Technik

Japan erlebt eine Roboter-Revolution

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Japan hat ein Problem: Weil ein Großteil der Bevölkerung schon im Rentenalter ist, fehlen dem Land in fast allen Bereichen Arbeitskräfte. Die Lösung: Maschinen ersetzten die Menschen. Schon heute rackern Hunderttausende Roboter in japanischen Unternehmen und Krankenhäusern – und es werden immer mehr.

Der Roboter Kansei ist ein programmierter Kriegsgegner: Hört er das Wort „Krieg“, verzieht er sein Gesicht zu einem Ausdruck zwischen Ekel und Angst. Spricht man von der Liebe, fängt er hingegen an zu lächeln. Kansei ist das jüngste Projekt eines Robotik-Labors der Meiji-Universität am Rand von Tokio. „Wenn Roboter unter Menschen leben sollen, müssen sie mit komplexen sozialen Aufgaben umgehen können“, erklärt Projektleiter Junichi Takeno.

Die Studenten des Labors haben Kansei daher so verdrahtet, dass sein gummiartiges Gesicht sechs grundlegende Ausdrucksformen beherrscht: Angst, Ärger, Trauer, Glück, Überraschung und Ekel. „Roboter werden mit Emotionen umgehen müssen“, sagt Takeno. „Sie müssen sie verstehen und irgendwann auch fühlen." Bis dahin mag es noch ein sehr langer Weg sein. Doch in japanischen Fabriken sind Roboter schon jetzt anerkannt. Es gibt Roboter, die Sushi-Gerichte garnieren. Andere werden für den Empfang in Firmengebäuden eingesetzt, sie rollen mit dem Staubsauger durch die Gänge oder füttern Bewohner eines Altenheims mit dem Löffel.


Für Japan ist die Entwicklung der Roboter eine Konsequenz aus der demographischen Entwicklung. Weil mehr als ein Fünftel der Bevölkerung älter als 65 ist, müssen Roboter Arbeiten verrichten, für die es keine Beschäftigten gibt. Anders als in der westlichen Science-Fiction-Literatur gelten Roboter in Japan nicht als Horror-Maschinen. „Japan ist das einzige Land der Welt, wo jeder eine elektronische Toilette hat“, sagt Technologie-Experte Damian Thong. „Es könnte sein, dass wir eine Robotik-Revolution erleben werden.“

Nach einer Studie der Macquarie-Bank sind in japanischen Betrieben mehr als 370.000 Roboter im Einsatz. Dabei stammen diese Daten noch aus dem Jahr 2005. Roboter beschweren sich nicht über Überstunden und brauchen keine Altersversorgung. „Die Kosten von Maschinen sinken, während die Arbeitskosten steigen“, sagt Eimei Onaga, Vorstandschef von Innovation Matrix, einer Firma, die japanische Roboter in die USA exportiert. „Schon bald könnten Roboter Arbeiter mit einfachen Tätigkeiten ersetzen und die Produktivität erheblich steigern.“ Das japanische Handelsministerium stellte im vergangenen Jahr einen Technologie-Zeitplan vor, wonach bis 2025 der Einsatz von einer Million Industrieroboter erwartet wird.

Der nächste logische Schritt sind Roboter im Alltagsleben. In einem Krankenhaus 300 Kilometer nördlich von Tokio rollt ein weiß-blauer Roboter von der Größe eines Kindes über die Flure und führt Patienten zur ambulanten Chirurgie. Die Maschine kennt einfache Begrüßungsformeln und erkennt Menschen mit Hilfe von Sensoren. Die Aizu-Chuo-Klinik gab für die Anschaffung von drei Robotern umgerechnet 363.000 Euro aus. Nicht alle Patienten sind jedoch davon überzeugt. „Es hat uns gesagt, dass wir aus dem Weg gehen sollen“, beschwert sich der 81-jährige Rollstuhlfahrer Hiroshi Asami. „Das ist ein Roboter. Er ist derjenige, der mir aus dem Weg gehen sollte.“

Hiroshi Ishiguro von der Universität Osaka meint dagegen: „Eines Tages werden Sie unter uns leben. Dann müssen Sie mich fragen: Sind sie ein Mensch? Oder ein Roboter?“

In Tokio wird ein Roboter mit Labor-Gefühlen gespeist, um dann sein künstliches Gesicht zu verziehen. An der Universität Osaka wird ein „biomimetischen Kind-Roboter“, eine Maschine, die Bewegungen eines Kleinkinds und dessen Reaktionen nachahmen soll, entwickelt

( DWK )