Verbraucherschutz

Die nutzlose Suche nach dem Gift im Spielzeug

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Caspar Schlenk

Foto: Getty

Verbraucher können Informationen über Nahrungsmittel oder Spielzeug einfordern. Doch die Preise sind hoch, die Antworten oft schlecht.

Für Horst Seehofer (CSU) war es nichts weniger als „ein Meilenstein in der Geschichte des Verbraucherschutzes“, der am 1. Mai 2008 in Kraft trat – das Verbraucherinformationsgesetz (VIG). Bürger sollten sich ab diesem Zeitpunkt, so der Wille des damaligen Verbraucherministers, bei staatlichen Stellen über die Gesundheitsrisiken einzelner Nahrungsmittel, Spielsachen und Kleidungsstücke informieren können. Die meisten Informationen darüber liegen bei Ämtern ohnehin vor – die Hersteller sind regelmäßig Kontrollen unterworfen. Meist sind Kommunen, oft auch Landesbehörden zuständig. Zu den Ergebnissen dieser Proben sollten auch Verbraucher Zugang erhalten.

Pünktlich zum vierten Jahrestag des VIG hat Morgenpost Online getestet, wie hoch der Anspruch auf Information ist, den der Gesetzgeber Verbrauchern an die Hand gegeben hat. Wie leicht kann ein normaler Bürger von Behörden erfahren, welche im Handel erhältlichen Kinderspielzeuge wie stark mit Schadstoffen belastet sind? Wie groß ist die Resonanz auf das Recht auf Information?

Im Jahr 2009 gab es aus ganz Deutschland gerade einmal knapp 490 Anfragen. Ein großer Teil davon kam dabei noch nicht einmal von Privatleuten, sondern von Umwelt- und Verbraucherverbänden – Beschwerdeprofis also. Das hat eine aktuelle Auswertung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ergeben. „Der Verbraucher möchte schnell und kostenlos an Informationen kommen“, sagt Roland Stuhr vom Verbraucherzentrale-Bundesverband. „Doch mit dem VIG ist das momentan nicht möglich.“

Die Mühlen mahlen langsam

Auch die Anfragen von Morgenpost Online offenbaren, wie mühsam der Gang durch die Instanzen derzeit zum Teil noch ist. Um an die Testergebnisse der Behörden zu gelangen, muss zunächst geklärt werden, welches Amt überhaupt Informationen über das Spielzeug besitzt. Das Bundesamt für Verbraucherschutz hat auf der Internetseite www.vig-wirkt.de Informationen über das VIG zusammengestellt. Bürger finden hier auch eine Behördensuchmaschine – über die Postleitzahl des jeweiligen Herstellers erhält man Ansprechpartner mit Telefonnummer und Mail-Adresse.

Jetzt müssen Verbraucher die Behörde schriftlich auffordern, mögliche Testergebnisse mit Grenzwertüberschreitungen herauszugeben: In einem Brief müssen sie ihre Frage und den Produktnamen nennen. Verbraucherschützer kritisieren, dass die Anfragen als Brief eingereicht werden müssen: Allerdings nehmen es nicht alle Ämter so genau mit der Papierform: Morgenpost Online hat immer per E-Mail angefragt. Drei Viertel der Ämter antworteten klaglos, ein Viertel bestand auf dem Brief, reagiert haben alle.

Um die Frage nach den Inhaltsstoffen der betreffenden Produkte selbst zu beantworten, haben die Ämter einen Monat Zeit. Diese Frist verlängert sich, wenn es in der Anfrage nicht um allgemeine Zahlen von belasteten Nahrungsmitteln oder Spielzeugen geht, sondern um ein Produkt mit eindeutigem Hersteller. Dann hat das betroffene Unternehmen ebenfalls einen Monat Zeit, gegenüber dem Amt Stellung zu nehmen. „Der Hersteller kann zum Beispiel die Untersuchungsmethodik anzweifeln oder auf eine Probenverwechselung hinweisen“, sagt Ivan Chotjewitz, Jurist im Verbraucherschutzministerium Brandenburg.

150 Euro für eine Holzeisenbahn

Der Bürger muss also Geduld mitbringen. Vor allem aber muss er zahlen: Informationen über die Schadstoffbelastung einer Holzeisenbahn sollten 150 Euro kosten. Das Landesamt für Verbraucherschutz in Niedersachsen forderte für Informationen über drei Spielzeuge „minimal 300 Euro“. Ob ein Amt die Anfrage in Rechnung stellt und wie hoch sie ausfällt, ist jedes Mal ein Vabanquespiel. Jedes Bundesland hat derzeit noch eine eigene Gebührenordnung, die im Einzelfall zudem von Verwaltung und Gerichten höchst unterschiedlich ausgelegt werden kann. In Niedersachsen kosten Anfragen zwischen 27 und 500 Euro, Nordrhein-Westfalen fordert zehn bis 1000 Euro. Wie viele Informationen die Behörde dafür herausgibt, liegt am Ende ebenfalls in deren eigenem Ermessen. Sind Behörden verbraucherfreundlich, teilen sie mit, auf welche Stoffe ein Spielzeug im Einzelnen untersucht wurde, und liefern die genauen Messergebnisse.

Sind die Behörden zu zahm?

Die Qualität der Antworten auf die 20 Anfragen über zehn Produkte an Verbraucherministerien und Lebensmittelämter in ganz Deutschland fiel äußerst unterschiedlich aus. In keinem Fall teilten die Behörden eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte mit. Meistens kam die Nachricht, dass es „keine Beanstandungen“ gegeben habe. Behörden schickten mithin lediglich ein knappes „Alles okay“.

Gerade wenn keine weiteren Testergebnisse beiliegen, sehen Experten solche Auskünfte kritisch. Sind Grenzwerte nämlich nur leicht überschritten, geben Ämter das nicht unbedingt an Bürger weiter, sagt Verbraucherschützer Stuhr. „Das hängt sehr vom Bundesland und von der dortigen Rechtsprechung ab.“ Höhere Anforderungen an Grenzwerte, als sie das Gesetz stellt, haben beispielsweise die Prüfer der Stiftung Warentest. Bei ihnen sind alle hier im Test angefragten Produkte in irgendeiner Form auffällig gewesen.

Die Bundesregierung weiß um die Schwächen. Im September tritt deshalb ein überarbeitetes VIG in Kraft. Dann dürfen Verbraucher alle amtlichen Messergebnisse einsehen, selbst wenn die Behörde nichts unternommen hat – sprich: auch wenn Grenzwerte nur ein bisschen überschritten waren. Einfache Anfragen sollen stets kostenfrei sein.