In Deutschland kommen nur 16 Organspender auf eine Million Einwohner. Das soll sich ändern: Die Krankenkassen befragen ihre Versicherten nach ihrer Spende-Bereitschaft. In Spanien hingegen müssen die Bürger einer möglichen Organentnahme aktiv widersprechen.
Als ihr Mann starb, gab Isolde Zinkl seine Organe zur Transplantation frei. „Auch die Augen?“, fragte der Arzt. „Was immer Sie brauchen!“, antwortete Isolde Zinkl. Sie weiß um das Leiden der Menschen, die auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen – seit sieben Jahren steht sie selbst darauf. Die 54-Jährige aus dem nordbayerischen Pressath hat sogenannte Schrumpfnieren und muss dreimal wöchentlich für fünf Stunden an die Dialyse. Dass Organspenden jetzt in Deutschland neu geregelt werden sollen, findet sie gut, auch wenn ihr die Neuerungen nicht weit genug gehen.
12.000 Patienten warten in Deutschland auf ein Spenderorgan, mit rund 8000 stellen die Nierenpatienten die größte Gruppe. Die durchschnittliche Wartezeit auf eine Niere beträgt fünf bis sechs Jahre, sagt die Deutsche Stiftung Organtransplantation in Frankfurt – statistisch gesehen ist die Oberpfälzerin also bereits überfällig. „Andere sind schlimmer dran“, sagt sie nachsichtig. Sie halte sich fit mit Schwimmen, ihren Enkeln und fahre mit ihrer Selbsthilfegruppe in Urlaub – die Dialyse wird wie Flug und Hotel im Voraus gebucht.
Als vor sieben Jahren ihre Nieren versagten, wäre sie fast gestorben. Das Organ versagte schleichend. Zinkl wurde „immer gelber“ und bekam keine Luft mehr. Sie musste in Rente gehen, die Arbeit als Schwesternhelferin in einem Pflegeheim ging über ihre Kräfte. Von der bisher in Deutschland geltenden Zustimmungslösung hält Isolde Zinkl nichts. Nicht nur, dass viele, die bereit wären zu spenden, keinen Spenderausweis hätten. „Wenn jemand einen Unfall hat, dann wühlt doch niemand in deren Taschen rum“.
Das Bundesgesundheitsministerium strebt nun eine gesetzliche Neuregelung bis zum kommenden Frühjahr an. Die Krankenkassen sollen alle Versicherten nach ihrer Spendebereitschaft befragen. Die Haltung zur Organspende könnte auf der neuen Elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden.
Isolde Zinkl findet das gut. Am liebsten wäre ihr aber, jeder käme als Spender infrage – außer er hat dem zu Lebzeiten widersprochen. „Das wäre die ideale Lösung. In anderen Ländern geht das doch auch.“
Eines dieser Länder ist Spanien: Wer im Todesfall nicht zum Organspender werden möchte, muss den Widerspruch in schriftlicher Form bei sich tragen, seine Angehörigen informieren oder sich in ein Register eintragen lassen. Die Zahl der Spender liegt bei 34 pro eine Million Einwohner und ist höher als in den meisten anderen europäischen Staaten. In Deutschland kommen auf eine Million Einwohner statistisch nur 15,9 Organspender.
Spanien bei Transplantationen führend
Eine Grundlage des spanischen Modells bildet die übergeordnete Behörde ONT (Nationale Organisation für Transplantation). Sie macht in den Krankenhäusern Organspender ausfindig, führt die Wartelisten der Empfänger und ist für die Verteilung der Organe zuständig. Spanien gehört bei den Transplantationen auch auf dem Gebiet der medizinischen Forschung zu den führenden Ländern. Vor fünf Jahren bekam eine Frau zwei neue Hände angenäht. 2010 nahmen spanische Ärzte die weltweit erste komplette Gesichtstransplantation vor.
Wie man die Aufmerksamkeit sehr drastisch auf das Thema lenken kann, hat vor vier Jahren ein niederländischer Fernsehsender gezeigt. In einer fingierten TV-Show konnten drei echte – aber eingeweihte - Patienten sich um die Organe einer angeblich todkranken Frau bewerben. Erst am Ende der Sendung löste der Moderator die Situation auf. Die Folge waren wüste Proteste aus dem In- und Ausland – aber der Erfolg war eindeutig: Innerhalb von rund sechs Wochen hatten sich 12.000 Niederländer beim zentralen Spendenregister gemeldet – zwei Drittel von ihnen ließen sich neu registrieren.
dpa/mim