Ifa-Messe

Plötzlich sind die Deutschen im Fernsehrausch

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Lars Winckler

Mitten in der Wirtschaftskrise boomt der Absatz von Flachbildfernsehern – und in wenigen Tagen legen ARD und ZDF den Schalter für eine TV-Revolution um. Der neue sogenannte HD-Standard verbessert die Bildqualität enorm. Von der Euphorie zu profitieren scheint die weltgrößte Messe für Unterhaltungselektronik, die Ifa.

Es war der Schritt in ein neues TV-Zeitalter: 1967 startete Willy Brandt das deutsche Farbfarbfernsehen in Berlin – mit einem Knopfdruck auf der „Großen Deutschen Funk-Ausstellung“, wie die Ifa damals hieß. 42 Jahre später scheint sich die Geschichte zu wiederholen. ARD und ZDF beginnen mit dem sogenannten HD-Fernsehen. Und haben sich dafür wieder die Hauptstadt ausgesucht.

Die Öffentlich-Rechtlichen übertragen die Leichtathletik-WM vom 15. bis 23. August im neuen Standard. HD steht dabei für „High Definition“, bezeichnet eine deutlich höhere Bildqualität als bislang (siehe unten). Der Start des neuen Fernsehens spielt vor allem der Ifa in die Hände, die nur wenige Tage später am 4. September ihre Pforten öffnet.

Während fast alle deutschen Messen mit teils herben Besucher- und Ausstellerrückgängen kämpfen, frohlocken die Berliner. „Wir werden mit rund 200.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche das Rekordniveau des Vorjahres halten“, sagt Christian Göke, Geschäftsführer der Messe Berlin. Alle großen Hersteller hätten zugesagt. Mit Pioneer, Sennheiser und Vodafone würden mitten in der Wirtschaftskrise sogar Branchengrößen zurückkehren, die der Ifa in den vergangenen Jahren ferngeblieben seien. Auch die Zahl der Besucher soll 2009 stabil bleiben.

Vor allem ausländische Hersteller scheint die Aussicht auf das große Geschäft anzulocken. Denn der deutsche Markt für Unterhaltungselektronik hat im ersten Halbjahr ein überraschendes Wachstum hingelegt: Laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) stand bis Mai ein Plus von mehr als drei Prozent, am Ende des Jahres werden nun wohl mehr als 23 Mrd. Euro umgesetzt. „Deutschland ist dabei deutlich besser als der Rest Europas“, so Hans-Joachim Kamp vom Ifa-Veranstalter Gfu. Noch vor wenigen Monaten hatte er einen deutlichen Umsatzeinbruch erwartet. Ein Grund für den unverhofften Aufschwung: Die Deutschen sind verrückt auf Flachbildfernseher – wohl auch wegen der bevorstehenden TV-Revolution.

Die Leichtathletik-WM ist dabei nur der Appetitanreger. Ihr gesamtes Programm wollen die Öffentlich-Rechtlichen erst Anfang Februar auf HD umstellen. Streit gibt es allerdings noch mit den Privatsendern wie RTL und ProSiebenSat.1. Sie wollen zwar ebenfalls bald in HD übertragen, ihr Programm aber verschlüsseln. Auf diese Weise soll vor allem das Kopieren von Spielfilmen unterbunden werden. Doch ältere Empfangsgeräte, sogenannte HD-Receiver, kommen mit der Verschlüsselung meist nicht zurecht. Das Hickhack könnte die Verbraucher verunsichern und den HD-Durchmarsch stoppen. Ein Ausweg wird möglicherweise am Rande der Ifa gefunden. Die TV-Verantwortlichen treffen bei der Medienwoche aufeinander, dem Kongress, der die Messe begleitet.

Was gibt es noch auf der Ifa? „Wir werden die Verzahnung von Internet und Fernsehen erleben“, sagt Michael Schidlack, Experte beim Bitkom. Viele neue Fernseher seien mit einem entsprechenden Anschluss ausgerüstet. Auch der DVD-Nachfolger Blu-ray steht hoch im Kurs. „Wer einen Flachbildfernseher hat und darauf die bestmögliche Bildqualität erleben will, kommt mittelfristig um Blu-ray nicht herum“, so Schidlack. Daran würden auch die Download-Angebote aus dem Internet erst einmal nichts ändern, weil sie noch immer nicht ausgereift seien.

Noch zwei Ifa-Trends: Haushaltsgeräte werden noch energieeffizienter. Und für das Wohnzimmer gibt es mit „Wireless HDMI“ eine neue drahtlose Verbindung, die etwa Filmdaten überträgt.Klar ist aber auch: In diesem Jahr ist erneut viel Aufklärungsarbeit nötig. Schidlack: „Viele Kunden haben immer noch nicht verstanden, was HD ist.“

Hintergrund:

Was ist HD-Fernsehen? HD steht für "High Definition", also hochauflösendes und besonders scharfes Fernsehen. Die Bildqualität ist deutlich besser als beim herkömmlichen PAL-Signal, das in Deutschland jahrzehntelang der vorherschende Standard war. HD spielt seine Stärken vor allem bei großen Fernsehgeräten aus – denn bei ihnen wirkt PAL zu grobkörnig.

Zum Empfang genügt ein Flachbildfernseher mit "HDready" oder "FullHD"-Logo, die bereits seit mehreren Jahren im Handel sind. 14 Millionen Stück wurden nach Angaben der Industrie davon bereits in Deutschland verkauft. Voraussetzung ist zudem ein HD-Empfangsgerät, das die Bilddaten aufbereitet. Diese "HD-Receiver" kosten etwa 200 Euro. Die Programme gelangen wie bislang über Kabel, Satellit oder schnellem Internet (etwa VDSL von T-Home) ins Wohnzimmer. Der Antennenempfang per DVB-T ist bislang nicht in Sicht.

Fernsehgeräte gehen online: Praktisch alle neuen Fernsehgeräte der Mittel- und Oberklasse besitzen einen Internetanschluss. Damit zeigen sie herkömmliche Webseiten an, aber auch speziell angepasste: So gibt es etwa vom Nachrichtenportal Morgenpost Online eine Version für Fernseher, in der die Schrift vergrößert dargestellt wird - damit sie vom Sofa besser zu erkennen ist.

Große Hoffnungen in die neue Technik setzen auch die TV-Sender. Sie wollen ihr Programm mit dem Internet verzahnen. Der Zuschauer kann vom Sofa aus mit dem Programm interagieren, sich Zusatzinfos anschauen oder Fragen zur laufenden Sendung stellen.

Datum der Ifa: 4. bis 9. September. Preise: 10 Euro Vorverkauf, 14 Euro Tageskasse, 5,50 Euro Schüler, 29 Euro Familien, 35 Euro Schulklassen samt Lehrer.