iPad-Alternative WePad

Berliner Zwerg fordert das Apple-Imperium heraus

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Hans Evert

Foto: Amin Akhtar

Er sagt, er liebt Apple und seine Produkte. Trotzdem attackiert der Chef eines kleinen Berliner Unternehmens den Welt-Konzern aus Kalifornien – mit einem geklonten iPad, genannt WePad. Technisch scheint das Gerät dem Vorbild mindestens ebenbürtig zu sein. Doch der Herausforderer muss noch viele Klinken putzen.

Der Mann hadert mit seiner Rolle. Doch das hilft ihm wenig, denn die Aufführung läuft bereits und Helmut Hoffer von Ankershoffen kommt nicht mehr raus. Zumal er sich selbst ins Spiel gebracht hat: Hoffer tritt mit seiner kleinen Softwarefirma Neofonie gegen Apple-Chef Steve Jobs an. Der Berliner Mittelständler gegen den Technikgiganten Apple aus Cupertino, Kalifornien. Genauer: Hoffers Computer WePad konkurriert mit Jobs iPad. "Wir sind doch", bremst der Mann mit dem langen Adelsnamen, "bestenfalls eine Ergänzung zum Angebot von Apple. Wir sind der Underdog."

Hoffer mag sich nicht als prahlerischer Herausforderer von Steve Jobs inszenieren. Er sieht sich als Nebendarsteller. Doch die Bühne, die er in seiner Nebenrolle betreten hat, ist grell ausgeleuchtet. Alles, was sich dort tut, wird begierig verfolgt. Jetzt schaut ein wachsendes Publikum auf diesen deutschen Neuling, der plötzlich zwischen den Kulissen einen Platz eingenommen hat. Hoffers Unternehmen hat zuletzt einen Umsatz von 13 Millionen Euro ausgewiesen. Apple machte im vergangenen Jahr allein 7,7 Milliarden Dollar Gewinn.

Bislang ist im Spiel um die Tablet-Computer noch alles Vorgeplänkel und Geraune. Aber am kommenden Samstag geht es richtig los. Dann verkauft Apple in den USA erstmals den iPad. Das flunderflache Gerät ist eine Sehnsuchtsbox. Kaum ein Produkt hat in den vergangenen Jahren soviel Hoffnung und Erwartung ausgelöst. Apple will einen Verkaufserfolg, wie er zuvor mit dem iPhone-Handy und dem Digitalwalkman iPod gelang. Vor allem aber will der Computerhersteller einer völlig neuen Geräteklasse den Weg ebnen. Der Tablet-Computer wird im besten Fall das Zerstreuungs- und Wissensgerät der Zukunft. Ein handliches Brett zum Lesen, Internetsurfen, Spielen, Fernsehen und Kommunizieren.

Das elektrisiert alle, die Lesestoff und bewegte Bilder liefern. Verleger von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen genauso wie die Produzenten und Rechteinhaber von Filmen und Fernsehserien. Verleger sehen nun eine realistische Chance, ihre Inhalte auf digitalem Weg für Geld losschlagen zu können. Läuft es mit dem iPad gut, dann könnten sie im Internet richtig verdienen.

Das ist die Bühne, auf der Helmut Hoffer von Ankershoffen mitmischen will. Der Beitrag seiner Firma Neofonie heißt WePad. Es ist ein flaches Gerät und hat gerundete Ecken wie das iPad. Der Bildschirm ist ebenfalls berührungsempfindlich und mit einer Diagonale von 11,6 Zoll sogar ein bisschen größer. Anders als Apples Digitalbrett wollen die Berliner ihr WePad mit USB-Anschlüssen versehen. Zusammengebaut wird das Gerät in Fernost.

Wo und von wem genau, verrät Hoffer nicht. Genauso verschwiegen gibt er sich, wenn es um weitere Partner geht, etwa in Logistik und Vertrieb. Auch den Preis nennt der Unternehmer nicht. Das WePad soll aber billiger als Apples iPad sein. Am 12. April will Hoffer auf einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit gehen und das Gerät herzeigen. Im Mai soll der Verkauf starten. Hoffers Nächte werden so kurz bleiben, wie sie es seit Wochen sind: maximal fünf Stunden Schlaf. Seine Augenringe dürften noch tiefer werden. Das Licht in seinem kleinen Büro mit der abgestoßenen Raufasertapete wird lange brennen.

