Deutschland ist eine wichtige Drehscheibe für die Vogelwelt. Zu den Vögeln, die kommen, um hier zu überwintern, zählen etwa nordische Gänsearten oder auch Rotkehlchen aus Skandinavien, die sich von der in Deutschland heimischen Art unterscheiden. Wildgänse, Störche, Kiebitze und viele andere Vögel ziehen jedes Jahr über die Bundesrepublik und nutzen sie als Rast- und Brutstätte. Insgesamt rund 500 Millionen Zugvögel sind es jedes Jahr, die hier zeitweise leben.
Von den 279 regelmäßig vorkommenden Zugvogelarten ist jedoch knapp ein Viertel in ihrem Bestand gefährdet, geht aus der ersten Roten Liste über wandernde Vogelarten in Deutschland hervor, die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und der Deutsche Rat für Vogelschutz am Montag in Bonn vorgelegt haben. Als gefährdet eingestuft wurden etwa Kornweihe, Rotschenkel, Kuckuck und Ortolan. Weitere zehn Prozent der Zugvogelarten stehen auf der Vorwarnliste. Die Bestände dieser Arten gehen bereits merklich zurück. Zu ihnen zählen Kiebitz, Turteltaube und Trauerschnäpper.
Die neue Rote Liste – bisher gab es eine solche Liste nur für in Deutschland brütende Arten – zeige die immense internationale Bedeutung Deutschlands für Gastvogelarten wie die Brandgans, die Samtente oder den Knutt auf, erklärte der Naturschutzbund Deutschland. Etwa 80 Prozent des nordeuropäischen Bestands der Brandgans versammeln sich nach BfN-Angaben im Sommer zur Mauser auf Sandbänken vor der Elbmündung.
Bundesregierung stehe hier in der Pflicht
Ein Viertel des global bedrohten Weltbestands der Samtente überwintere in der deutschen Ostsee, wo die Art durch Beifang in Fischernetzen gefährdet sei. Jeder fünfte Sterntaucher überwintere in deutschen Nordseegewässern, wo sein Lebensraum durch Windenergieanlagen beschränkt werde. Das Wattenmeer sei das wichtigste Rastgebiet für Watvögel (von ihrer Fortbewegungsweise Waten) auf dem Weg von Sibirien nach Westafrika und die norddeutsche Tiefebene das wichtigste Winterquartier arktischer Wildgansarten.
Ein Großteil des Weltbestands der bedrohten Waldsaatgans überwintere in Ostdeutschland und leide dort unter der Jagd auf ähnliche Verwandte. Die Bestände seien abhängig von effektiven internationalen Schutzmaßnahmen auf den Flugrouten, Rast- und Brutplätzen, erklären die Autoren der Roten Liste.
Die Bundesregierung stehe hier in der Pflicht, sich zu engagieren. Sie habe sich im Koalitionsvertrag zu einem verbesserten Schutz von Zugvögeln bekannt. Die Situation bei den Zugvögeln sei insgesamt etwas besser als bei Deutschlands Brutvögeln, denn dort stünden 42 Prozent auf der Roten Liste und weitere acht Prozent auf der Vorwarnliste. Doch gebe es bei bestimmten wandernden Vogelarten besondere Sorgenkinder: „Bedroht sind vor allem die weit ziehenden Arten, die bis südlich der Sahara fliegen, während solche mit nur kurzen Wanderungen innerhalb Europas weniger gefährdet sind.“