatte aktuelle MacBook Pro). Rechenintensiven Video-Schnitt oder 3D-Rendern sollte man dem Air und sich selbst dennoch ersparen.

Alltägliche Anwendungen wie Email, Kalender, Browser mit 15 Tabs, das ebenfalls gerade erschienene Office 2011, iTunes, etc. flitzen hingegen einträchtig dahin. Die Batterie, die den größten Teil des flachen Chassis einnimmt, hält unter solcher Belastung drei, vier Stunden. Dimmt man den Bildschirm und schaltet W-LAN aus, liegen die von Apple annoncierten fünf Stunden in Reichweite. Das gilt auch für den Preis: Ab 999 Euro ist es zu haben; günstiger war ein Mac noch nie.

Doch, wie gesagt, kommt man dem Gerät mit schierem Auftürmen von Statistiken nicht bei. In seiner Unsichtbarkeit und weitgehenden Lautlosigkeit - apropos: die Stereolautsprecher klingen überraschend voll und klar - ist es die zur Zeit vollkommenste Verkörperung der Idee des Laptops. Eine weitere Rams'sche Regel besagt: "Gutes Design ist konsequent bis ins letzte Detail." Auch nach zwei Wochen intensiver Nutzung lässt sich weit und breit kein inkonsequentes Detail blicken.

Es kann wohl nur außerhalb der Maschine gefunden werden, in der Inkonsequenz der Geschichte von Apple, die den Münchner Künstler so verstörte: Der Underdog müsse doch Underdog bleiben. Es ist natürlich längst an der Zeit, eine andere Geschichte zu erzählen. Das kleine MacBook Air ist deren jüngstes Kapitel.