Die Firma von Helmut Hoffer von Ankershoffen hat bislang in der Nische der Softwarespezialisten gearbeitet. Die 180 Mitarbeiter entwickeln Technologien für die Internetsuche, programmieren im Kundenauftrag Anwendungen für Apples iPhone, sogenannte Apps. Deutsche Verlagshäuser zählen zu den Kunden von Neofonie. Und für diese Klientel haben die Programmierer auch eine Software namens WeMagazine entwickelt. Bücher oder Zeitschriften können darin im Originallayout dargestellt werden. Eingebunden sind weitere Funktionen, um beispielsweise per Internetsuche vertiefen zu können, was man Interessantes gelesen hat.

Das sind die Referenzen, mit denen Hoffer auf die ganz große Bühne getreten ist. Ein Unternehmen mit großem Namen konnte er von seinem Produkt schon überzeugen: den Hamburger Verlag Gruner+Jahr ("Stern", "Geo"). Weitere sollen folgen, daran arbeiten der Unternehmer und seine Leute.

"Wir bieten den Verlagen eine Alternative", sagt Hoffer. In der Tat macht es Apple Unternehmen aus der Zeitungs- und Zeitschriftenbranche ganz einfach. Der Konzern wacht mit Argusaugen über die Verwertungskette. Ihre Inhalte müssen die Anbieter zu Apple-Bedingungen über die Plattform iTunes verkaufen. Und daran verdient Apple prächtig - das haben die Kalifornier bei Musiktiteln und den Apps für das iPhone vorgemacht.

Das Geschäftsmodell des WePad soll anders sein. "Apple hat ein geschlossenes System. Wir bieten uns als offene Plattform an", wirbt Hoffer für sein Produkt.

Die Verlagsunternehmen sollen einen Teil des Vertriebs selbst abwickeln. Das WePad könnten sie dann mit einem Zeitschriftenlogo versehen und es mit ihren Inhalten an die Nutzer verkaufen -zu einem subventionierten Preis. Ähnlich machen das heute die Betreiber von Mobilfunknetzen mit Handys.

Neofonie stellt sich mit dieser Strategie gegen Apple und den Kontrollanspruch des Konzerns. Das ist klar - trotz all der bewundernden Worte für Apple, die Hoffer immer wieder für den Computerriesen findet. Und Helmut Hoffer von Ankershoffen treibt noch etwas anderes, als der Wunsch, an einem neu entstehenden Markt mitzuverdienen. Der 36-Jährige ist ein Patriot, dessen Stimme lauter wird, wenn es um die defensive Rolle deutscher Unternehmen in der Geschäftswelt des Internet geht. "Die Wertschöpfung im Netzgeschäft haben wir doch hierzulande weitgehend aus der Hand gegeben", sagt er.

Um den Frust zu verstehen, muss man die Anfänge des Unternehmens betrachten. Hoffer und vier Mitstreiter, Informatiker der Technischen Universität Berlin, entwickelten 1997 Fireball, eine Suchmaschine für das Internet. In den Anfangstagen des Netzes war das die meistgenutzte deutsche Internetseite. Hoffer und seine Mitstreiter wollten die Technologie weiterentwickeln. Doch ihr Partner, das Internetunternehmen Lycos stellte kein Geld bereit. Hoffer gründete Neofonie und beschied sich mit geschäftlichem Erfolg in der Spezialistennische. Lycos spielt längst keine Rolle mehr im Internet. Neofonie soll jetzt raus aus der Nische. Wenn schon Nebenrolle, dann wenigstens auf der Hauptbühne, wo man auch den ganz Großen zeigen kann, dass man etwas drauf hat.

Doch die Ausnahmeerscheinung von Apple und Steve Jobs würde Hoffer nie infrage stellen. "Wir lieben Apple", sagt er. Neofonie rüstet gerade komplett auf Apple-Rechner um. Auf der Bühne, auf der Helmut Hoffer von Ankershoffen jetzt spielt, sollte man es sich nicht mit dem Hauptdarsteller verscherzen.